RETRACTATIONES DEUTSCH (1537)
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ware, dann sie nun lang allein das aussere werck in den opfferen vbeten vnd der geistli-
chen bedeutung nit achteten, Dermassen inen aber der prauch der opffer von den
h. vattern nit angerichtet 180 noch befolhen ware 181 .
Als dann nun der herr vns also an stadt aller todtopffer, so zü vor bei allen menschen
die hochsten vnd heiligsten vbungen in den kirchen vnd gotsversamlungen waren,
einsetzen vnd befelhen wolte ein offentliche vnd gantz herliche gedachtnuß sein selbs
vnd alles des, das er vns worden ist, gethon | 231a | vnd gelitten hat, gibt vnd thün
wille, ia in dem allem furnemlich vns furtragen, zustellen e , geben vnd mehren sein selb
mitteylung vnd gemeinschafft, Da hat er das dermassen vnd gestalt einsetzen vnd
befelhen wollen, wie es den alten heiligen breuchen vnd vbungen gemeß vnd eben 182 ,
vnd vns vff das fuglichest, hertzlichest vnd fruchtbarest sein mochte.
Nun hat vns aber der herr soliche natur geschaffen, das wir in allem furnemen vnd
wichtigen handlen etliche sichtbare vnd befmdtliche warzeichen 183 neben vnd zu den
worten geprauchen. Nemlich wa es züsagen oder vbergeben betriffet deren dingen, die
man nit sehen oder greiffen kan, wie da ist gewalt zuherschen, recht zubesitzen, trew,
glauben vnd der gleichenn. Dann was furtrefflicher kauff thüt man, was furnemer
wurden vnd gewalt vbergibt man on besondere zeichen, damit man die gerechtigkeit 184
des erkaufften güts vnd die wurde vnd gewalt nebet den worten vbergibet vnd empfa-
het? Also vbergibet vnd empfahet man das vnsichtbar recht züm acker mit dem schol-
len 185 , das recht zum hauß mit dem spon 186 , wurde vnd gwalt zuleren mit dem büch 187 ,
Bischofflichen befelch mit dem stab 188 , kunigklichen mit dem scepter 189 , ehliche trew
mit dem ring 190 . Dergleichen brauchet man warzeichen in allen furnemen | 231b |
versprechungen vnd vbergebungen deren dingen, die man nit sehen vnd nit greiffen
e) gestr.: vnd.
180. Eingesetzt.
181. Deshalb haben die Väter des Alten Bundes den Juden den Opferdienst nicht in der Weise
(so stark) vorgeschrieben.
182. Angebracht, richtig; Grimm 3, Sp. 7 — 9.
183. Als Umschreibung von symbolum (Wahrzeichen = Merkmal, Kennzeichen, das ein Wort
in bildlicher Weise erklärt, veranschaulicht und bestätigt, etc.; Grimm 13, Sp. 1016f£). — Vgl.
aber B.s interpretierende Übersetzung, unten Anm. 209.
184. Das Gerechtsein, die (jurist.) Richtigkeit; Grimm 4,1, Sp. 3606h
185. Ackerscholle, großer Erdklumpen. Daher Symbol für Grundbesitz; Grimm 9, Sp. 1453h
Vgl. die Beispiele im Brief von K. H. Hoen; CR Zw 4, S. 512, Z. i2ff., S. 517, Z. 9 f£.; H. Rük-
kert, a.a.O., S. 147, Anm. 8.
186. Span, als Rechtssymbol bei Eigentumsübertragung von Grund und Boden, zunächst nur
für die Gebäude; Grimm 10,1, Sp. 1865.
187. s. unten Anm. 368.
188. Als Zeichen der geistlichen Gewalt, bes. der bischöflichen Gewalt; Grimm 10,21,
Sp. 343.
189. Als Symbol fürstlicher, bes. der Gerichtsgewalt; Grimm 8, Sp. 1941.
190. Der Gebrauch des Ringes bei Verlobung und Trauung beruht auf römisch-christlichem
Einfluß; vgl. Jac. Grimm: Deutsche Rechtsalterthümer, 4. verm. Ausgabe. Bd. 1. bes. durch
A. Hensler und R. Hübner. Nachdruck Leipzig 1922, S. 244-247.
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ware, dann sie nun lang allein das aussere werck in den opfferen vbeten vnd der geistli-
chen bedeutung nit achteten, Dermassen inen aber der prauch der opffer von den
h. vattern nit angerichtet 180 noch befolhen ware 181 .
