DECLARATIO ARTICULORUM GERMANICA (1536)
21 I
Der ander artickel.
»Vnd wiewol sie kein Transsubstantiation halten, auch nicht haltenn, das der lib vnd
blut Christi localiter, rümlich, ins brot ingeschlossenn oder sunst bliblich e damit
vereinigt werde vsser der niessung des Sacraments, Doch so lassen sie zü, | 34a | das
5 durch Sacramentliche einigkeyt das brot sye der lib christi, das ist, sie halten, so das
brot dargereicht würt, das als denn zuglich gegenwertig sye vnd waarhafftig darge-
reicht werde der lib christi etc. Denn vsser der niessung, so man das brot by sit legt vnd
behelt im Sacrament hüslin oder inn procession vmbtregt vnd zeiget, wie im Baps-
thumb geschicht, halten sie nicht, das Christus lib f zügegen sye.«
10 Dise wörtlin »waarhafftig vnd wesenlich zugegen« 22 sindt gesetzt, deren falschen
wohn 23 zuuerwerffen, die da sagen, das der herr allein zugegen sige durch inbildung
vnd die gedancken, »imaginatiue et non reuera« 24 , vnd solle auch nit witer gezogen
werden 25 . Aber vff das nit durch das »wesenlich« die schädlichen irrthumb des Bapsts
leerer infielhe 26 , Würt gesetzt, das wir kein Transsubstantiation halten, das ist kein
1; verwechselung 27 der substantz des brots inn den lib christi, wölcher sin solle vnder den
accidentibus vnd züfelligen 28 dingen des brots, die da kein grund haben, vff denen sie
sich lenen 29 , wie qualitas et quantitas von dem selbs wesen vnd substantz vffenthalten 30
werden. Diser Bäpstlichen fantasy dürffen 31 wir nit, dann es ist vnd plibt brot noch
meldung der geschrifft vnd vnseren artickeln.
20 Der lib würt nit rümlichen jns brot geschlossen. Dann er ist ein himmelsch ding vnd
würt in irdische creaturen nit mehr gefasset. Drumb bedarffe man des vergangnen
disputier handels nit mehr, dadurch man hatt wöllen erhalten, das der lib christi nit hie
vnd da sige. Er ist ja im Nachtmaal, aber nit wie korn in ein sack vnd min lib in dem
e) liblich B.
f) fehlt B.
22. Die CA 10 formuliert anders: Von dem Abendmahl des Herren wird also gelehrt, daß
wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftiglich unter der Gestait des Brots und Weins im Abend-
mahl gegenwärtig sei ...; BS, S. 64.
23. Wahn.
24. Wer diese Meinung, die Leugnung schlechthin der Realpräsenz, vertritt, wird hier nicht
näher angegeben. Die Auffassung der Schweizer wird hiervon nicht berührt, wie auch das
Folgende noch bestätigt. Vgl. die Stelle in An die Fratres zu bringen, oben S. 150, Z. 13. Viel-
leicht ist das imaginarie als eine Umschreibung der tropologischer Deutung zu verstehen.
25. Darauf wollen wir nicht weiter eingehen.
26. Zugang flnde.
27. Verwandlung. Erneut geht B. auf die Lehre der Transsubstantiation ein. Diesmal ist seine
Darstellung stark aristotelisch-thomistisch geprägt. Vgl. zum Folgenden etwa Johannes Eck,
Enchiridion, S. 369—375 und Johannes Altenstaig, Joannes Tyti^: Lexicon Theologicum. Hildes-
heim, New York 1974 (Nachdruck der Kölner Ausg. 1619). S. 922^—9242.
28. Die contingentia, die nach aristotelisch-thomistischer Auffassung nicht-notwendigen
Eigenschaften der Dinge. Vgl. Altenstaig, S. 198b—199a.
29. Stützen.
30. Aufrecht erhalten (conservare); Grimm 1, Sp. 637k Nach aristot.—thom. Vorstellung
werden durch das Wunder der transsubstantiatio die accidentia von Brot und Wein weiter nicht
mehr durch die Substanz von Brot und Wein, als deren eigentliches Substrat, getragen.
