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Wolfgang Raible
Hinsicht beide in Frage - vorausgesetzt natürlich, die Sprecher der Spra-
che verfügen über ein Grundinventar von Zeichen. In Frage kommen
auf jeden Fall die Verben - denn ein Verb ist als „noeud central“ im
Sinne Tesnières per definitionem eine Einheit, die Relationen herstellt
(und die deshalb in der noematischen Darstellung Klaus Hegers auch
stets einen [mindestens einstelligen] „Relator“ erfordert). Sprachsy-
steme sind nun allemal so „elastisch“, daß Inhalte, die typischerweise
einem bestimmten modus significandi zukommen, auch mit den Mitteln
eines anderen auszudrücken sind. In der Sprache der Modisten: Ein
Konzept, das zum modus fieri gehört, kann sprachlich so dargestellt wer-
den, als ob es den modus esse verkörperte. „Nominale“ Inhalte können
z. B. „verbalisiert“ werden - aus Fenster kann fensterln werden. Nomina
können in Verben inkorporiert werden - aus „ich fange ein/das Gürtel-
tier“ wird „ich gürteltier-fange“48. „Verbale“ Inhalte können „nominali-
siert“ werden, etwa in der Technik ,Abstraktion1 im Rahmen der Di-
mension ,Appréhension1. Dabei gibt es einen Überschneidungsbereich
zwischen dem typischen „Verb“ und dem typischen „Nomen“ bei den
avalenten Verben („es regnet“ gegenüber „Regen“ etc.). Findet der
Übergang vom Nomen zum Verb statt, so handelt es sich, im Sinne von
René Thom, stets um eine „Katastrophe“ - es ändert sich etwas Grund-
legendes: ein Nomen erhält Valenz, es wird zum Relator. Der umge-
kehrte Übergang von Verb zum Nomen verläuft dagegen ohne „Kata-
strophe“, das deverbale Nomen behält ja seine Valenz, d.h. es bleibt
zugleich ein Relator („X untersucht Y“ wird z. B. „die Untersuchung von
Y durch X“)49. Dies ist die Basis der Technik , Abstraktion1 in der Seiler-
sehen Dimension ,Apprehension‘.
Geht man von diesen Überlegungen aus, so dürfte es - wie sich schon in
Kapitel IV.3 abgezeichnet hat - zwei Grundarten der Markierung jener
Relationen geben, die zwischen dem Partizipatum und den Partizipan-
ten bestehen: Markierung durch Relatoren, die „verbal“, und Markie-
48 Vgl. dazu etwa Leal Carretero/Ramirez de la Cruz 1987:229-232 (am Beispiel des
Huichol). - Beim Verfahren der Nominal-Inkorporation geht natürlich Prägnanz und,
in anderem Sinn, Finitheit, verloren: es entsteht die Bezeichnung für eine relativ gene-
relle Tätigkeit. Ist es ein Gürteltier, sind es mehrere, ein bestimmtes, irgendeines etc.?
Man versteht auch an solchen Beispielen, wieso etwa die Art der Objektmarkierung,
wie im Finnischen, zum Ausdruck der Perfektivität oder Imperfektivität verwendet wer-
den kann [Finitheit! aus VI.2],
Vgl. zum „katastrophalen“ Übergang ,Nomen - Verb' auch, allerdings ohne depen-
denzgrammatischen Hintergrund, auch Paul Hopper/Sandra A. Thompson (1984).
Wolfgang Raible
Hinsicht beide in Frage - vorausgesetzt natürlich, die Sprecher der Spra-
che verfügen über ein Grundinventar von Zeichen. In Frage kommen
auf jeden Fall die Verben - denn ein Verb ist als „noeud central“ im
Sinne Tesnières per definitionem eine Einheit, die Relationen herstellt
(und die deshalb in der noematischen Darstellung Klaus Hegers auch
stets einen [mindestens einstelligen] „Relator“ erfordert). Sprachsy-
steme sind nun allemal so „elastisch“, daß Inhalte, die typischerweise
einem bestimmten modus significandi zukommen, auch mit den Mitteln
eines anderen auszudrücken sind. In der Sprache der Modisten: Ein
Konzept, das zum modus fieri gehört, kann sprachlich so dargestellt wer-
den, als ob es den modus esse verkörperte. „Nominale“ Inhalte können
z. B. „verbalisiert“ werden - aus Fenster kann fensterln werden. Nomina
können in Verben inkorporiert werden - aus „ich fange ein/das Gürtel-
tier“ wird „ich gürteltier-fange“48. „Verbale“ Inhalte können „nominali-
siert“ werden, etwa in der Technik ,Abstraktion1 im Rahmen der Di-
mension ,Appréhension1. Dabei gibt es einen Überschneidungsbereich
zwischen dem typischen „Verb“ und dem typischen „Nomen“ bei den
avalenten Verben („es regnet“ gegenüber „Regen“ etc.). Findet der
Übergang vom Nomen zum Verb statt, so handelt es sich, im Sinne von
René Thom, stets um eine „Katastrophe“ - es ändert sich etwas Grund-
legendes: ein Nomen erhält Valenz, es wird zum Relator. Der umge-
kehrte Übergang von Verb zum Nomen verläuft dagegen ohne „Kata-
strophe“, das deverbale Nomen behält ja seine Valenz, d.h. es bleibt
zugleich ein Relator („X untersucht Y“ wird z. B. „die Untersuchung von
Y durch X“)49. Dies ist die Basis der Technik , Abstraktion1 in der Seiler-
sehen Dimension ,Apprehension‘.
Geht man von diesen Überlegungen aus, so dürfte es - wie sich schon in
Kapitel IV.3 abgezeichnet hat - zwei Grundarten der Markierung jener
Relationen geben, die zwischen dem Partizipatum und den Partizipan-
ten bestehen: Markierung durch Relatoren, die „verbal“, und Markie-
48 Vgl. dazu etwa Leal Carretero/Ramirez de la Cruz 1987:229-232 (am Beispiel des
Huichol). - Beim Verfahren der Nominal-Inkorporation geht natürlich Prägnanz und,
in anderem Sinn, Finitheit, verloren: es entsteht die Bezeichnung für eine relativ gene-
relle Tätigkeit. Ist es ein Gürteltier, sind es mehrere, ein bestimmtes, irgendeines etc.?
Man versteht auch an solchen Beispielen, wieso etwa die Art der Objektmarkierung,
wie im Finnischen, zum Ausdruck der Perfektivität oder Imperfektivität verwendet wer-
den kann [Finitheit! aus VI.2],
Vgl. zum „katastrophalen“ Übergang ,Nomen - Verb' auch, allerdings ohne depen-
denzgrammatischen Hintergrund, auch Paul Hopper/Sandra A. Thompson (1984).