Als dann nun der herr vns also an stadt aller todtopffer, so zü vor bei allen menschen
die hochsten vnd heiligsten vbungen in den kirchen vnd gotsversamlungen waren,
einsetzen vnd befelhen wolte ein offentliche vnd gantz herliche gedachtnuß sein selbs
vnd alles des, das er vns worden ist, gethon | 231a | vnd gelitten hat, gibt vnd thün
wille, ia in dem allem furnemlich vns furtragen, zustellen e , geben vnd mehren sein selb
mitteylung vnd gemeinschafft, Da hat er das dermassen vnd gestalt einsetzen vnd
befelhen wollen, wie es den alten heiligen breuchen vnd vbungen gemeß vnd eben 182 ,
vnd vns vff das fuglichest, hertzlichest vnd fruchtbarest sein mochte.
Nun hat vns aber der herr soliche natur geschaffen, das wir in allem furnemen vnd
wichtigen handlen etliche sichtbare vnd befmdtliche warzeichen 183 neben vnd zu den
worten geprauchen. Nemlich wa es züsagen oder vbergeben betriffet deren dingen, die
man nit sehen oder greiffen kan, wie da ist gewalt zuherschen, recht zubesitzen, trew,
glauben vnd der gleichenn. Dann was furtrefflicher kauff thüt man, was furnemer
wurden vnd gewalt vbergibt man on besondere zeichen, damit man die gerechtigkeit 184
des erkaufften güts vnd die wurde vnd gewalt nebet den worten vbergibet vnd empfa-
het? Also vbergibet vnd empfahet man das vnsichtbar recht züm acker mit dem schol-
len 185 , das recht zum hauß mit dem spon 186 , wurde vnd gwalt zuleren mit dem büch 187 ,
Bischofflichen befelch mit dem stab 188 , kunigklichen mit dem scepter 189 , ehliche trew
mit dem ring 190 . Dergleichen brauchet man warzeichen in allen furnemen | 231b |
versprechungen vnd vbergebungen deren dingen, die man nit sehen vnd nit greiffen
e) gestr.: vnd.
180. Eingesetzt.
181. Deshalb haben die Väter des Alten Bundes den Juden den Opferdienst nicht in der Weise
(so stark) vorgeschrieben.
182. Angebracht, richtig; Grimm 3, Sp. 7 — 9.
183. Als Umschreibung von symbolum (Wahrzeichen = Merkmal, Kennzeichen, das ein Wort
in bildlicher Weise erklärt, veranschaulicht und bestätigt, etc.; Grimm 13, Sp. 1016f£). — Vgl.
aber B.s interpretierende Übersetzung, unten Anm. 209.
184. Das Gerechtsein, die (jurist.) Richtigkeit; Grimm 4,1, Sp. 3606h
185. Ackerscholle, großer Erdklumpen. Daher Symbol für Grundbesitz; Grimm 9, Sp. 1453h
Vgl. die Beispiele im Brief von K. H. Hoen; CR Zw 4, S. 512, Z. i2ff., S. 517, Z. 9 f£.; H. Rük-
kert, a.a.O., S. 147, Anm. 8.
186. Span, als Rechtssymbol bei Eigentumsübertragung von Grund und Boden, zunächst nur
für die Gebäude; Grimm 10,1, Sp. 1865.
187. s. unten Anm. 368.
188. Als Zeichen der geistlichen Gewalt, bes. der bischöflichen Gewalt; Grimm 10,21,
Sp. 343.
189. Als Symbol fürstlicher, bes. der Gerichtsgewalt; Grimm 8, Sp. 1941.
190. Der Gebrauch des Ringes bei Verlobung und Trauung beruht auf römisch-christlichem
Einfluß; vgl. Jac. Grimm: Deutsche Rechtsalterthümer, 4. verm. Ausgabe. Bd. 1. bes. durch
A. Hensler und R. Hübner. Nachdruck Leipzig 1922, S. 244-247.