Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]; Bergholz, Thomas [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0507
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung

Kirchen85 mit, denn im GLA Karlsruhe findet sich eine Abschrift dieses württembergischen Konzeptes, die
durch zahlreiche Streichungen und Marginalien zu einer badischen Ordnung umgearbeitet wurde.86

6. Visitationsordnung 1556 (Text S. 522)
Noch im Juni 1556 wurde mit der Visitation des Unterlandes begonnen, wozu neben Sechel auch die vier
Mitverfasser der Kirchenordnung ans Werk gingen.87
Die Visitation des Oberlandes sollte im November 1556 beginnen. Da die vier Theologen schon abgereist
waren, erbat sich Karl wiederum Hilfe aus Württemberg, die er in Gestalt des Superintendenten Jakob
Heerbrand88 und erneut Andreä erhielt. Offensichtlich wurde zu diesem Zweck nun eine Reinschrift der
Ordnung erstellt, die sich, mit den Unterschriften Sechels und Heerbrands, im Kirchenarchiv der UB Basel
erhalten hat.89
Obwohl also auch diese badische Ordnung in weiten Teilen auf eine württembergische Vorlage zurück-
geht, haben wir uns in diesem Fall für einen gesonderten Abdruck entschieden, denn das württembergische
Konzept der Ordnung von 1553 wurde erst nach der Einarbeitung eines zweiten Konzeptes, dass nicht in die
badische Ordnung eingeflossen ist, zusammen mit der großen Kirchenordnung 1559 veröffentlicht. Die
badische Ordnung erreichte also schon drei Jahre vor der württembergischen einen endgültigen Status.90
Außerdem sind die Ergänzungen, Streichungen und Umstellungen, die in Baden am württembergischen
Konzept vorgenommen wurden, wesentlich umfangreicher als etwa die Veränderungen bei der Übernahme
der Kirchenordnung.
Neben der unmittelbaren Frage nach Ablauf und Inhalt der Visitationen ist diese Ordnung deshalb für
den Aufbau der frühen badischen Landeskirche von Interesse, weil sie auch die Ämter der Spezial- und
Generalsuperintendenten sowie die Kompetenzen der fürstlichen Kanzlei umschreibt. Einen von der welt-
lichen Regierung getrennt agierenden Kirchenrat als oberstes, direkt dem Fürsten unterstelltes Gremium
wie in Württemberg gab es in Baden keinesfalls vor 1629.91 Die Superintendenten- und Visitationsordnung
sieht lediglich vor, dass innerhalb der Kanzlei einer der Räte als Kirchenrat fungiert und die Dienstaufsicht

85 Die endgültige Fassung von 1559 ist im Teil Württem-
berg unter Nr. 42d abgedruckt.
86 Diese Umarbeitungen sind nicht überall konsequent und
korrekt durchgeführt, manches blieb unverbessert, und
damit auf badische Verhältnisse unzutreffend, auch ein-
fach stehen: So schwankt der Text bei der Nennung des
bzw. der Generalsuperintendenten öfter zwischen Sin-
gular (Baden) und Plural (Württemberg); auch der Ver-
weis auf die Schulordnung dürfte für Baden fehlerhaft
sein, weil eine landesweit gültige Schulordnung für
Baden erst 1715 erlassen wurde; vgl. Brunner, Badi-
sche Schulordnungen, S. XLIf.; LIII, LX.
87 Vgl. Fehr, Staat und Kirche, S. 15.
88 Jakob Heerbrand, geb. 1521 Giengen a.d.B., 1538 stud.
Wittenberg, 1543 Diakon in Tübingen, 1551 Superinten-
dent Herrenberg, prom. Dr.theol., 1557 Prof. der Theo-
logie in Tübingen, 1561 zugleich Superintendent dort,
1590 zudem Kanzler der Univerität, Propst und hzgl.
Rat, gest. 1600 in Tübingen.
89 Was daher erklärbar ist, dass nach 1556 das Amt des
oberbadischen Generalsuperintendenten vom Basler
Antistes Simon Sulzer quasi nebenamtlich versehen
wurde; Sulzer legte das Amt 1574 nieder, erst danach

übernahm der Röttelner Superintendent diese Funktion;
vgl. Fehr, Staat und Kirche, S. 26.
90 Fehr, Staat und Kirche, S. 18, der nur das o.g. Konzept
der Visitationsordnung aus dem GLA Karlsruhe kannte,
ging noch davon aus, dass diese Ordnung überhaupt kei-
nen rechtsverbindlichen Zustand erreichte.
91 Vgl. Fehr, Staat und Kirche, S. 19f. Eine erste Kirchen-
ratsordnung ist aus dem Jahr 1629 erhalten (GLA Karls-
ruhe 74/1494) sowie in einer Abschrift von 1770 (GLA
Karlsruhe 74/1493); darin wird aber nicht, wie Fehr
behauptet, auf eine ältere badische Ordnung verwiesen,
sondern lediglich auf den Passauer Vertrag, den Augs-
burger Religionsfrieden und auf den Herzbergischen
Abschied von J. Andreä, M. Chemnitz, C. Corner, A.
Musculus und N. Selnecker (abgedruckt in der Concor-
dia Concors von L. Hutter, 1614), in dem allgemein die
Errichtung eines Kirchenratskollegiums gegenüber der
Bestellung einzeln agierender Kirchenräte vorgezogen
wird. Ob ein solcher Kirchenrat 1629 wirklich installiert
wurde, bleibt aber mehr als fraglich: anscheinend ist das
Projekt 1629 nicht weiterverfolgt und erst 1770 anläss-
lich der sich anbahnenden Vereinigung mit Baden-Baden
wieder aufgenommen worden (GLA Karslruhe 74/1495).

489
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften