II. Die außereinzelsprachliche Perspektive
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Nachdem nun die - beachtliche - Skala der infiniten Formen des Finni-
schen vorgestellt ist, geht es noch darum, das Spektrum der mit diesen
Formen ausdrückbaren Relationen zu skizzieren. Es müßte wegen der
beträchtlichen morphologischen Komplexität (Kombination mit Kasus-
und Possessivsuffixen) reicher sein als der Fächer von Relationen, die
mit dem romanischen Gerundium/Partizip ausgedrückt werden können.
Zu diesem Spektrum gehört in der Tat, ganz anders als bei den roma-
nischen infiniten Formen, zunächst der Bereich der „Subjekt-“ und
„Objektsätze“ - mit einer Konstruktion, die dem lateinischen Acl ähn-
lich ist, wenn man davon absieht, daß - wie nach dem bisher Gesagten zu
erwarten steht - der Genitiv die Rolle des lateinischen Akkusativs
spielt104. Die Rolle des lateinischen Infinitivs hat das finnische Partizip:
- mies
,Mann'
Nominativ
kertoi
,erzählte'
omistajan
,Eigentümer'
Genitiv/Akku-
sativ
myyneen
verkaufen'
Partizip
Perf. Aktiv
Genitiv/Akk.
Singular
talon
,Haus'
Akkusativ
(„Der Mann erzählte, der Eigentümer habe das Haus verkauft“.)
- isä
,Vater'
Nominativ
käski
,befahl'
pojan
Junge'
Genitiv/
Akkusativ
lukea
,lesen'
Inf. I
kirjaa
,Buch'
Partitiv
(„Der Vater legte dem Jungen nahe, das Buch zu lesen“.)
Hier liegt, wie häufig im Finnischen, eine Kongruenz zwischen Genitiv-
und Akkusativform (im Singular) vor. Dort, wo die Formen verschieden
sind, erkennt man freilich, daß es sich um den Genitiv handelt. Bei
„Subjektsätzen“ erhält der Erst-Aktant der eingebetteten Sachverhalts-
darstellung nicht die Form des Genitivs:
- näyttää
,es scheint'
tule-va-n
,kommen' +
Partizip Präs. +
Aktiv Gen./Akk.
sade bzw.
,Regen' bzw.
Nominativ
poikia
Jungen'
Partitiv
Singular
Plural
(„Es scheint, daß Regen kommt (bzw. Jungen kommen).“)
poraler Relation signalisiert z. B. der Partitiv die Vorzeitigkeit, der Inessiv die Gleich-
zeitigkeit. Zur Uminterpretation ursprünglich lokaler in temporale Konzepte, die da-
bei eine Rolle spielt, vgl. Fromm 1982:286ff.
1114 Acl-Formen sind in den romanischen Sprachen in der Regel nur in jener „Nische“
erhalten geblieben, die die Verba sentiendi darstellen.
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Nachdem nun die - beachtliche - Skala der infiniten Formen des Finni-
schen vorgestellt ist, geht es noch darum, das Spektrum der mit diesen
Formen ausdrückbaren Relationen zu skizzieren. Es müßte wegen der
beträchtlichen morphologischen Komplexität (Kombination mit Kasus-
und Possessivsuffixen) reicher sein als der Fächer von Relationen, die
mit dem romanischen Gerundium/Partizip ausgedrückt werden können.
Zu diesem Spektrum gehört in der Tat, ganz anders als bei den roma-
nischen infiniten Formen, zunächst der Bereich der „Subjekt-“ und
„Objektsätze“ - mit einer Konstruktion, die dem lateinischen Acl ähn-
lich ist, wenn man davon absieht, daß - wie nach dem bisher Gesagten zu
erwarten steht - der Genitiv die Rolle des lateinischen Akkusativs
spielt104. Die Rolle des lateinischen Infinitivs hat das finnische Partizip:
- mies
,Mann'
Nominativ
kertoi
,erzählte'
omistajan
,Eigentümer'
Genitiv/Akku-
sativ
myyneen
verkaufen'
Partizip
Perf. Aktiv
Genitiv/Akk.
Singular
talon
,Haus'
Akkusativ
(„Der Mann erzählte, der Eigentümer habe das Haus verkauft“.)
- isä
,Vater'
Nominativ
käski
,befahl'
pojan
Junge'
Genitiv/
Akkusativ
lukea
,lesen'
Inf. I
kirjaa
,Buch'
Partitiv
(„Der Vater legte dem Jungen nahe, das Buch zu lesen“.)
Hier liegt, wie häufig im Finnischen, eine Kongruenz zwischen Genitiv-
und Akkusativform (im Singular) vor. Dort, wo die Formen verschieden
sind, erkennt man freilich, daß es sich um den Genitiv handelt. Bei
„Subjektsätzen“ erhält der Erst-Aktant der eingebetteten Sachverhalts-
darstellung nicht die Form des Genitivs:
- näyttää
,es scheint'
tule-va-n
,kommen' +
Partizip Präs. +
Aktiv Gen./Akk.
sade bzw.
,Regen' bzw.
Nominativ
poikia
Jungen'
Partitiv
Singular
Plural
(„Es scheint, daß Regen kommt (bzw. Jungen kommen).“)
poraler Relation signalisiert z. B. der Partitiv die Vorzeitigkeit, der Inessiv die Gleich-
zeitigkeit. Zur Uminterpretation ursprünglich lokaler in temporale Konzepte, die da-
bei eine Rolle spielt, vgl. Fromm 1982:286ff.
1114 Acl-Formen sind in den romanischen Sprachen in der Regel nur in jener „Nische“
erhalten geblieben, die die Verba sentiendi darstellen.