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Wolfgang Raible
sind, nennt allein zum kausalen Bereich noch kifè, alôkifè, kifèvwè,
konmkwa, konsa, konsayéla^. Im Seychellen-Kreol scheint diese Tech-
nik nach den Untersuchungen von Susanne Michaelis (1991) kaum eine
Rolle zu spielen. Dagegen zeigt die Arbeit von Marie-Anne Nickau über
das Mauritius-Kreol die Existenz solcher Formen wie akoz saUakoz sa,
akoz samem. (Beispiele finden sich z.T. in Kapitel IV).
Die Kreolsprachen haben eine Gemeinsamkeit mit den romanischen
Vulgärsprachen zum Zeitpunkt ihrer Verschriftlichung im Mittelalter:
Sie stellen den „Basilekt“ gegenüber dem „Akrolekt“ in einer Diglossie-
Situation dar. Für die Kreolsprachen ist dieser Akrolekt in der Regel
eine der europäischen Sprachen, für die romanischen Vulgärsprachen
war es die lateinische Sprache. Da der Akrolekt in solchen Situationen
die Schriftsprache, generell die Sprache der konzeptionellen Schriftlich-
keit oder der Sprach werke ist, besteht eine weitere Möglichkeit der
Schaffung neuer Junktionstechniken hier in „Anleihen“ an Möglichkei-
ten des Akrolekts. Dies bietet sich besonders in Situationen an, in denen
der Akrolekt, genetisch gesehen, die Sprache ist, aus der die neuen Kre-
olsprachen sich entwickelt haben. (Das Seychellen-Kreol zeigt aber, daß
auch ein englischer Akrolekt auf eine Kreolsprache mit französischer
Basis wirken kann.) Für die romanischen Vulgärsprachen des Mittelal-
ters bedeutet dies eine „Relatinisierung“ (die in beträchtlichem Umfang
nur vorübergehend war), für eine Sprache wie das Kreol von Guade-
loupe oder Haiti eine „Refranzisierung“.
Diese „Anleihen“ haben im Mittelaltertatsächlich stattgefunden. Sie
haben vor allem dort stattgefunden, wo die Gattung, die in der Vulgär-
sprache verschriftlicht wird, als lateinische Gattung existiert. Ein sehr
illustratives Beispiel sind die Straßburger Eide von 842. Der romanische
Teil besteht aus drei Sätzen, von denen zwei äußerst komplex sind. Der
erste stellt eine Sachverhaltsdarstellung dar, in die zwei nominale adver-
biale Bestimmungen und drei andere Sachverhaltsdarstellungen inte-
griert sind (von denen eine wiederum eine Sachverhaltsdarstellung ent-
hält). Die Junktoren, die verwendet werden, um die Integration der drei
eingebetteten Sachverhaltsdarstellungen zweiter Ordnung anzuzeigen,
verraten deutlich die lateinische Deszendenz: in quant,insofern1, si cum
,so wie‘ und in o quid vorausgesetzt daß‘17 18. Die Tendenz zur Relatinisie-
rung in der Syntax gilt generell für die frühen romanischen Texte19.
17 Ralph Ludwig/Danielle Montbrand/Hector Poullet/Sylviane Telchid (1990).
18 Zu in o quid verweist Stempel 1964:393 auf altkatalanisches en so que, altprovenzali-
Wolfgang Raible
sind, nennt allein zum kausalen Bereich noch kifè, alôkifè, kifèvwè,
konmkwa, konsa, konsayéla^. Im Seychellen-Kreol scheint diese Tech-
nik nach den Untersuchungen von Susanne Michaelis (1991) kaum eine
Rolle zu spielen. Dagegen zeigt die Arbeit von Marie-Anne Nickau über
das Mauritius-Kreol die Existenz solcher Formen wie akoz saUakoz sa,
akoz samem. (Beispiele finden sich z.T. in Kapitel IV).
Die Kreolsprachen haben eine Gemeinsamkeit mit den romanischen
Vulgärsprachen zum Zeitpunkt ihrer Verschriftlichung im Mittelalter:
Sie stellen den „Basilekt“ gegenüber dem „Akrolekt“ in einer Diglossie-
Situation dar. Für die Kreolsprachen ist dieser Akrolekt in der Regel
eine der europäischen Sprachen, für die romanischen Vulgärsprachen
war es die lateinische Sprache. Da der Akrolekt in solchen Situationen
die Schriftsprache, generell die Sprache der konzeptionellen Schriftlich-
keit oder der Sprach werke ist, besteht eine weitere Möglichkeit der
Schaffung neuer Junktionstechniken hier in „Anleihen“ an Möglichkei-
ten des Akrolekts. Dies bietet sich besonders in Situationen an, in denen
der Akrolekt, genetisch gesehen, die Sprache ist, aus der die neuen Kre-
olsprachen sich entwickelt haben. (Das Seychellen-Kreol zeigt aber, daß
auch ein englischer Akrolekt auf eine Kreolsprache mit französischer
Basis wirken kann.) Für die romanischen Vulgärsprachen des Mittelal-
ters bedeutet dies eine „Relatinisierung“ (die in beträchtlichem Umfang
nur vorübergehend war), für eine Sprache wie das Kreol von Guade-
loupe oder Haiti eine „Refranzisierung“.
Diese „Anleihen“ haben im Mittelaltertatsächlich stattgefunden. Sie
haben vor allem dort stattgefunden, wo die Gattung, die in der Vulgär-
sprache verschriftlicht wird, als lateinische Gattung existiert. Ein sehr
illustratives Beispiel sind die Straßburger Eide von 842. Der romanische
Teil besteht aus drei Sätzen, von denen zwei äußerst komplex sind. Der
erste stellt eine Sachverhaltsdarstellung dar, in die zwei nominale adver-
biale Bestimmungen und drei andere Sachverhaltsdarstellungen inte-
griert sind (von denen eine wiederum eine Sachverhaltsdarstellung ent-
hält). Die Junktoren, die verwendet werden, um die Integration der drei
eingebetteten Sachverhaltsdarstellungen zweiter Ordnung anzuzeigen,
verraten deutlich die lateinische Deszendenz: in quant,insofern1, si cum
,so wie‘ und in o quid vorausgesetzt daß‘17 18. Die Tendenz zur Relatinisie-
rung in der Syntax gilt generell für die frühen romanischen Texte19.
17 Ralph Ludwig/Danielle Montbrand/Hector Poullet/Sylviane Telchid (1990).
18 Zu in o quid verweist Stempel 1964:393 auf altkatalanisches en so que, altprovenzali-