Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0555
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
9. Kirchenzuchtordnung 1564

Zum dritten Befinden wir bey der Kindertauff dise
mängel unnd unordnung, Das bey dem Tauff die
vätter nicht alzeyt zugegen sein, Auch etliche nicht
darbey sein wellen, Daraus dann aller handt erger-
nuns ervolgt. |bIIIIv | Derwegen so wellen wir, das
unsere Pharrhern hinfür kein Kindt Tauffen, Der
vatter seye dan selbs zugegen, und ob er Leybs
Kranckhait halber oder, so er unwissendt der ge-
burt, usser Lands und nicht zugegen sein kündt, So
sol doch jemands von seinen freinden oder nachbau-
ren von seinetwägen bey dem Tauff zugegen sein.
Zum vierten, Nach dem das grausam und erschrok-
kenlich Gotzlestern bey alt und jungen, weyb und
mans Personen, inn grossen schwanck unnd yebung
ist, Unnd aber solches ein grewel vor Gott unnd da-
raus vilerley schwerer Straffen ervolgen, welches wir
sovil immer müglich gern vermitten sehen. So wel-
len und bevelhen wir hierauff, das unsere Pharhern,
Amptleuth, Schultheisen, vögt, Gerichs und Räths
Personen bey irenn pflichten, Damit sie uns zuge-
than, ernstlichs uffsehens und erkundigung darauff
haben, Und wa sie jemands, Mann oder weybs Per-
sonen, Jung oder Alt, erfaren, die sich einicher Gotz-
lesterung und unzimlichen fluchs und schwerens ge-
braucht, Die selben aigentlich merckhen, auch in
den vögtgerichtenz unnd Visitationen fleyssig da-
rüber Inquiriert werde, Und wer also straffbar be-
funden, gefenglich |clr | eingezogen, Wir dessen be-
richtet, und daruber unsers beschaidts erwartet wer-
de.a
Zum fünfften. Nachdem das teglich, ubermessig vol-
und zutrincken jhe lenger jhe mehr zunemmen und
gar gemein werden wil. Unnd aber us demselben vil

z KirchenzuchtO 1598: Rug- und Frevelgerichten.
a KirchenzuchtO 1598: werde. Und dieweil wir nit weniger
vilfältig in erfahrung kommen, daß bißweilen Manns-
unnd Weibs Personen wallfahrten gehen, Deßgleichen
bey Zaubern und Teuffelsbeschwörern Hilff und Rath
suchen, Aber solches Gottes heiligem Wort und seinen
Gebotten ebenmäßig stracks entgegen unnd zuwider ist,
So wöllen wir, daß die Pfarrer, Vögt, Schultheissen und
Gerichts Personen jedes Orts auff dergleichen Personen
ir fleissige achtung geben, und wann sie derselben eine
oder mehr, so sich Wallfahrten, Sägensprechens und

unzalbare laster, Sünd und schanden verursacht
werden, Solches auch in dem worth Gottts bey ver-
lust der Seeligkheit verbotten, So wöllen und bevel-
chen wir, Das wölcher unser underthanen hinfürter
sich mitt wein uberladen unnd uß trunckenheit ei-
niche unzucht oder schandt begeen, Das derselbig
nach gelegenheit seiner ubertrettung mitt gefengnus
oder sonsten gestrafft werde.
In welchem fall wir uns gegen unsern Amptlei-
then, Schultheissen, vögte und denen, so ämpter
tragen und andere darumb straffen sollen, unser
Straff auch vorbehalten.
Unnd dieweyl die Kirchenweyhungen, Vaß-
nacht, Weyberschenckin, Kunckelstuben2 und der-
gleichen geschäfftenb zu trunckenheit, unzucht und
viler handt ergernus ursach geben, Wollen wir soli-
ches alles hiemit bey straff eins guldins, so ein jede
Person unnach- |cllv| leßlich zubezalen, gäntzlich
verbotten haben, Und sollen unsere Amptleuth ir
fleyssig uffsehen darauff haben Und die ubertretter
also straffen und uns solche straff verrechnen.
Nach dem auch unsere underthanen zuvil mah-
len, und sonderlich an Sontagen und Feyertagen,
usserthalb den flecken zu Kirchweyhungen, hoch-
zeyten, däntz und geselschafften lauffen unnd dar-
durch die Kirchen versaumen, auch etwan daruber
inn andern nach thail geradten, So wöllen wir sölli-
chen hiemit auch ernstlich verbotten haben. Es were
dann sach, das jemands zur hochzeit beruffen und
geladen were, denselben soll es unbenommen sein.
So wellen wir auch hiemitt zugeben, Das etwan
zu zeyten, mitt erlaubung der Amptleuhthen, ehrli-
che däntz gehalten werden, Doch anders nicht dann
nach endung der mittag Predig, und das zu solchen
erbare, Alte Gerichts Personen, Zucht und erbar-

Teuffels beschwörens gebrauchen oder Hilff und Rath
bey denselben suchen, in erfahrung bringen, bey haltung
der Rug- und Frevel Gerichten und Visitationen gleicher
gestalt anzeigen unnd hierinn niemand verschonen sol-
len, Als dann gegen denselben je nach beschaffenheit der
Ubertrettung ernstliche Straff fürzunemen.
b KirchenzuchtO 1598: Geselschaften.
2 Kunkel: oberdeutsch für Spinnrocken, vgl. Grimm,
DWb 11, Sp. 2653; „Kunkelstube“ dann auch für das
(heimliche) Zusammenkommen der Frauen.

537
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften