V. Junktion, Mündlichkeit und Schriftlichkeit
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mentiert; argumentiert wird dagegen im höfischen Roman oder - eines
der Untersuchungsobjekte in Johannes Klares Arbeit zum Ausdruck
der konzessiven Relationen (1958) - in Rechtstexten13. In Ludwigs Ar-
beit erwies es sich nun, daß ein unterschiedlicher Grad an Geplantheit,
also die spätere „konzeptionelle Mündlichkeit/Schriftlichkeit“, eben-
falls Folgen für die Art hat, in der Junktion realisiert wird. Die Techni-
ken der Junktion sind eher aggregativ für konzeptionell mündliche
Texte, eher integrativ für konzeptionell schriftliche14. Mehr noch: je in-
tegrativer die verwendeten Techniken der Junktion sind, desto schrift-
sprachlicher wirkt der Text. Die Mutter, die das Fehlen ihres Kindes
beim Lehrer entschuldigen will, mag zwar schreiben infolge eines
Schnupfens habe ihr Sohn Jonathan leider nicht am Schwimmunterricht
teilnehmen können. Sie würde dies jedoch nie sagen, weder am Telefon
noch in direkter Kommunikation. Es klänge gar zu „amtlich“ oder fach-
sprachlich.
Ein ähnliches Problem ergibt sich bei den oben in II.4.3.2 vorgestell-
ten infiniten Konstruktionen des Finnischen. Zwar sind die in IV. 1 be-
sprochenen infiniten Formen, die Relationen thematisieren, zu-im all-
gemeinen häufig verwendeten - Verhältniswörtern oder Konjunktionen
geworden. Abgesehen von den Konstruktionen mit dem Infinitiv I und
von einigen Formen des Infinitivs IV sind jedoch die eigentlichen Infini-
tiv-Konstruktionen hochgradig schriftsprachlich. Die meisten der oben
in II.4.3.2 angeführten Beispiele kann man lesen, nicht jedoch hören.
Sie sind ausgesprochene Signale konzeptioneller Schriftlichkeit.
Sowohl in den frühen romanischen Texten wie in den Texten der Kreol-
sprachen (und anderer Sprachen, die erstmals verschriftlicht werden) ist
13 Stempel hob damit die traditionelle Argumentation aus den Angeln, das Altfranzösi-
sche sei, weil von den subordinierenden Konjunktionen des Lateinischen nur vier oder
fünf direkt ins Altfranzösische gekommen seien, eine „arme“ Sprache, zu vergleichen
der Kindersprache. Dahinter steckt auch das traditionelle - etwa schon bei Wilhelm von
Humboldt zu findende - Vorurteil, Parataxe sei primitiv, Hypotaxe ein Zeichen von
kultureller Evolution. Stempel zeigte dagegen, daß unterschiedliche Gattungen unter-
schiedliche Anforderungen stellen, daß die ersten großen Texte des Altfranzösischen
keine große Herausforderung für die „Satzverknüpfung“ bedeuten, daß jedoch (die
oben in IV.2 besprochenen) Verfahren zur Bildung von Junktoren vorhanden sind und
bei kommunikativem Bedarf verwendet werden.
14 Es sei nochmals betont, daß konzeptionell Schriftliches-mit Bühler: Sprachwerk-auch
in medialer Mündlichkeit möglich ist. Man denke an die von Marianne Mithun (1984)
erwähnten Mohawk-Sprecher, die als gute Redner gelten.
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mentiert; argumentiert wird dagegen im höfischen Roman oder - eines
der Untersuchungsobjekte in Johannes Klares Arbeit zum Ausdruck
der konzessiven Relationen (1958) - in Rechtstexten13. In Ludwigs Ar-
beit erwies es sich nun, daß ein unterschiedlicher Grad an Geplantheit,
also die spätere „konzeptionelle Mündlichkeit/Schriftlichkeit“, eben-
falls Folgen für die Art hat, in der Junktion realisiert wird. Die Techni-
ken der Junktion sind eher aggregativ für konzeptionell mündliche
Texte, eher integrativ für konzeptionell schriftliche14. Mehr noch: je in-
tegrativer die verwendeten Techniken der Junktion sind, desto schrift-
sprachlicher wirkt der Text. Die Mutter, die das Fehlen ihres Kindes
beim Lehrer entschuldigen will, mag zwar schreiben infolge eines
Schnupfens habe ihr Sohn Jonathan leider nicht am Schwimmunterricht
teilnehmen können. Sie würde dies jedoch nie sagen, weder am Telefon
noch in direkter Kommunikation. Es klänge gar zu „amtlich“ oder fach-
sprachlich.
Ein ähnliches Problem ergibt sich bei den oben in II.4.3.2 vorgestell-
ten infiniten Konstruktionen des Finnischen. Zwar sind die in IV. 1 be-
sprochenen infiniten Formen, die Relationen thematisieren, zu-im all-
gemeinen häufig verwendeten - Verhältniswörtern oder Konjunktionen
geworden. Abgesehen von den Konstruktionen mit dem Infinitiv I und
von einigen Formen des Infinitivs IV sind jedoch die eigentlichen Infini-
tiv-Konstruktionen hochgradig schriftsprachlich. Die meisten der oben
in II.4.3.2 angeführten Beispiele kann man lesen, nicht jedoch hören.
Sie sind ausgesprochene Signale konzeptioneller Schriftlichkeit.
Sowohl in den frühen romanischen Texten wie in den Texten der Kreol-
sprachen (und anderer Sprachen, die erstmals verschriftlicht werden) ist
13 Stempel hob damit die traditionelle Argumentation aus den Angeln, das Altfranzösi-
sche sei, weil von den subordinierenden Konjunktionen des Lateinischen nur vier oder
fünf direkt ins Altfranzösische gekommen seien, eine „arme“ Sprache, zu vergleichen
der Kindersprache. Dahinter steckt auch das traditionelle - etwa schon bei Wilhelm von
Humboldt zu findende - Vorurteil, Parataxe sei primitiv, Hypotaxe ein Zeichen von
kultureller Evolution. Stempel zeigte dagegen, daß unterschiedliche Gattungen unter-
schiedliche Anforderungen stellen, daß die ersten großen Texte des Altfranzösischen
keine große Herausforderung für die „Satzverknüpfung“ bedeuten, daß jedoch (die
oben in IV.2 besprochenen) Verfahren zur Bildung von Junktoren vorhanden sind und
bei kommunikativem Bedarf verwendet werden.
14 Es sei nochmals betont, daß konzeptionell Schriftliches-mit Bühler: Sprachwerk-auch
in medialer Mündlichkeit möglich ist. Man denke an die von Marianne Mithun (1984)
erwähnten Mohawk-Sprecher, die als gute Redner gelten.