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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0051
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Einleitung

Geistliche zu werben, die auf die vakanten Stellen der entlassenen Geistlichen gesetzt werden sollten146. Im
Gegensatz zu den Mandaten vom Sommer 1548 wurden nun sämtliche Möglichkeiten, evangelische Got-
tesdienste zu feiern, verwehrt. Auch Erhard Schnepf, der seit 1544 Professor für Theologie in Tübingen war,
musste das Herzogtum verlassen. 1549 wurde er an die Hohe Schule in Jena berufen, wo er als Visitator der
ernestinischen Lande bis zu seinem Tode 1558 blieb147.

19. Mandat zur Wiederanstellung evangelischer Prediger 15. April 1549 (Text S. 168)
Herzog Ulrich war gegen seine persönliche Auffassung gezwungen, das Interim in seinem Land einzuführen.
Nach anfänglich passivem Widerstreben leistete er, je länger das Interim ohne letztendliche Klärung der
Glaubensfragen dauerte, aktive Gegenwehr, indem er zahlreiche evangelische Pfarrer als Prädikanten oder
Katechisten wieder anstellte. Herzog Ulrich berief sich hierbei einerseits auf die Bitten zahlreicher Gemein-
den, für die anstehende Karwoche und das Osterfest ihren früheren evangelischen Geistlichen zu gestatten,
das Sakrament in beiderlei Gestalt zu reichen, andererseits auf die kaiserliche Zusage, dass das Interim
weder die Tätigkeit der Prediger noch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausdrücklich verbiete.
Ein halbes Jahr später, am 15. September 1549, erließ Herzog Ulrich erneut ein Mandat zur Wiederan-
stellung entlassener evangelischer Pfarrer als Katechisten148. Das Schreiben bezog sich auf eine Eingabe der
Amtleute, die dem Herzog eine Liste mit tauglichen Katechisten zugesandt hatten. Auch mit diesem Man-
dat unterlief Herzog Ulrich das kaiserliche Interim und leistete der Reformation im Land weiter Vorschub.
Durch diese Wiederanstellung der evangelischen Geistlichen als Katechisten und Prediger kam es in Würt-
temberg zur Zeit des Interims in zahlreichen Orten zu einem Nebeneinander von katholischer Messe und
evangelischem Gottesdienst.

20. Kirchenratsmandat 16. November 1548 (Text S. 169)
Herzog Ulrich war nicht nur bestrebt, den evangelischen Kultus während des Interims zu bewahren, son-
dern versuchte auch, die organisatorische Struktur der evangelischen Kirche in Württemberg weiter zu
festigen. Am 16. November 1548 wurde der Hofkanzler Johann Feßler149 aufgefordert, zusammen mit wei-
teren Beamten und Theologen einen Rat für die kirchlichen Belange zu bilden, dem er selbst sowie der
Marbacher Obervogt Hans Dietrich von Plieningen150 als Direktoren vorstehen sollten. Dem Schreiben ist
eine Liste der Mitglieder beigegeben, die einschließlich der beiden Direktoren neun Beamte und Theologen
umfasst: zwei vom Adel, zwei gelehrte Räte, zwei Theologen, zwei bürgerliche Räte sowie ein Sekretär151.
Mit dieser personalen Zusammensetzung griff das Mandat auf die Struktur des Kirchenrats zurück, wie sie
1547 in der Synodalordnung festgelegt worden war, verdoppelte jedoch die Anzahl der Adeligen, Theologen,
gelehrten und bürgerlichen Räte von jeweils einem auf zwei. Mit dieser personellen Zusammensetzung
wollte der Herzog die evangelische Struktur der württembergischen Kirchenverwaltung beibehalten und die
kirchliche Organisation auch während des Interims weiter ausbauen und festigen152.

146 HStA Stuttgart A 63 Bü 7; vgl. Bossert, Interim,
S. 67f.
147 Hartmann, Schnepf, S. 66ff.
148 HStA Stuttgart A 63 Bü 7; vgl. Reformation in Würt-
temberg, S. 255f.
149 Zu Johann Feßler siehe Bernhardt, Zentralbehörden,
S. 291ff.; Pfeilsticker, Dienerbuch I, § 1105.

150 Zu Hans Dietrich von Plieningen siehe Bernhardt,
Zentralbehörden, S. 539f.; Pfeilsticker, Diener-
buch I, §§ 2531, 2574, 2804.
151 Vgl. Reformation in Württemberg, S. 249; Ehmer, Van-
nius, S. 108; Bossert, Interim, S. 66f.
152 Ehmer, Vannius, S. 110.

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