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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0066
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Württemberg

Bis Ende des Jahres scheint sich in dieser Sache jedoch nichts getan zu haben, so dass sich der Herzog
am 6. Dezember 1555 gezwungen sah, ein neues Mandat zu erlassen. Gegenüber den bis dahin eher vage
formulierten Anweisungen ist dieser Befehl deutlich: Es sollten sämtliche Kirchen, in denen nicht gepredigt
und bei denen keine Beerdigungen stattfanden, umgehend abgebrochen werden. Dieses Mandat scheint
Wirkung gezeigt zu haben, wie aus dem Verzeichnis über den Abriss der Kirchen hervorgeht, das der
geistliche Verwalter Wendel Lauinger271 aus Vaihingen am 10. Januar 1556 anlegte272.
Infolge des Uracher Bildergesprächs von 1537 hatte Herzog Ulrich mehrere Mandate gegen die altgläubige
Kirchenausstattung erlassen273. Durch das Interim war jedoch die Frage der Bildwerke in den Predigtkir-
chen wieder aktuell geworden, und noch 1555 war das Problem virulent. Am 6. Dezember 1555 ging Herzog
Christoph daher nicht nur gegen die Feldkirchen vor, sondern verfasste auch eigenhändig ein Konzept,
worin er die Abschaffung überflüssiger Altäre, ferner von Prozessionsfahnen, Monstranzen, Sakraments-
häuschen, Weihwassersteinen sowie altgläubigen Bildwerken forderte. Die Ausfertigung dieses Schriftstücks
sandte er an seinen Kanzler Johann Feßler274.
In Nehren bei Tübingen war es bereits ein Jahr zuvor zu einem Bilderverbot für die dortige Wallfahrts-
kapelle gekommen. Mit Mandat vom 17. August 1554 war Herzog Christoph gegen ein Bild des heiligen
Veit vorgegangen, zu dem Wallfahrten unternommen worden waren275. Laut einem Verzeichnis der Wall-
fahrtsorte, das um 1559 angelegt wurde, fand am Veitstag (15. Juni) bei diesem Bild auch der Veits-Tanz
statt276. Entscheidend für die Abschaffung derartiger Bilder war also auch, dass die altgläubigen Praktiken
öffentlich vollzogen wurden.

36. Klosterordnung 9. Januar/3. Februar 1556
Während des Interims waren sämtliche Klöster restituiert worden. Ebenso wie sein Vater war auch Herzog
Christoph nach Beendigung des Interims bestrebt, die Klöster aufzuheben oder sie zumindest zu evange-
lischen Institutionen umzuformen. Auf Gewaltanwendung zur Durchsetzung dieser Vorhaben wurde jedoch
verzichtet, Vertreibungen wie unter Herzog Ulrich fanden nicht statt. Auch das Klostervermögen wurde
nicht mehr zum herzoglichen Kammergut geschlagen, sondern blieb als Verwaltungseinheit für jedes Klo-
ster bestehen.
Seit 1552 hatte Christoph frei werdende Prälatenstellen mit evangelischen Äbten besetzt und bis Ende
1555 standen fünf von 14 Männerklöstern unter evangelischer Leitung277. Eine durchgreifende Klosterre-
form konnte der Herzog jedoch erst nach Abschluss des Augsburger Religionsfriedens 1555 vornehmen, der
dem Landesherrn jegliche Freiheit hinsichtlich der Klöster gab.
Herzog Christoph war bemüht, die äußeren Formen des altgläubigen Klosterwesens zu erhalten, das
Klosterleben selber jedoch nach protestantischen Vorstellungen zu gestalten278. Die Ausarbeitung der Klo-

271 Zu Wendel Lauinger siehe Pfeilsticker, Diener-
buch II, § 2996.
272 Schahl, Feldkirchen, S. 28-34.
273 Siehe Nr. 13, 14.
274 Ernst, Briefwechsel III, Nr. 201 S. 366. Vgl. Schahl,
Feldkirchen, S. 38; Ehmer, Bildergespräch, S. 88
Anm. 60. Einen ähnlichen Befehl richtete Herzog Chri-
stoph am 11. September 1565 an die Visitationsräte.
Hierin ordnet er an, den Altar in der Klosterkirche in
Blaubeuren zu entfernen, HStA Stuttgart A 478 Bü 10.
Vgl. dazu Ehmer, Bildergespräch, S. 89f.
275 HStA Stuttgart A 63 Bü 15.

276 HStA Stuttgart A 3 Bü 23: Was für fürnehme Walfarten
vor Jarn im Fürstenthumb Würtemberg gewesen, und auch
an selbige Ort Capellenn gebawet wordenn. Vgl. Reforma-
tion in Württemberg, S. 12; Rückert, Alte Christen-
Neue Christen, S. 73; Schahl, Feldkirchen, S. 37f. Vgl.
HWDA 8, Sp. 1540-1544.
277 Die ersten mit evangelischen Prälaten besetzten Män-
nerklöster waren Murrhardt, Denkendorf, Königsbronn,
Herbrechtingen und Herrenalb. Vgl. Lang, Kloster-
schulen, S. 47-50; Eberl, Klosterschule, S. 21;
Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 325f.;
Ernst, Briefwechsel III, Nr. 196 S. 363f.

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