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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0122
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Ernst A. Schmidt

recht, richtend, lohnend und heilend und doch auch als grausam und
gewaltsam, als empfindlich, als achtlos und vernichtend begriff?17
Das Pendant zu Strafe ist Belohnung. Auch solche Geschichten gibt es
in den Metamorphosen. Die erste Erzählung dieser Art ist die von Deuca-
lion und Pyrrha, den besten, gerechtesten und gottesfürchtigsten Men-
schen (met. l,322f.), die als einzige die strafende Flut überleben. Aller-
dings wird die sichere Landung ihres kleinen Bootes auf dem Parnaß nicht
ausdrücklich als göttliche Bewahrung und Lohn dargestellt. Das aber ist
der Fall in der verwandten Erzählung von Philemon und Baucis. Das als
einziges unter tausend Häusern (met. 8,629) gegenüber Jupiter und Mer-
kur gastliche Haus des frommen alten Ehepaars wird von der Strafe eines
sintflutähnlichen Versinkens im Sumpf ausgenommen, wie sie die Nach-
barn trifft (met. 8,689ff.), und in einen Tempel verwandelt. Und den
beiden Alten wird ihr Wunsch erfüllt, nicht einer den anderen bestatten
zu müssen. Was als Bitte gleichzeitigen Todes gedacht war, wird erfüllt als
gleichzeitige, dem Tod zuvorkommende, Verwandlung in Bäume, die,
als Götter, religiöse Verehrung genießen (v. 724).
Die erste eigentliche Geschichte gerechter göttlicher Belohnung steht
gegen Ende des achten Metamorphosen\y\xchQS, nach der Mitte des Wer-
kes. Dieses Thema tritt also erst spät in der Dichtung auf. Dazu ist es,
entsprechend Ovids Kompositionsprinzip vereinzelter Antizipation und
der Entwicklung eines Themas aus ersten Keimen im Bereich anderer
Themendominanz zu voller und dominanter Entfaltung hin, die erste
deutliche Antizipation des Themas Apotheose. Sie wird, gesteigert und
entwickelt, in der Apotheose des Hercules in met. 9, 229-272, als näch-
stem einzelnen Paradigma wieder aufgenommen und nach solchem The-
menvorlauf schließlich in die Dominanzphase der letzten Metamorpho-
senbücher überführt.18
Wir hatten innerhalb des im ganzen als nur ein Hauptthema zu be-
trachtenden Komplexes ,Götterzorn und Götterstrafe‘ doch zwischen
(ungerechtem) Zorn und (gerechter) Strafe unterschieden, eine Unter-
scheidung, die einerseits durchaus Geschichten typmäßig deutlich von-
einander trennt, andererseits gleichsam als Problem innerhalb einer ein-
zigen Erzählung auftritt: ist die an sich berechtigte und verdiente Strafe
in ihrem Ausmaß noch gerecht? Zum Aspekt der gerechten Strafe hat-
ten wir als Gegenthema die gerechte Belohnung erkannt, die sich im
17 Segal (1969), Ovid’s Landscape, S. 1. 86f. 93 und passim; vgl. Holzberg (1988), Einfüh-
rung in Metamorphosen, S. 726.
18 Vgl. dazu u. S. 129ff.
 
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