Metadaten

Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Heger, Klaus [Honoree]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0163
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
IV. Die diachronische Perspektive

161

diagnostiziert, verteilen sich auf „rund 80 verschiedene belegte Kon-
junktionstypen“ (Ehrliholzer 1965:112). Dies mag auf den ersten Blick
Erstaunen hervorrufen. Zwei Gesichtspunkte tragen jedoch dazu bei,
diese Tatsache als weniger auffällig erscheinen zu lassen. Erstens sind
von den 80 Typen Ehrliholzers 50 nur in ein bis drei Texten belegt. Drei-
ßig der Typen sind überhaupt nur ein- oder zweimal belegt. Faßt man
den Begriff ,Typ‘ etwas weiter, im Sinne von Prototyp, so reduziert sich,
zweitens, die Zahl 80 um das Zwanzigfache auf genau vier Muster oder
Formen, eine synthetische und drei analytische:
1. synthetische Konjunktionen: chè, ca, poi, onde, quando
2. analytische Konjunktionen:
(a) ,[verstärkende Präposition +] Präposition + (pro-)nominaler Vertreter einer
Sachverhaltsdarstellung1 - lat. per hoc: (im-)perô, (im-)perciô, acciô, di cio,
per questo, per quello, per tanto. Die Skala zwischen den pronominalen Null-
Interpretatoren (vgl. oben II.4.5) und den merkmalhaltigeren eigentlichen In-
terpretatoren bewährt sich auch hier. Denn die Reihe kann fortgesetzt werden
mit: per tale cagione, per tale ragione, per tale causa.
(b) „relativer Anschluß“ - lat. per quod: perché, poichè, da chè, giacchè, per lo
quäl — und, mit explizitem Interpretator - per la quäl cosa.
(c) die Kombination aus (a) und (b), d. h. der lat. Typ per hoc quod:
(im-)perö chelcaW, (im-)percio chelca, a cià ehe, per quello ehe, per questo ehe,
per tanto ehe, di cio ehe, in cid ehe, di quello ehe, con quel ehe, in tanto ehe.
Auch hier sind die expliziten Interpretatoren möglich: per ragione ehe, per
cagione ehe, a cagione ehe, so cagione ehe.
Analoge Konjunktionen sind auch in anderen romanischen Sprachen
vorhanden:
frz. puisque, span, pues que, frz. parce que, sp. porque, afrz. ainz que,
nfrz. avant que, span, antes que, frz. à cause queu etc. Insofern dürfte es
sich um eine Möglichkeit handeln, die bereits das lateinische System
bietet. Und in der Tat existieren diese Bildungsmuster schon seit dem
klassischen Latein.
10 ca (wohl aus lat. quia) statt ehe ist anfänglich auch im Norden Italiens zu finden, wird
jedoch mit der Zeit ein Spezifikum des Südens.
11 A cause que war bis ins 19. Jahrhundert auch eine im Französischen übliche Konjunk-
tion. Ihre „Blütezeit“ liegt im 16./17. Jahrhundert. Dies hat Folgen für die Varianten des
Französischen, die durch Kolonialisierung oder durch Auswanderung im 17. Jahrhun-
dert entstanden sind: Vgl. zum Kreol von Réunion Chaudenson 1974:679, und weiter
unten im selben Kapitel zum Französischen in Louisiana Cynthia Stäbler (1990), zum
Kreol von Mauritius Marie-Anne Nickau (1989) und zum Seychellen-Kreol Susanne
Michaelis (1991:166f.).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften