Metadaten

Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0102
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
100

Ernst A. Schmidt

Rächer seiner Kränkung in wildem Zorn (met. 1,453: „saeva Cupidi-
nis ira“), 2. Cupido von seiner ihn umarmenden Mutter (met. 5,364:
„amplexa“) gebeten, in promptem Gehorsam handelnd und 3. Cupido
absichtlos „dum dat puer oscula matri“ (met. 10,525). So unüberseh-
bar machtvoll Cupido schon in der Apollo-Daphne-Geschichte er-
schien, der Triumph der Liebe überbietet noch zweimal den ersten
Sieg.
Der Sieg Cupidos über Apollo ist gleichsam ein thematisches Selbst-
zitat, nämlich des Eröffnungsgedichts der Amores (am. 1,1), wo der
Knabe, zuerst indem er epischen Hexameter in erotisch-elegische Di-
stichen verwandelt - durch Stehlen eines Versfußes-, dann durch sei-
nen unfehlbaren Bogenschuß in die Brust des Dichters, sich die Do-
mäne des Dichtergottes Apollo erobert.10 Alle Liebesgeschichten von
Göttern nach der Daphneerzählung zeigen, daß de facto Eros über alle
oberen Götter herrscht, die erste Liebesgeschichte der Metamorphosen
also mit Apollo zugleich einen Repräsentanten der Olympier gemeint
hatte.
Daher wird der Pfeilschuß auf Dis, den Herrn der Unterwelt, damit
motiviert, daß auch das letzte Weltdrittel (met. 5,372: „pars tertia
mundi“) zu erobern sei. Der Sieg bedeutet, als Herrschaft über die Un-
terwelt, zugleich die Macht der Liebe über den Tod und über den Tod
hinaus und präludiert so nicht nur dem Orpheusthema11, sondern auch
noch einer Erzählung im Lied des Orpheus, der Geschichte von der den
Tod des Adonis überdauernden Macht der Liebe der Venus. Das Motiv
der Liebe über den Tod hinaus ist elegisch.12
Die dritte Erzählung ist insofern noch einmal eine Steigerung, als hier
die Verführerin zur Liebe, Venus, selbst das Opfer ist und gar absichts-
losen Tuns Cupidos. Das ist wie eine Palinodie auf die selbstbewußte
Ars amatoria des einstigen Verführers zur Liebe, Ovids; denn die Leh-
10 Vgl. dazu ergänzend Holzberg (1988), Einführung in Metamorphosen, S. 719: „Ver-
wandlung Apollos in einen elegischen Liebhaber“ und Solodow (1988), World of the
Metamorphoses, S. 21: „Apollo [. . .] closely resembles the lover familiär to us from the
elegiacs of Propertius, Tibullus, and, of course, Ovid himself.“
11 Orpheus sagt in seiner Rede vor Pluto und Proserpina u. a., er habe den Tod Eurydices
ertragen wollen, aber Amor sei stärker gewesen (met. 10,26), weshalb er, Orpheus, in
die Unterwelt hinabgestiegen sei. Amor sei den oberen Göttern wohlbekannt und so
auch, wenn die alte Geschichte vom Raub der Proserpina wahr sei, hier in der Unter-
welt, da Amor ja Pluto und Proserpina verbunden habe (v. 26-29).
12 Vgl. Properz 1,19,12: „traicit et fati litora magnus amor“ in Fortentwicklung eines Mo-
tivs bei Gallus, das aus Prop. 2,34,91 f. und Euphorion, fr. 43 Powell erschlossen wird:
vgl. Stroh (1971), Liebeselegie, S. 229 mit Anm. 7 und 8.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften