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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0513
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Einleitung

Ähnlich reagierte er auch gegen das vom Staatsbankrott bedrohte Baden-Baden: Dem Vetter und Nach-
folger Philipps II., Eduard Fortunatus, gelang es nicht, die ausufernde Schuldenlast Baden-Badens unter
Kontrolle zu bringen.129 Da nach den Verträgen von 1515 und 1537 die beiden Landesteile füreinander
einzustehen hatten und der drohende Staatsbankrott Baden-Badens somit auch Baden-Durlach in Mitlei-
denschaft gezogen hätte, ließ Ernst Friedrich von Baden-Durlach 1594 Baden-Baden besetzen;130 in der
Folgezeit bestritt er die Rechtsgültigkeit der Ehe Eduards als nicht standesgemäß und lehnte die Erban-
sprüche seiner Kinder ab;131 Eduard starb 1600 im Exil in Sponheim, erst seinem Sohn Wilhelm gelang es
1623, nach der Niederlage Georg Friedrichs in der Schlacht bei Wimpfen 1622, die Restitution der katho-
lischen Linie durchzusetzen.132
Ernst Friedrich, theologisch gebildet und von grüblerischer Frömmigkeit, durchlief eine ähnliche Entwick-
lung wie etwa auch Johann I. von Pfalz-Zweibrücken: Über die Diskussion wegen des Konkordienwerkes
entstand am ursprünglich lutherischen Hof eine Art kryptocalvinistische Gegenfront, die zu einer Hinwen-
dung zur reformierten Theologie führte. Ernst Friedrich bereitete den geplanten Konfessionswechsel gründ-
lich vor mit der Herausgabe des sog. Staffortschen Buches 1599, einer umfangreichen Bekenntnisschrift, für
die er eigens eine Druckerei (auf Schloss Staffort) einrichten ließ.133 Zwar ist sein eigener literarischer Anteil
an der Schrift nicht ganz geklärt, aber seine Beteiligung ging sicherlich weit über das damals übliche
Maß134 eines Landesfürsten hinaus.
Da auch Ernst Friedrich 1604 mit 44 Jahren ohne Erben starb135 und danach die ganze Markgrafschaft
an den letzten Bruder Georg Friedrich fiel, blieb der badische Konfessionswechsel Episode.136
Georg Friedrich hatte für seine oberbadischen Landesteile (Hochberg, Rötteln, Sausenberg und Badenwei-
ler) 1598 die Kirchenordnung seines Vaters unverändert nachdrucken lassen. Der Ordnung wurde lediglich
ein zweites Vorwort vorangestellt, außerdem wurden zwei der seitdem erschienenen Mandate, die kirchliche
Belange betreffen, ebenfalls in unveränderter Form hinzugefügt, nämlich die Kirchenzuchtordnung (von
1564) und die Eheordnung (von 1581). Dieses Vorwort wird hier zusammen mit dem Vorwort der ersten
Ausgabe 1556 abgedruckt (oben Nr. 5b), die Textvarianten werden in den entsprechenden Fußnoten der
württembergischen Kirchenordnungen nachgewiesen.
In den Jahren nach dem Nachdruck der Kirchenordnung (1598) erließ Georg Friedrich vier Ergänzungs-
mandate, die wohl durch die calvinistischen Strömungen am Pforzheimer Hof seines Bruders Ernst Fried-
rich verursacht wurden, worauf u.a. die Verbote des reformierten „Unser Vater“ hinweisen.

129 Über Charakter und Fähigkeiten Eduards vgl. Bau-
mann, Ernst Friedrich, S. 69f., 86f.
130 Schon seit 1592 war Ernst Friedrich in die Schuldentil-
gungsversuche eingeschaltet gewesen, hatte auch bei län-
geren Reisen Eduards die Statthalterschaft in Baden-
Baden übernommen. Außerdem drohte im Falle einer
kaiserlichen Sequestrierung eine lothringisch-bayerische,
also katholische Statthalterschaft. Vgl. Baumann,
Ernst Friedrich, S. 64-68.
131 Vgl. Baumann, Ernst Friedrich, S. 72f.
132 Vgl. Press, Baden, S. 139-141; von Weech, Badische
Geschichte, S. 163.
133 Leicht zugänglich in: Wennemuth, Reformierte Spu-
ren in Baden, S. 146ff.
134 Das sich bei den meisten Fürsten auf das Unterzeichnen
der Vorworte beschränkte.

135 Während der Vorbereitungen zur Einnahme der reniten-
ten ehemaligen Residenzstadt Pforzheim, die sich der
Übernahme der aufgezwungenen calvinistischen Predi-
ger seit 1601 erfolgreich widersetzt hatte. Es ist eines der
klassischen Bilder der badischen Landesgeschichtsschrei-
bung, dass sich die Tore der einstigen Residenzstadt für
Ernst Friedrich erst nach seinem Tod, nämlich zur
Grablegung, wieder öffneten; vgl. Leppin, Der Kampf
des Markgrafen Ernst Friedrich, S. 52.
136 Georg Friedrich ließ seinen beiden Brüdern in der Pforz-
heimer Stiftskirche ein gemeinsames (!) Grabmal errich-
ten, das mit den Wappen sämtlicher badischer Landes-
teile (auch Baden-Baden!) seinen Anspruch als Gesamt-
erbe des Hauses und Landes Baden untermauert, vgl.
Seeliger-Zeiss, Pforzheim Nr. 220.

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