RETRACTATIONES DEUTSCH (1537)
347
kan. Also ist vnser natur vnd art, deren vns got selb geschaffen hat vnd die darumb gut
ist vnd im wolgefellet191.
Vnd der halben weil vnser art also ist vnd dem herren auch als sein werck wolgefal-
let, so hat ers auch also mit den seinen alweg verordnet vnd gehalten, das alle offentli-
5 che vnd herrliche vbergeben vnd vertrosten192 seiner gute, auch alles offentliche vnd
herliche begeben193 der heiligen gegen im seine besondere symbola vnd warzeichen
gehabt haben. Also warde der gnaden bund durch die beschneidung angefangen, durch
die opffer warde er gleich als bestätiget194. Mit vfflegen der hend vnd der salbung
warden die hoheren empter, als der priester, kunig vnd propheten, verlauhen vnd
10 vbergeben195. Dann wie vns Got ges.chaffen hat, dem nach furet vnd regieret er vns
auch, vbergibet vnd machet vns seine gaben anmutig vnd herrlich.
Nun ist das hochst vnd grost, das vns got, der herr, gibt vnd thut vnd an dem alles
vnser heil stoht196, das Christus selb, der dan allein alles widerbringet in hymel vnd
erden197, in vns lebe. Dann vnser fleisch vnd blut, das ist vnser gantze natur, ist so gar
15 verderbet, das | 232a | sie das reich gottes, das ist das leben gottes, die ware satte
gerechtigkeit, nit ererben noch fassen noch haben mage. 1 Cor 15 [50]. Derhalben vns
von noten ist, das wir die gemeinschafft haben des leibs vnd bluts christi, das wir christi
glider seyen vnd er vnser haubt198.
Diß wille nun Got von vns wol erkennet vnd begeret haben, vnd das zu diser gena-
20 den zeit so fil gewisser vnd einbrunstiger dan vor diser genaden zeit bey den alten, so fil
er sich vns ietzunden zu diser gnaden zeit auch heller vnd milter199 durch das Euan-
gelion mitteilet, darstellet vnd anbeuttet200. Vnd wie die gemeinschafft vnd das leben
christi in vns, so lang wir hie leben, nimmer gantz vnd volkommen ist (dann er nym-
mer hie in vns alles ist vnd wir in im), also mussen wir ymmer suchen vnd begeren, das
2; christus mehr vnd mehr in vns seie vnd wir in jm. Derhalben ruffet er nun, ladet vnd
locket vns hie zufwie zu allen seinen guteren, beutet vns zu vor an vnd stellet sich vns
dar.
Seitemal dann dise seine gemeinschafft, zu deren er vns also zu vor beruffet201 vnd
anreitzet, sich selb vns also dargibt vnd furstellet, das haupt vnd die gantze sum ist
30 vnsers heils, so hat er dise seine gemeinschafft anbie-| 232 b |tung vnd darstellung sein
f) gestr.: erstlich.
191. B. argumentiert aufgrund dessen, was die Natur lehrt. Er spricht unbefangen vom Licht
der Natur; vgl. Dialogi (1535); BDS 6,2, S. 115, Z. 31 f.
192. Bürgen, Bürgschaft; vgl. Fischer 2, Sp. 1390.
193. Hinwendung, Hingabe; Grimm 1, Sp. 1280—1282.
194. Vgl. iMosi7,ioff.
195. RGG 3, Sp. 52-54 (Handauflegung) und 5, Sp. 1330-1334 (Salbung).
196. Vgl. Apg 4,12.
197. Vgl. Apg 3,21.
198. Vgl. iKorio,i6f.; 12,27 und Eph 4,15.
199. Freigiebiger.
200. Zum Verhältnis vom Alten zum Neuen Testament bei B. vgl. Evangelienkommentar
(1536; Bibl. Nr. 28a), S. 120 und Dialogi; BDS 6,2, S. 129h
201. Vgl. 1 Kor 1,9.
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kan. Also ist vnser natur vnd art, deren vns got selb geschaffen hat vnd die darumb gut
ist vnd im wolgefellet191.
Vnd der halben weil vnser art also ist vnd dem herren auch als sein werck wolgefal-
let, so hat ers auch also mit den seinen alweg verordnet vnd gehalten, das alle offentli-
5 che vnd herrliche vbergeben vnd vertrosten192 seiner gute, auch alles offentliche vnd
herliche begeben193 der heiligen gegen im seine besondere symbola vnd warzeichen
gehabt haben. Also warde der gnaden bund durch die beschneidung angefangen, durch
die opffer warde er gleich als bestätiget194. Mit vfflegen der hend vnd der salbung
warden die hoheren empter, als der priester, kunig vnd propheten, verlauhen vnd
10 vbergeben195. Dann wie vns Got ges.chaffen hat, dem nach furet vnd regieret er vns
auch, vbergibet vnd machet vns seine gaben anmutig vnd herrlich.
Nun ist das hochst vnd grost, das vns got, der herr, gibt vnd thut vnd an dem alles
vnser heil stoht196, das Christus selb, der dan allein alles widerbringet in hymel vnd
erden197, in vns lebe. Dann vnser fleisch vnd blut, das ist vnser gantze natur, ist so gar
15 verderbet, das | 232a | sie das reich gottes, das ist das leben gottes, die ware satte
gerechtigkeit, nit ererben noch fassen noch haben mage. 1 Cor 15 [50]. Derhalben vns
von noten ist, das wir die gemeinschafft haben des leibs vnd bluts christi, das wir christi
glider seyen vnd er vnser haubt198.
Diß wille nun Got von vns wol erkennet vnd begeret haben, vnd das zu diser gena-
20 den zeit so fil gewisser vnd einbrunstiger dan vor diser genaden zeit bey den alten, so fil
er sich vns ietzunden zu diser gnaden zeit auch heller vnd milter199 durch das Euan-
gelion mitteilet, darstellet vnd anbeuttet200. Vnd wie die gemeinschafft vnd das leben
christi in vns, so lang wir hie leben, nimmer gantz vnd volkommen ist (dann er nym-
mer hie in vns alles ist vnd wir in im), also mussen wir ymmer suchen vnd begeren, das
2; christus mehr vnd mehr in vns seie vnd wir in jm. Derhalben ruffet er nun, ladet vnd
locket vns hie zufwie zu allen seinen guteren, beutet vns zu vor an vnd stellet sich vns
dar.
Seitemal dann dise seine gemeinschafft, zu deren er vns also zu vor beruffet201 vnd
anreitzet, sich selb vns also dargibt vnd furstellet, das haupt vnd die gantze sum ist
30 vnsers heils, so hat er dise seine gemeinschafft anbie-| 232 b |tung vnd darstellung sein
f) gestr.: erstlich.
191. B. argumentiert aufgrund dessen, was die Natur lehrt. Er spricht unbefangen vom Licht
der Natur; vgl. Dialogi (1535); BDS 6,2, S. 115, Z. 31 f.
192. Bürgen, Bürgschaft; vgl. Fischer 2, Sp. 1390.
193. Hinwendung, Hingabe; Grimm 1, Sp. 1280—1282.
194. Vgl. iMosi7,ioff.
195. RGG 3, Sp. 52-54 (Handauflegung) und 5, Sp. 1330-1334 (Salbung).
196. Vgl. Apg 4,12.
197. Vgl. Apg 3,21.
198. Vgl. iKorio,i6f.; 12,27 und Eph 4,15.
199. Freigiebiger.
200. Zum Verhältnis vom Alten zum Neuen Testament bei B. vgl. Evangelienkommentar
(1536; Bibl. Nr. 28a), S. 120 und Dialogi; BDS 6,2, S. 129h
201. Vgl. 1 Kor 1,9.