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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0048
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Schwäbisch Hall

unterrichts.102 In Baden, Pfalz-Neuburg und der Kurpfalz, in Reichsstädten wie Ulm, Heilbronn,103 Esslin-
gen und Reutlingen sowie in den kleinen Grafschaften Oettingen, Erbach und Castell war der Brenz-
Katechismus zumindest zeitweise in Gebrauch.104 Auch außerhalb des Reichs fand er in polnischer, italie-
nischer, französischer und niederländischer Übersetzung Verbreitung.105

3. Der Ausbau des evangelischen Kirchenwesens bis zum Interim 1548

Der Haller Rat unterzeichnete weder 1529 die Speyerer Protestation noch 1530 das Augsburger Bekenntnis.
Brenz, der diese Haltung des Magistrats heftig kritisierte, sah sich deshalb genötigt, Ende Mai 1529 auf
dem Zusammentreffen der protestantischen Stände in Nürnberg eine diesbezügliche Erklärung abzugeben.
Es sei nicht die Absicht der Reichsstadt gewesen, den evangelischen Glauben zu leugnen, schließlich sei die
Reformation in Schwäbisch Hall etabliert.106 Das Motiv des Haller Rates für die Nichtunterzeichnung
bestand darin, dass man sich alle Möglichkeiten offen halten und es sich weder mit dem Kaiser noch mit
seiner eigenen evangelischen Bürgerschaft verderben wollte.107
Mitte der 1530er Jahre war die Bevölkerung in Schwäbisch Hall überwiegend evangelisch. Der katho-
lischen Minderheit standen mit St. Johann und der Schuppachkirche jedoch weiterhin zwei Kirchen zur
Verfügung. Eines der vordringlichsten Themen der 1530er Jahre war die Frage, ob die Reichsstadt dem
1531 gegründeten Schmalkaldischen Bund beitreten sollte. Brenz befürwortete den Beitritt, der Rat
zögerte. Schwäbisch Hall entschied sich schließlich erst 1538 für den Bund.108

7. Sendordnung 28. Januar 1531 (Text S. 96)
Die Veränderungen der Reformation brachten große Rechtsunsicherheiten besonders auf dem Gebiet der
geistlichen Gerichtsbarkeit und der Kirchenzucht mit sich, weshalb hier rasch verbindliche neue Regelun-
gen benötigt wurden. Das bischöfliche Sendgericht besaß in Schwäbisch Hall bis in die 1520er Jahre bei all
den Vergehen Gültigkeit, die der Kirchenbuße unterlagen. Hierzu gehörten Ehesachen, Vergehen gegen die
Feiertagsheiligung oder Gotteslästerung. Brenz hatte die Zuständigkeit in solchen Fragen bereits 1527 in
seiner Gottesdienstordnung (Nr. 2) der weltlichen Regierung als der von Gott eingesetzten Obrigkeit zuge-
wiesen. Sie sollte in Zukunft über Aufrührer, Mörder, Räuber, Diebe, Ehebrecher und Gotteslästerer ent-
scheiden.109 Die Angeklagten sollten sich vor einem besonderen Gremium, dem synodus, verantworten, der
aus Pfarrer und Prediger sowie aus etlich alt, gestanden, dapfer, redlich menner[n] zusammengesetzt war.
In der 1531 auf Geheiß des Haller Rates110 verfassten Sendordnung konkretisierte Brenz das 1527
skizzierte Strafverfahren: Der Synodus, den Brenz als landzucht oder dorfstag bezeichnete, sollte aus drei bis
vier Personen bestehen, die im geistlichen und weltlichen Recht beschlagen waren, und die - ebenso wie das

102 Die einzelnen Nachweise zur Verbreitung bietet Weis-
mann, Katechismen, S. 325-654; ders., Biblia, S. 64-73.
103 Siehe unten, S. 225.
104 Weismann, Katechismen, S. 326; ders., Biblia, S. 67-
69.
105 Weismann, Katechismen, S. 617-654; ders., Biblia,
S.66-73.
106 Abdruck der „Entschuldigung“ bei Brenz, Frühschrif-
ten 2, S. 161-168.

107 Maisch, Ordnung, S. 81.
108 Maurer/Ulshöfer, Brenz, S. 82ff. Zu Heilbronns Bei-
tritt zum Schmalkaldischen Bund siehe unten, S. 231.
109 Vgl. Kantzenbach, Theologie, S. 24-26.
110 Dies geht aus der Anrede in Brenz’ Begleitschreiben an
den Haller Rat hervor: Erbar, weis und fursichtig hern,
ich hab auß E[uer] E[hrsamen] W[eisheit] bevelch ein ord-
nung des sendts ... begriffen, siehe unten, S. 96.

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