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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0659
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Einleitung

Haslach im Kinzigtal, der Kern der späteren Herrschaft Kinzigtal, kam 1218, beim Aussterben der Zäh-
ringer, zum Hause Fürstenberg, das diesen Besitz im Laufe des späten Mittelalters um Hausach, Wolfach
und das Prechtal erweitern konnte. Bedingt durch die geographische Lage fernab der fürstenbergischen
Hauptbesitzungen, hatte das Kinzigtal innerhalb der fürstenbergischen Landschaften schon von Anfang an
eine gewisse Sonderstellung inne, die sich im 16. Jahrhundert zu einem ungewöhnlich großen Handlungs-
spielraum der Landschaft gegenüber den Landesherren verfestigt hatte.1
Die gesamten Besitzungen des Hauses Fürstenberg wurden 1509, beim Tode des Grafen Wolfgang, unter
seinen Söhnen geteilt: Das Kinzigtal und die unmittelbar benachbarte Reichspfandschaft Ortenau, letztere
seit 1504 im Besitz der Fürstenberger, fielen an Wilhelm (1491-1549), die östlichen Landesteile an seinen
Bruder Friedrich. In der Ortenau2 gab es, wahrscheinlich von Straßburg ausgehend, schon seit den 1520er
Jahren eine evangelische Bewegung, und auch Wilhelm wandte sich ebenfalls in den 1520er Jahren der
evangelischen Sache zu; so wird schon 1525 von ersten evangelischen Predigern in der Region berichtet.3
Wilhelm von Fürstenberg war beim Marburger Religionsgespräch anwesend.
Wilhelm diente als Heerführer verschiedenen Fürsten4 und war deshalb häufig außer Landes. 1540, nach
dem Tode der Mutter der beiden Grafen, und nachdem Wilhelm 1539 von einem längeren Frankreichfeld-
zug zurückgekehrt war, konnte er sich erstmals seit langem ernsthaft den Angelegenheiten in seiner Herr-
schaft widmen.5 Evangelische Pfarrer wurden nun planmäßig eingestellt, die katholischen entlassen.
Dennoch fehlte es an einer lehr- und verfassungsmäßigen Festschreibung der Reformation, wie beides in
anderen evangelischen Territorien schon seit den späten 1520er Jahren geschehen war.6 Die Pfarrer des
Kinzigtals trafen sich deshalb am 31. Mai 1542 aus eigener Initiative7 zu einem Pfarrkapitel, auf dem sie
ihre Forderungen nach einer endgültigen Absicherung der Reformation in den 7 Artikeln verfassten und an
den Grafen Wilhelm weiterleiteten.

1. Sieben Artikel 31. Mai 1542 (Text S. 644)
An erster Stelle wird darin die Durchführung einer Visitation und die Erarbeitung einer Kirchenordnung
angemahnt. Ob und wann es zu einer ersten Visitation in diesem Sinne gekommen ist, ist nicht überliefert,
allerdings spricht der Erlass des Visitationsmandates 1546 dafür, dass dies erst zu diesem späteren Zeit-
punkt geschah.

1 Vgl. Asch, Verwaltung, S. 5, 206f.
2 Vor allem in den vier reichsunmittelbaren Territorien,
den drei Reichsstädten Gengenbach, Offenburg, Zell und
dem Reichstal Harmersbach. Als kaiserlicher Landvogt
spielte Wilhelm von Fürstenberg auch in der Reforma-
tionsgeschichte dieser Reichsstädte eine Rolle, vgl.
Baumgarten, Der wilde Graf, S. 11f.
3 Vgl. Kähni, Reformation und Gegenreformation, S. 29.
4 U.a. in kaiserlichen, württembergischen und französi-
schen Diensten, vgl. Baumgarten, Der wilde Graf,
S. 18.

5 Vgl. Asch, Verwaltung, S. 23 Anm. 70.
6 Wegen der engen Verbindung des Kinzigtales mit Straß-
burg wäre besonders an die erste Straßburger Kirchen-
ordnung von 1534 zu denken, der seit 1524 schon etliche
kirchenordnende Mandate vorausgegangen waren.
7 Asch, Verwaltung, S. 24f. legt nahe, auch den Einfluss
der beiden evangelischen Amtmänner Mathäus Musler
(siehe Seite 643 Fußnote 16) und Jost Münch von
Rosenberg (siehe Seite 643 Fußnote 12), zu bedenken.

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