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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0114
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Württemberg

Daß erst Capitel:
Durch welliche weg ein gemeiner kast auffgericht mag werden unnd was darein gefallen soll.

Erstlich, von bestendigem und gewissem einkom-
men soll zusamen geschlagen unnd in ein Kasten
eingezogen werden alles, was bißanher auff messen,
vigilien, ewigen liecht, wachs und öl gewendt ist
worden.
Item, was von pfründt gütter von der herr-
schafft stett unnd dörffer, dem gemeinen allmusen
zugut, zu wegen gebracht mag werden.
Item, was der heilig1, die Fabrick2, Presentz3,
Salve4, | Aiiia | Spenn5, bruder- und pflegschafft unnd
dergleichen fallen haben.
In summa, was man über der kirchen- unnd
schulen diener besoldung, auch des kirchenbaws er-
haltung erüberigen mag, soll alles den armen zusteur
kummen.
Zum andern, von ungewissen zufelligen einkummen
soll man Erstlich auff yedes Fest unnd sontag in der
kirchen nach der predig mit den säcklen das
almusen sammelen.
Es soll auch vor yeglicher kirchthür ein erbarer
mann mit einer tafel oder schüssel, das allmusen
zuempfahen, steen und warten.
Item, es sollen etlich verordnet werden, die auff
Sontag und Mitwochen durch alle gassen gan, das
allmusen zuempfahen unnd zusammeln, deren yeg-
licher tragen soll in der hand ein beschloßne büchs,
das gelt darein zuempfahen, und auff dem rugken
ein korb oder butten6, das brot oder anders darein
zusamlen, und mit der andern hand ein glocken oder
schellen, damit menigklich vermandt sey, das al-
musen zureichen, unnd was die also sammelen an
gelt, brot oder anderm, das alles sollen sie von stund
an den geordneten pflegern zu underhaltung des ob-
gemelten almusens überantwurten.

d LandesO Württemberg 1536: die.
1 Heiliger, dem die Kirche geweiht ist.
2 Kirchenfabrik, d.h. Sondervermögen für die Baulast am
Kirchengebäude.
3 Präsenzgelder bei der Messe.
4 Salve Regina, marianische Antiphon. Die Salve-Andacht
war im 16. Jahrhundert eine beliebte Volksandacht.

Und damit nit allein derd Burger oder einwoner,
sonder auch der frembd gast sein hilff unnd handt-
reichung zu underhaltung sollichs almusens thun
möge, So soll in oder vor der kirchen ein stock auf-
gericht unnd gesetzt | Aiiib | werden mit angehengter
tafel, deren gemäld zur handtreichung ein yeglichen
vermanen mög, Auch in ein yeglich würtshaus ein
verschloßne büchs, bey der wand des obern tisch an-
gehengt7, darzu ein bedeuttung zu reichung des hei-
ligen almusens gemaldt, und den würten sonderlich
bevolhen werden, ire gest zu steur unnd handtrei-
chung getrewlich vermanen. Dieselbige stöck und
büchsen sollen die geordneten alle Sampstag gegen
abent auffthun und das gelt den pflegern überant-
wurten und die wider beschliessen.
Item, wa die pfleger frembde, erbare leut vorhanden
merckten, mag man zu ihnen den sämler auch in die
herberg mit der büchsen schicken.
Item, im herbst soll man für die armen wein
samlen und in der ernd frucht, zu seinen zeiten ops
und anders, alles dem almusen zugut.
Item, auff den hochzeiten in der kirchen, wann
man die Ee gemacht hatt, sollen die hochzeytleut,
wie sie vor zeytten auff den altar geopffert, yetz-
undt den armen etwas zusteurn vermant, und das-
selbig von einem Diacon empfahen oder in ein stock
gesteckt werden.
Item, es sollen auch die Pfarrer unnd Diacon die
krancken und sterbenden, so sollichs wol vermögen
und nit sonderlich leibs oder angeborn arm erben
haben, zu eim Testament und milter handtreichung
in der armen kasten mit höchstem fleis vermanen.
| Aiiiia |

5 Almosen, Spende.
6 Bütte.
7 Eine Spendenbüchse im Gasthaus ist auch aus Lindau
am Bodensee sowie in der Kurpfalz bekannt, siehe Seh-
ling, EKO XII, S. 202; XIV, S. 470. Vgl. Deetjen,
Studien, S. 309 Anm. 88.

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