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IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN
In Luca lesen wir dises. Und wer da redet ein wort wider des menschen sun, dem soll es
vergeben werden, wer aber lestert den heyligen geyst, dem soll es nit vergeben werden [Lk 12,10].
Auß disem folget aber gar nicht, das darumb alle wissende sünd, nach der an-
nemung Christi, solten unverzeyhlich sein, sonder gerad das widerspyl wurdt hierein
auß getrucket, dann der Herr selb sagt: Alle sünd und lesterung werden verzygen, on die in
heyligen geyst [Mt 12,31]. Das ist wol war, in aller sünd der heyligen lauffet
etwas unwissens oder mer unbetrachtes oder unbesinnets mit. Als da Petrus den
Herren verleugnete217, wust er wol, das er unrecht und wider seine eygene zusag
thette. Aber der schrecken hatt yn, als das weyb yn angesprochen, so gar uber-
fallen, das er in seynem hertzen yetz meer auff die fürgeworffne geferlicheyt sahe,
und wie er deren entrünne, dann auf das er vom Herren Jesu gehöret und erkennet
hat; darauff leugnete er und verschwure den Herren, on zweifel mit schwerem
widersprechen seines gewissens; aber doch so trange die betrachtung der gegen-
wertigen geferlicheyt für und trib ab das betrachten, was der Herr wäre, und er
dem Herren schuldig zethun auch zugesaget hat. | J 4 a |
Dermassen gehts in allen sünden der kinder Gottes, das sie Gottes wort und
warnung ya wol wissen, auch bedencken, aber durch begyrd oder schew der
zeytlichen ding nit dapffer vor augen und hertzen behalten, sonder vergaffen sich
am zeytlichen, lassen die anschawung göttlichs willens etwas hinfallen; damit
thund und lassen sie, das sie wissen unrecht sein, davon wir oben weyter anzey-
gung gethon haben in handlung von der wahl Gottes und freyem willen.
Nun aber, wie wol dem also [ist], das die heyligen Gottes gepott und willen offt
also auß vergaffen am zeytlichen verachten und ubertretten; jedoch kommen sie
dahin nicht, das sie erst auch218 Gottes gesatz und willen in yren hertzen oder mit
mundt wissentlich widersprechen oder lesterten, lassen Gottes gesatz gut und
gerecht sein, bekennen auch sich dem selbigen zu geleben schuldig und uber-
tretten doch. Die aber in todtsunden, setzen sich auch wider den geyst Gottes und
seyn wort, widerfechtens und lesterens, das sie doch, Gottes willen und wort
seyn, erkennen; damit machen sie es auß und stürtzen sich in ewigen todt, laut der
Spruch219 vor eingefürt.
Ist auch billich, dieweyl sie sich wider Gott selb und seinen guten willen wis-
senlich setzen. Der in einer statt schon die guten gesetze ubertritt, mag mit zimli-
cher buß noch geduldet werden. Der aber die gesetze wolte abthun, sich wider die
selbigen und die, so die gesetz gegeben und handthaben sollen, erheben, den kann
man yetz und nit mehr leyden. Also, der Gott und sein wort lasset gut und recht
sein, ob er schon dowider seinem mutwillen nochhenget, mag mit zeytlicher buß
zu gnaden wider kommen. Der aber sich wider Got selb und sein gesetz erheben
und fechten wille, nach dem ers nun erkennet (dann sust were er noch nicht | J 4b |
wider Gott und sein wort, sonder wider das, da für er das wort Gottes hielte, und
die, von wölchen er meynet, das solich wort keme), der selbige mag auch im reich
Gottes keyne statt haben ewigklich.
217. Vgl. Mk 14,66 ff.
218. Jetzt auch noch. 219. Plural.
IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN
In Luca lesen wir dises. Und wer da redet ein wort wider des menschen sun, dem soll es
vergeben werden, wer aber lestert den heyligen geyst, dem soll es nit vergeben werden [Lk 12,10].
Auß disem folget aber gar nicht, das darumb alle wissende sünd, nach der an-
nemung Christi, solten unverzeyhlich sein, sonder gerad das widerspyl wurdt hierein
auß getrucket, dann der Herr selb sagt: Alle sünd und lesterung werden verzygen, on die in
heyligen geyst [Mt 12,31]. Das ist wol war, in aller sünd der heyligen lauffet
etwas unwissens oder mer unbetrachtes oder unbesinnets mit. Als da Petrus den
Herren verleugnete217, wust er wol, das er unrecht und wider seine eygene zusag
thette. Aber der schrecken hatt yn, als das weyb yn angesprochen, so gar uber-
fallen, das er in seynem hertzen yetz meer auff die fürgeworffne geferlicheyt sahe,
und wie er deren entrünne, dann auf das er vom Herren Jesu gehöret und erkennet
hat; darauff leugnete er und verschwure den Herren, on zweifel mit schwerem
widersprechen seines gewissens; aber doch so trange die betrachtung der gegen-
wertigen geferlicheyt für und trib ab das betrachten, was der Herr wäre, und er
dem Herren schuldig zethun auch zugesaget hat. | J 4 a |
Dermassen gehts in allen sünden der kinder Gottes, das sie Gottes wort und
warnung ya wol wissen, auch bedencken, aber durch begyrd oder schew der
zeytlichen ding nit dapffer vor augen und hertzen behalten, sonder vergaffen sich
am zeytlichen, lassen die anschawung göttlichs willens etwas hinfallen; damit
thund und lassen sie, das sie wissen unrecht sein, davon wir oben weyter anzey-
gung gethon haben in handlung von der wahl Gottes und freyem willen.
Nun aber, wie wol dem also [ist], das die heyligen Gottes gepott und willen offt
also auß vergaffen am zeytlichen verachten und ubertretten; jedoch kommen sie
dahin nicht, das sie erst auch218 Gottes gesatz und willen in yren hertzen oder mit
mundt wissentlich widersprechen oder lesterten, lassen Gottes gesatz gut und
gerecht sein, bekennen auch sich dem selbigen zu geleben schuldig und uber-
tretten doch. Die aber in todtsunden, setzen sich auch wider den geyst Gottes und
seyn wort, widerfechtens und lesterens, das sie doch, Gottes willen und wort
seyn, erkennen; damit machen sie es auß und stürtzen sich in ewigen todt, laut der
Spruch219 vor eingefürt.
Ist auch billich, dieweyl sie sich wider Gott selb und seinen guten willen wis-
senlich setzen. Der in einer statt schon die guten gesetze ubertritt, mag mit zimli-
cher buß noch geduldet werden. Der aber die gesetze wolte abthun, sich wider die
selbigen und die, so die gesetz gegeben und handthaben sollen, erheben, den kann
man yetz und nit mehr leyden. Also, der Gott und sein wort lasset gut und recht
sein, ob er schon dowider seinem mutwillen nochhenget, mag mit zeytlicher buß
zu gnaden wider kommen. Der aber sich wider Got selb und sein gesetz erheben
und fechten wille, nach dem ers nun erkennet (dann sust were er noch nicht | J 4b |
wider Gott und sein wort, sonder wider das, da für er das wort Gottes hielte, und
die, von wölchen er meynet, das solich wort keme), der selbige mag auch im reich
Gottes keyne statt haben ewigklich.
217. Vgl. Mk 14,66 ff.
218. Jetzt auch noch. 219. Plural.