31. Bedürfen.
21 I
Der ander artickel.
»Vnd wiewol sie kein Transsubstantiation halten, auch nicht haltenn, das der lib vnd
blut Christi localiter, rümlich, ins brot ingeschlossenn oder sunst bliblich e damit
vereinigt werde vsser der niessung des Sacraments, Doch so lassen sie zü, | 34a | das
5 durch Sacramentliche einigkeyt das brot sye der lib christi, das ist, sie halten, so das
brot dargereicht würt, das als denn zuglich gegenwertig sye vnd waarhafftig darge-
reicht werde der lib christi etc. Denn vsser der niessung, so man das brot by sit legt vnd
behelt im Sacrament hüslin oder inn procession vmbtregt vnd zeiget, wie im Baps-
thumb geschicht, halten sie nicht, das Christus lib f zügegen sye.«
10 Dise wörtlin »waarhafftig vnd wesenlich zugegen« 22 sindt gesetzt, deren falschen
wohn 23 zuuerwerffen, die da sagen, das der herr allein zugegen sige durch inbildung
vnd die gedancken, »imaginatiue et non reuera« 24 , vnd solle auch nit witer gezogen
werden 25 . Aber vff das nit durch das »wesenlich« die schädlichen irrthumb des Bapsts
leerer infielhe 26 , Würt gesetzt, das wir kein Transsubstantiation halten, das ist kein
1; verwechselung 27 der substantz des brots inn den lib christi, wölcher sin solle vnder den
accidentibus vnd züfelligen 28 dingen des brots, die da kein grund haben, vff denen sie
sich lenen 29 , wie qualitas et quantitas von dem selbs wesen vnd substantz vffenthalten 30
werden. Diser Bäpstlichen fantasy dürffen 31 wir nit, dann es ist vnd plibt brot noch
meldung der geschrifft vnd vnseren artickeln.
20 Der lib würt nit rümlichen jns brot geschlossen. Dann er ist ein himmelsch ding vnd
würt in irdische creaturen nit mehr gefasset. Drumb bedarffe man des vergangnen
disputier handels nit mehr, dadurch man hatt wöllen erhalten, das der lib christi nit hie
vnd da sige. Er ist ja im Nachtmaal, aber nit wie korn in ein sack vnd min lib in dem
e) liblich B.
f) fehlt B.
22. Die CA 10 formuliert anders: Von dem Abendmahl des Herren wird also gelehrt, daß
wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftiglich unter der Gestait des Brots und Weins im Abend-
mahl gegenwärtig sei ...; BS, S. 64.
23. Wahn.
24. Wer diese Meinung, die Leugnung schlechthin der Realpräsenz, vertritt, wird hier nicht
näher angegeben. Die Auffassung der Schweizer wird hiervon nicht berührt, wie auch das
Folgende noch bestätigt. Vgl. die Stelle in An die Fratres zu bringen, oben S. 150, Z. 13. Viel-
leicht ist das imaginarie als eine Umschreibung der tropologischer Deutung zu verstehen.
25. Darauf wollen wir nicht weiter eingehen.
26. Zugang flnde.
27. Verwandlung. Erneut geht B. auf die Lehre der Transsubstantiation ein. Diesmal ist seine
Darstellung stark aristotelisch-thomistisch geprägt. Vgl. zum Folgenden etwa Johannes Eck,
Enchiridion, S. 369—375 und Johannes Altenstaig, Joannes Tyti^: Lexicon Theologicum. Hildes-
heim, New York 1974 (Nachdruck der Kölner Ausg. 1619). S. 922^—9242.
28. Die contingentia, die nach aristotelisch-thomistischer Auffassung nicht-notwendigen
Eigenschaften der Dinge. Vgl. Altenstaig, S. 198b—199a.
29. Stützen.
30. Aufrecht erhalten (conservare); Grimm 1, Sp. 637k Nach aristot.—thom. Vorstellung
werden durch das Wunder der transsubstantiatio die accidentia von Brot und Wein weiter nicht
mehr durch die Substanz von Brot und Wein, als deren eigentliches Substrat, getragen.
31. Bedürfen.