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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Heger, Klaus [Honoree]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0238
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Wolfgang Raible

veröffentlicht. Dieser Aufsatz ist hier u. a. deshalb wichtig, weil Talmy
Givön ihn 1990 als Basis für Überlegungen verwendet hat, deren kriti-
sche Rezeption geeignet ist, das Konzept der Finitheit aus Abschnitt 1
noch weiter zu differenzieren.
Der Beitrag von Hopper/Thompson organisiert sich gewissermaßen
um eine zentrale Lücke, nämlich um das gestaltpsychologische Konzept
der Prägnanz (oder den ebenfalls nicht genannten Begriff des Proto-
typs). Für die beiden Autoren ist die „prägnanteste“ (prototypische) Art
der Sachverhaltsdarstellung der zweiwertige (transitive) Aussagesatz
mit einer abgeschlossenen, ebenfalls „prototypischen“ Handlung zwi-
schen einem bewußt handelnden Agens und einem vom Vorgang betrof-
fenen Patiens-Individuum28. Es geht also um jene Sätze des Typs „Der
Bauer schlägt den Esel“ oder „the farmer killed the duckling“, die, nicht
ohne Grund, schon immer den Grammatikern als beliebte Beispiele ge-
dient haben29. Transitivität erweist sich dabei naturgemäß als ein skala-
rer Begriff. Stellt man nun, wie Talmy Givön es auf der Basis des Bei-
trags von Hopper/Thompson tut, eine Beziehung zwischen semantischer
Prägnanz und grammatischer Finitheit her, so würde gelten, daß Abge-
schlossenes „finiter“ ist als Nicht-Abgeschlossenes, Punktuelles „fini-
ter“ als Duratives, Wirkliches „finiter“ als Irreales etc.30. Systematisiert
man Givöns Darstellung, so läßt sich die folgende Matrix entwerfen, in
der in beiden Dimensionen eine relative „Finitheit“ das Ordnungskrite-
rium ist:

28 Im Sinne von Harald Weinrich würde es sich um die ,Subjekt-Partner-Valenz‘ handeln.
Vgl. oben Kapitel III.4.
29 Die Verbindung zur Gestalttheorie wird freilich hergestellt durch die textlinguistische
Einbettung der ganzen Überlegungen: Sachverhaltsdarstellungen mit einem hohen
Grad an Transitivität markieren den Vordergrund von Diskursen, intransitive Sachver-
haltsdarstellungen oder Sachverhaltsdarstellungen mit einem geringen Maß an Transiti-
vität bilden den Hintergrund, von dem der Vordergrund sich abhebt. „Gestaltpsycholo-
gisch“ ist also die zugrunde gelegte und grundlegende Dialektik von Gestalt und Hinter-
grund (Hopper/Thompson 1980:281 ff.). - Der zentrale Begriff bei Hopper/Thompson
ist derjenige der effectiveness. - Vgl. zum Begriff der Prägnanz im vorliegenden Zusam-
menhang auch René Thom (1985).
30 Vgl. Givön 1990:854f. und Hopper/Thompson (1980). - Vom gestaltpsychologischen
Begriff der Prägnanz her argumentiert im Grunde auch Ralph Ludwig in seiner Freibur-
ger Habilitationsschrift (1991): Verben bezeichneten prototypisch Prozesse, und ein op-
timaler Prozeß sei einer, der abgeschlossen sei. Bei entsprechenden Verbal-Konzepten
müsse so, wie in vielen Kreolsprachen, Perfektivität gar nicht morphologisch signalisiert
werden.
 
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