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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0267
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FURBEREYTUNG ZUM CONCILIO

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die Macht des Kaisers an der Spitze eines religiös wieder geeinten Reiches fürchten
mußte. Um freilich Kaiser und Stände zu beschwichtigen und das drohende
deutsche Nationalkonzil zu verhindern, sandte der Papst Ende Februar des Jahres
1533 seinen Nuntius Ugo Rangoni mit einer wenigstens formellen Konzilsan-
kündigung über die Alpen. König Ferdinand und die altgläubigen Stände stimm-
ten zu; die Schmalkaldener aber lehnten auf Grund eines von ihnen eingeholten
Wittenberger Gutachtens am 30. Juni die päpstliche Ankündigung ab, weil sie
nicht das vom Kaiser zugesicherte freie und christliche Konzil versprach: von den
drei in Aussicht genommenen Tagungsorten Mantua, Bologna und Piacenza
lagen zwei im Kirchenstaat8.
In diesen Monaten nach den Reichstagen zu Augsburg und Regensburg und
nach dem Nürnberger Anstand, da nicht allein die Reichsstände beider Konfes-
sionen - wenn auch mit unterschiedlichen Bedingungen - ihre Forderungen be-
kräftigten, sondern auch der Kaiser innerhalb einer festen Frist die Erfüllung der
Wünsche versprochen hatte, schien das so lange ersehnte Konzil unmittelbar
bevorzustehen. Im März des Jahres 1532 veröffentlichte Erasmus von Rotterdam
seine >Precatio ad dominum Jesum pro pace ecclesiae<, in der er die kirchliche und
weltliche Obrigkeit zur Wiederherstellung des Friedens in der Kirche aufrief9.
Im August des folgenden Jahres ließ Erasmus, angeregt durch den Reformkatholi-
ken Julius Pflug10, eine weitere Schrift ausgehen: >De amabili ecclesiae concordia
liber<, in welcher er im Anschluß an den 84. Psalm seine Ansichten über die be-
stehende Kirchenspaltung und die Möglichkeit einer Einigung darlegte11. Die
Bereitschaft zu ihr versuchte der große Humanist in jedem einzelnen zu erwecken,
da jeder bei sich selbst mit der reformatio der Kirche zu beginnen hätte: »Interim
ponatur ambitio et pertinax vincendi studium, facessant favores cum privatis
odiis, consilescat dementis rixae surda vociferatio, ita demum elucescet veritas illa
pacifica.«12 Die Wiederherstellung der kirchlichen Einheit war ihm nur als eine
»Synkatabasis«, eine gegenseitige Annäherung der beiden getrennten Glaubens-
parteien, denkbar, wobei freilich die »Akineta« der Kirchenlehre nicht angetastet
werden sollten13. Dabei betonte Erasmus die in ihrem Alter und in ihrer langen
Tradition begründete Autorität der römischen Kirche, deren Erneuerung deshalb
auch von ihr selbst auszugehen hätte: »Nec quidquam omnino novandum est, nisi
huc aut agat necessitas, aut insignis invitet utilitas.«14 Seine Gedanken fanden
8. Vgl. ebd., S.225-227; WA Br 6, S.480-483. Der Text der Wittenberger Bedenken ebd.,
S.483-488.
9. Vgl.Cl 5, Sp. 1215-1218. - F.W.Kantzenenbach: Das Ringen um die Einheit der Kirche im
Jahrhundert der Reformation, Stuttgart 1957, S.84. Zu den Einigungsbemühungen des Erasmus
und anderer Humanisten überhaupt vgl. R.Stupperich: Der Humanismus und die Wiedervereini-
gung der Konfessionen. SVRG 160. Leipzig 1936.
10. Vgl.J.V.Pollet: Julius Pflug, Correspondance I. Leiden 1969. S. 271-288.
11. Vgl.Cl 5, Sp.469-506; Kantzenbach, Das Ringen, S.84-87; Stupperich, Der Humanismus,
S. 28.
12. CI 5, Sp. 500 A.
13. Vgl. ebd., Sp. 500b.
14. Ebd.
 
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