Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0138
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
134

IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN

vilen wol thätiger und meer, dann es jetz leyder bey gar vilen erscheinet, die doch
nichts dann das Evangeli im mund haben.
Der grund dises ist vorgesetzt: das Evangeli bringet den glauben, der glaub
machet glider Christi, übet und beweiset sich in der liebe. Nun ist kundtlich, das
man hievor und noch an allen orten, do man sich Christlichs namens offentlich
berümet, auch das Evangeli geprediget hat und noch prediget, wievil man joch85
daneben menschentandt miteingefüret und noch einfüret. Die prob der liebe ist
an wercken erschienen. Der Herr kan je auch wol geben, das seine schäfflein seine
stimm auß dem Evangeli under allem bolderen und donderen86 men |c1b|
schlicher lere erhören, verstehn und annemen könden.
87Auß disem schliessen wir zum andern88, das die, welchen der Herr gegeben,
sein Evangeli etwas lauterer dann vor zu predigen, nicht als zun Heiden kommen,
die noch nichts an Christo haben, sonder zu den gemeinden Christi, die wol von
der lautere Christliches glaubens durch falsche menschenleren abgefüret, aber
noch das immer behalten haben, das wir nur durch den todt Christi sälig werden,
und was man immer guter werck thut, das die nicht dann durch unseren Herren
Christum mügen angenäm und erschießlich89 sein, derhalben man auch die leut
im tod und anderen nöten als90 auff den verdienst Christi gewisen hat. Haltet sich
also mit den dienern des lautern Evangeli eben der meinung wie vorzeiten mit den
Propheten, wenn das volck zu allerley abgöttereien oder falschem vertrawen der
Cerimonien, die sy doch on glaub und liebe übeten, abgefallen ware.
91Auß disem volget nun zum dritten, das wir niemand deren, so unseren Herren
Jesum Christum anrieffen92 und iren heyland bekennen und mit der that nit
leugnen, verwerffen oder als der kirchen Christi nit angehörig meiden sollen, ob
die schon noch an etlichen Ceremonien hangen, die besser gelassen weren. Der
grundt ist gesetzt: wer an Christum glaubet, ist von seinem leib. So kan auch wol
ein warer glaub etwas solichs gedulden und die leut dem Herren soliche Ceremo-
nien und übungen halten93.Wie Paulus Rom. 4 schreibet, das etliche dem Herren
nit allerley speiß assen und underscheid der tag hielten. Freylich, hetten dise
Christo, unserem Herren, gentzlich glaubet, das sy allein durch in das ewig leben
hätten und das er uns das einig gebot der liebe gegeben, alle ander gefreyet, sy
wurden einen tag wie den anderen gehalten und alles rein den reinen erkennet und
mit danckbarkeit genossen haben. Das ware aber |c2a| bey inen nit, noch94
85. Auch immer.
86. Bolderen und donderen: poltern, hohe Reden führen, donnern.
87. Die jetzund das rein Evangeli predigen, handeln noch mit Gottes volck, wie etwan die Propheten.
[Marg.].
88. Zweiten; zweitens.
89. Förderlich.
90. Immer.
91. Wer Christum von hertzen anrufft, mage umb etlicher menschlicher Ceremonien willen nit verworffen
werden. [Marg.].
92. Präsens: anrufen.
93. Toleranz bei B. Vgl. Lang, S. 140-141.
94. Dennoch.

5
10
15
20
25
30
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften