V. Junktion, Mündlichkeit und Schriftlichkeit
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Kreol war), auf Phänomene hin untersucht, wie sie hier interessieren.
Dabei zeigte es sich, daß es Politiker gab, die sich der Mittel des Kreols
in erstaunlich integrativer Weise zu bedienen wußten, während andere
kräftige Anleihen bei den Mitteln der französischen Syntax machten
(Stein 1989).
Damit nicht der Eindruck entsteht, nur am Beispiel von Kreolsprachen
könne man Beobachtungen zum Zusammenhang zwischen der Schrift-
lichkeit und der Entwicklung integrativer Techniken machen, sei an die
Geschichte von jetzigen und ehemaligen Kultursprachen erinnert. Die
Technik des lateinischen ablativus absolutus war zunächst nur auf No-
mina beschränkt. Sie wurde dadurch „ausgebaut“, daß an die Stelle der
nominalen Ablative die Ablative der infiniten - und damit an Eigen-
schaften des Nominalsystems beteiligten - Formen von Verben treten
konnten. Die Valenz des Verbs, das als Partizip fungiert, gestattet, zu-
sammen mit der Möglichkeit zirkumstantieller Angaben und mit der
temporalen Differenzierung der Partizipien, eine beträchtliche Erweite-
rung der Möglichkeiten des ablativus absolutus als eines Mittels der Di-
stanzsprache. Statt dis inimicis ,dank der Feindschaft der Götter‘, rebus
secundis ,unter günstigen Umständen4 oder C. Licinio praetore ,zur Zeit
der Praetorschaft des Gaius Licinius4 werden dann Wendungen möglich
wie hoc loco praeterito et, cur praetereatur, demonstrato ,nachdem wir
diesen Topos übergangen und gezeigt haben, warum er übergangen
wurde4 (Cicero, de inventione 2,34)26 oder, bei Ulpian, also in der römi-
schen Rechtsgelehrsamkeit, ei iudice quantitatem taxante (Digesten
10,4,3,2), wo die Trivalenz des Verbs taxare in der absoluten Konstruk-
tion voll ausgenützt wird.
Der lateinische accusativus cum infinitivo, eine andere der integrativen
Techniken des Lateins, ist in seinen Möglichkeiten im Laufe der ersten
Jahrhunderte lateinischer Schriftkultur ebenfalls erweitert worden - da-
durch, daß futurische Formen geschaffen oder zugänglich wurden. Die
Untersuchung der Übersetzung beispielsweise lateinischer Texte in die
romanischen Sprachen zeigt wiederum die Erscheinung einer Entwick-
lung integrativer Möglichkeiten, und, diesmal nicht in einer der Kreol-
sprachen, auch das Experimentieren mit solchen Möglichkeiten27.
26 Vgl. Hofmann/Szantyr 1972:137ff. Das Thema des ablativus absolutus im Rahmen der
schriftkulturellen Entwicklung zwischen dem Lateinischen und dem Romanischen be-
handelt eine Freiburger Dissertation von Johannes Müller-Lancé.
27 Vgl. dazu etwa die Habilitationsschrift von Peter Stein (1990) zu den romanischen Li-
viusübersetzungen.
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Kreol war), auf Phänomene hin untersucht, wie sie hier interessieren.
Dabei zeigte es sich, daß es Politiker gab, die sich der Mittel des Kreols
in erstaunlich integrativer Weise zu bedienen wußten, während andere
kräftige Anleihen bei den Mitteln der französischen Syntax machten
(Stein 1989).
Damit nicht der Eindruck entsteht, nur am Beispiel von Kreolsprachen
könne man Beobachtungen zum Zusammenhang zwischen der Schrift-
lichkeit und der Entwicklung integrativer Techniken machen, sei an die
Geschichte von jetzigen und ehemaligen Kultursprachen erinnert. Die
Technik des lateinischen ablativus absolutus war zunächst nur auf No-
mina beschränkt. Sie wurde dadurch „ausgebaut“, daß an die Stelle der
nominalen Ablative die Ablative der infiniten - und damit an Eigen-
schaften des Nominalsystems beteiligten - Formen von Verben treten
konnten. Die Valenz des Verbs, das als Partizip fungiert, gestattet, zu-
sammen mit der Möglichkeit zirkumstantieller Angaben und mit der
temporalen Differenzierung der Partizipien, eine beträchtliche Erweite-
rung der Möglichkeiten des ablativus absolutus als eines Mittels der Di-
stanzsprache. Statt dis inimicis ,dank der Feindschaft der Götter‘, rebus
secundis ,unter günstigen Umständen4 oder C. Licinio praetore ,zur Zeit
der Praetorschaft des Gaius Licinius4 werden dann Wendungen möglich
wie hoc loco praeterito et, cur praetereatur, demonstrato ,nachdem wir
diesen Topos übergangen und gezeigt haben, warum er übergangen
wurde4 (Cicero, de inventione 2,34)26 oder, bei Ulpian, also in der römi-
schen Rechtsgelehrsamkeit, ei iudice quantitatem taxante (Digesten
10,4,3,2), wo die Trivalenz des Verbs taxare in der absoluten Konstruk-
tion voll ausgenützt wird.
Der lateinische accusativus cum infinitivo, eine andere der integrativen
Techniken des Lateins, ist in seinen Möglichkeiten im Laufe der ersten
Jahrhunderte lateinischer Schriftkultur ebenfalls erweitert worden - da-
durch, daß futurische Formen geschaffen oder zugänglich wurden. Die
Untersuchung der Übersetzung beispielsweise lateinischer Texte in die
romanischen Sprachen zeigt wiederum die Erscheinung einer Entwick-
lung integrativer Möglichkeiten, und, diesmal nicht in einer der Kreol-
sprachen, auch das Experimentieren mit solchen Möglichkeiten27.
26 Vgl. Hofmann/Szantyr 1972:137ff. Das Thema des ablativus absolutus im Rahmen der
schriftkulturellen Entwicklung zwischen dem Lateinischen und dem Romanischen be-
handelt eine Freiburger Dissertation von Johannes Müller-Lancé.
27 Vgl. dazu etwa die Habilitationsschrift von Peter Stein (1990) zu den romanischen Li-
viusübersetzungen.