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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Heger, Klaus [Honoree]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0038
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Wolfgang Raible

4.1 Koaleszenz von Partizipanten
Eines der Charakteristika, das ein großer Teil der Techniken zwischen
den Extremen der Dimension ,Junktion‘ aufweist, ist das Prinzip der
Koaleszenz von Sachverhaltsdarstellungen. Eine solche Koaleszenz ist
schon aus Gründen der Dekodierbarkeit von Sprache durch Rezipien-
ten geboten: Sachverhaltsdarstellungen, bei denen von Proposition zu
Proposition grammatisch nur ungleiche Übergänge vorkämen und se-
mantisch jeweils völlig neue Inhalte ausgedrückt würden, wären nicht
perzipierbar. Ein Grundprinzip der Kommunikation ist die richtige Mi-
schung aus Erwartetem, also Vorhersagbarem, und Neuem. Solche
Koaleszenz kann zwischen Aggregation und Integration in verschiede-
nen Spielarten vorkommen.
4.1.1 Satzverkettung 1 - Hopi
Die in Arizona beheimatete, zur Familie der uto-aztekischen Sprachen
gehörige Indianersprache Hopi19 weist als Grundstellung der Satzglie-
der SOV auf. Das Verb steht also am Ende einer Proposition. Werden
zwei Propositionen miteinander verbunden, so steht zu erwarten, daß
dies nicht nach Art der „polnischen Notation“ in der Mathematik ge-
schieht (a+b wäre in polnischer Notation +[a,b]}, sondern nach dem
Prinzip, daß das verbindende Element zwischen den verbundenen Ein-
heiten steht. Dies bedeutet also eine Junktion des Typs SOV +SOV.
Charakteristisch für die Hopi-Sprache ist nun eine Technik der Koa-
leszenz, bei der die Identität des ersten Aktanten (des „Subjekts“) die
entscheidende Rolle spielt. Realisiert wird diese Art der Koaleszenz mit
Hilfe eines Junktors, der zwar zwischen den beiden Propositionen steht,
aber nicht, wie „mitteleuropäisches“ Sprachgefühl erwarten ließe, am
Anfang der zweiten, sondern am Ende der ersten Proposition. Da dort
das Verb (Partizipatum) steht, bedeutet dies: die Junktion zwischen der
Darstellung des ersten und des zweiten Sachverhalts ist als Suffix am
Verb der ersten Sachverhaltsdarstellung realisiert. Das erste Kriterium,
das hier eine Rolle spielt, ist die Frage, ob der Erst-Aktant des ersten mit
dem Erst-Aktanten des nachfolgenden Satzes identisch sein soll. Trifft
dies nicht zu, so erhält das Verb der ersten Proposition das Suffix -q, das
die „disjunkte Relation“ anzeigt. Soll der nachfolgende Sachverhalt so
19 Die folgenden Angaben beruhen auf der bei Helmut Gipper in Münster entstandenen
Dissertation von Andrea Stahlschmidt (1983).
 
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