Baden
3. Die Reformation in Baden-Pforzheim (Durlach)
Markgraf Ernst zeigte wie seine Brüder in religiösen Dingen keinen besonderen Eifer, hatte aber evange-
lische Räte am Hofe und ließ zu, dass sich im Lande evangelische Prediger aufhielten und sein Sohn Karl
evangelisch erzogen wurde.64 In seiner Regierungszeit wurde nur ein für unsere Ausgabe relevantes Mandat
erlassen:
4. Kirchenzuchtmandat 1548 (Text S. 517)
Darin blieb er der vorsichtig lavierenden Haltung treu, die schon sein Bruder verfolgt hatte; so wurde z.B.
noch einmal ausdrücklich auf die Einhaltung der gebotenen Fastentage der alt herkomen Christlich ordenung
gedrungen.
1553 trat Karl II. die Herrschaft an, scheute aber wie sein Onkel und sein Vater zunächst noch vor mög-
lichen Konsequenzen einer Reformation zurück, die durch die starke Stellung des Hauses Habsburg in
Vorderösterreich möglich schienen,65 wobei allerdings die reformatorische Gesinnung des badischen Hofes
ein offenes Geheimnis war: 1554 predigte der Basler Antistes Simon Sulzer,66 der später noch eine wichtige
Stellung in der badischen Landeskirche einnehmen sollte, am badischen Hof in Sulzburg und feierte das
Abendmahl nach Basler Ritus.67
Erst mit dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens fühlten Karl und sein neuer Kanzler Martin
Achtsynit gen. Amelius68 sich sicher genug, das Land auch offiziell dem reformatorischen Lager zuzuführen.
Gemeinsam mit der Kurpfalz wurde dabei die württembergische Kirchenordnung von 1553 zur Grundlage
des Reformwerkes. Für wenige Jahre schien damit ein großer einheitlicher südwestdeutscher evangelischer
Kirchen-„verbund“ in greifbarer Nähe, zumal auch in Pfalz-Zweibrücken in diesen Jahren über die Ein-
führung der württembergischen Kirchenordnung nachgedacht wurde.69
5. Kirchenordnung 1556 (Vorrede S. 519; Text im Teil Württemberg Nr. 29)
Markgraf Karl hatte Herzog Christoph von Württemberg,70 Kurfürst Ottheinrich und die sächsischen
Herzöge um die Entsendung geeigneter Theologen gebeten, die bei der Abfassung der Kirchenordnung
behiiflich sein sollten.71 Da die prinzipielle Übernahme der württembergischen Ordnung aus den genannten
64 Vgl. Bartmann, Die badische Kirchenpolitik, S. 40.
65 So gelang es Baden erst 1741, den jahrhundertelangen
Rechtsstreit bezüglich einer angeblichen Lehenshoheit
Österreichs über die oberbadischen Herrschaften Röt-
teln, Badenweiler und Sausenberg mit einem Vergleich
zu beenden, vgl. Elble, Einführung, S. 102.
66 Simon Sulzer, geb. 1508 Meiringen (Bern), Studium
Bern, Luzern, Straßburg, Basel, 1533 Pfarrer Bern, 1536
Besuch in Wittenberg, 1548 Prediger Basel, 1552 Profes-
sor, 1553 Antistes (Oberpfarrer), 1556-1574 nebenamt-
licher Superintendent für das badische Oberland, gest.
1585 Basel.
67 Vgl. Zier, Markgraf Karl II., S. 143; Linder, Sulzer,
S. 63.
68 Martin Achtsynit gen. Amelius, geb. 1526 Freiburg,
stud. 1549 Freiburg, 1553 prom. Dr.iur. und Erhebung
in den Adelsstand (von Niefernburg), 1554 baden-dur-
lachischer Kanzler (bis 1584), gest. 1592, Grabmal in der
Pforzheimer Stiftskirche.
69 Was aber letztlich doch nicht geschah. Nach massiven
Einwänden der zweibrückischen Pfarrer und Hoftheolo-
gen gegen eine einfache Übernahme der württembergi-
schen Kirchenordnung wurde eine eigene Kirchenord-
nung herausgegeben, die als Vorlage die Melanchthon-
sche mecklenburgische Kirchenordnung von 1552
benutzte (vgl. Sehling, EKO V); aber im Vorwort des
Nachdruckes von 1560 wird auch dort ausdrücklich auf
die Gemeinsamkeiten mit den Nachbarterritorien hin-
gewiesen. Vgl. Koch, Vorgeschichte, S. 75f.
70 Der in den vorausgegangenen Jahren als unermüdlicher
Mahner für die reformatorische Sache auch in Baden
geworben hatte, vgl. Zier, Markgraf Karl II., S. 142f.
71 Vgl. Zier, Markgraf Karl II., S. 146.
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3. Die Reformation in Baden-Pforzheim (Durlach)
Markgraf Ernst zeigte wie seine Brüder in religiösen Dingen keinen besonderen Eifer, hatte aber evange-
lische Räte am Hofe und ließ zu, dass sich im Lande evangelische Prediger aufhielten und sein Sohn Karl
evangelisch erzogen wurde.64 In seiner Regierungszeit wurde nur ein für unsere Ausgabe relevantes Mandat
erlassen:
4. Kirchenzuchtmandat 1548 (Text S. 517)
Darin blieb er der vorsichtig lavierenden Haltung treu, die schon sein Bruder verfolgt hatte; so wurde z.B.
noch einmal ausdrücklich auf die Einhaltung der gebotenen Fastentage der alt herkomen Christlich ordenung
gedrungen.
1553 trat Karl II. die Herrschaft an, scheute aber wie sein Onkel und sein Vater zunächst noch vor mög-
lichen Konsequenzen einer Reformation zurück, die durch die starke Stellung des Hauses Habsburg in
Vorderösterreich möglich schienen,65 wobei allerdings die reformatorische Gesinnung des badischen Hofes
ein offenes Geheimnis war: 1554 predigte der Basler Antistes Simon Sulzer,66 der später noch eine wichtige
Stellung in der badischen Landeskirche einnehmen sollte, am badischen Hof in Sulzburg und feierte das
Abendmahl nach Basler Ritus.67
Erst mit dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens fühlten Karl und sein neuer Kanzler Martin
Achtsynit gen. Amelius68 sich sicher genug, das Land auch offiziell dem reformatorischen Lager zuzuführen.
Gemeinsam mit der Kurpfalz wurde dabei die württembergische Kirchenordnung von 1553 zur Grundlage
des Reformwerkes. Für wenige Jahre schien damit ein großer einheitlicher südwestdeutscher evangelischer
Kirchen-„verbund“ in greifbarer Nähe, zumal auch in Pfalz-Zweibrücken in diesen Jahren über die Ein-
führung der württembergischen Kirchenordnung nachgedacht wurde.69
5. Kirchenordnung 1556 (Vorrede S. 519; Text im Teil Württemberg Nr. 29)
Markgraf Karl hatte Herzog Christoph von Württemberg,70 Kurfürst Ottheinrich und die sächsischen
Herzöge um die Entsendung geeigneter Theologen gebeten, die bei der Abfassung der Kirchenordnung
behiiflich sein sollten.71 Da die prinzipielle Übernahme der württembergischen Ordnung aus den genannten
64 Vgl. Bartmann, Die badische Kirchenpolitik, S. 40.
65 So gelang es Baden erst 1741, den jahrhundertelangen
Rechtsstreit bezüglich einer angeblichen Lehenshoheit
Österreichs über die oberbadischen Herrschaften Röt-
teln, Badenweiler und Sausenberg mit einem Vergleich
zu beenden, vgl. Elble, Einführung, S. 102.
66 Simon Sulzer, geb. 1508 Meiringen (Bern), Studium
Bern, Luzern, Straßburg, Basel, 1533 Pfarrer Bern, 1536
Besuch in Wittenberg, 1548 Prediger Basel, 1552 Profes-
sor, 1553 Antistes (Oberpfarrer), 1556-1574 nebenamt-
licher Superintendent für das badische Oberland, gest.
1585 Basel.
67 Vgl. Zier, Markgraf Karl II., S. 143; Linder, Sulzer,
S. 63.
68 Martin Achtsynit gen. Amelius, geb. 1526 Freiburg,
stud. 1549 Freiburg, 1553 prom. Dr.iur. und Erhebung
in den Adelsstand (von Niefernburg), 1554 baden-dur-
lachischer Kanzler (bis 1584), gest. 1592, Grabmal in der
Pforzheimer Stiftskirche.
69 Was aber letztlich doch nicht geschah. Nach massiven
Einwänden der zweibrückischen Pfarrer und Hoftheolo-
gen gegen eine einfache Übernahme der württembergi-
schen Kirchenordnung wurde eine eigene Kirchenord-
nung herausgegeben, die als Vorlage die Melanchthon-
sche mecklenburgische Kirchenordnung von 1552
benutzte (vgl. Sehling, EKO V); aber im Vorwort des
Nachdruckes von 1560 wird auch dort ausdrücklich auf
die Gemeinsamkeiten mit den Nachbarterritorien hin-
gewiesen. Vgl. Koch, Vorgeschichte, S. 75f.
70 Der in den vorausgegangenen Jahren als unermüdlicher
Mahner für die reformatorische Sache auch in Baden
geworben hatte, vgl. Zier, Markgraf Karl II., S. 142f.
71 Vgl. Zier, Markgraf Karl II., S. 146.
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