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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0054
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Schwäbisch Hall

Rat das Interim umgehend an. Am 24. Juni 1548 musste Brenz die Stadt endgültig verlassen,151 nachdem
seine Interimsschrift in die Hände des Kanzlers Nicolas Perrenot de Granvelle geraten war.152 Brenz begab
sich unter den Schutz Herzog Ulrichs von Württemberg.153
In Schwäbisch Hall feierte der Interimspfarrer Christoph Marstaller seit Sommer 1548 in St. Michael
wieder die Messe. Am 4. August 1549 setzte der Rat jedoch-auch auf Drängen der mehrheitlich protes-
tantischen Bevölkerung - den evangelischen Geistlichen Michael Gräter154 als Pfarrer an St. Katharina ein;
mit diesem Akt begann der Rat langsam, das kaiserliche Interim auszuhöhlen. Dennoch war Schwäbisch
Hall dabei äußerst vorsichtig und behielt die Interimsordnung auch nach deren offiziellem Ende durch den
1552 geschlossenen Passauer Vertrag noch sieben Jahre lang bei.155 Der führende Kopf, der das evangelische
Kirchenwesen nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 wieder aufrichten sollte, war Jakob Gräter (1518-
1571 ),156 dem der Rat 1557 das evangelische Predigtamt in Hall übertrug.157 Am 7. Juli 1559 beschloss der
städtische Magistrat, die Kirchenordnung von 1543 wieder einzuführen.158 Mit diesem Datum und der
Abschaffung der seit 1552 bestehenden kaiserlichen Regimentsordnung159 endete schließlich die elfjährige
Interimsphase in Schwäbisch Hall.

13. Statuten des Landkapitels [1553] (Text S. 197)
Die Land- oder Ruralkapitel, die im Laufe des 13. Jahrhundert in zahlreichen Diözesen des Reiches ent-
standen waren, stellten die Kollegien der Pfarrer eines Dekanats, einer Verwaltungseinheit der mittelalter-
lichen Bistümer, dar.160 In Schwäbisch Hall griff man 1542 auf diese Organisation der Geistlichen zurück
und richtete das Landkapitel wieder ein. Erster Superintendent war Johann Isenmann, der Pfarrer an
St. Michael.161 Nach der Unterbrechung durch das Interim wurde das Landkapitel spätestens 1553 zum
zweiten Mal aktiviert. Die Kapitelsstatuten vermutlich aus demselben Jahr, die hier in einer späteren
Abschrift vorliegen, ordnen in zehn Punkten alle wesentlichen Belange des evangelischen Kapitels: Termin
der Kapitelssitzung, Fragen der Mitgliedschaft, Bestimmungen über die Feiertage, Unterstützung der
Armen, den Ablauf der jährlichen Kapitelssynode und die damit zusammenhängenden Belange. Auf die
reine Lehre des Evangeliums wurde ebenso gedrungen wie auf gleichförmige Zeremonien, evangelische Ver-
waltung der Sakramente, Pflicht der Predigt und Jugendunterweisung.162 Diese zehn Punkte wurden auf
der Synode 1556 um zwei weitere ergänzt. Der erste verfügte, dass wegen unregelmäßigen Erscheinens der
Kapitelsmitglieder künftig ein Präsenzgeld gezahlt und die Abwesenden zu einer Geldstrafe herangezogen
werden sollten. Der zweite gestand dem Dekan zu, Nachforschungen über Lehre und Leben jedes einzelnen
Mitglieds anstellen zu können.

151 Maisch, Krise, S. 94; Maurer/Ulshöfer, Brenz,
S. 94; Brecht, Brentii Ecclesia, S. 235.
152 Maisch, Krise, S. 94.
153 Maurer/Ulshöfer, Brenz, S. 94; Ehmer, Stifts-
propst, S. 120-125; Weismann, Johannes Brenz, S. 70f.
154 Gmelin, Hällische Geschichte, S. 791f. Zu Michael
Gräter siehe Haug, Pfarrerschaft, S. 368; Cramer,
Pfarrerbuch II/2, Nr. 765; Gmelin, Reformations-Jahr-
hundert, S. 59f.
165 Gmelin, Reformations-Jahrhundert, S. 49f.; vgl.
Maisch, Krise, S. 96; Maurer/Ulshöfer, Brenz,
S. 93f.
156 Zu Jakob Gräter siehe Cramer, Pfarrerbuch II/2,
Nr. 756.
157 Im Juni 1559 wurde Gräter vom Rat aufgefordert, sich
bezüglich der Inhalte und Zeremonien des Interims, über

die er immer wieder mit dem Interimspfarrer an
St. Michael, Christoph Marstaller, aneinandergeraten
war, zu verantworten. Das Schreiben befindet sich laut
Gmelin, Reformations-Jahrhundert, S. 62 im Kapitel-
buch von Schwäbisch Hall, p. 62-76. Der Inhalt ist aus-
führlich referiert ebd., S. 62-65 und Haug, Pfarrer-
schaft, S. 363f.
158 Gmelin, Reformations-Jahrhundert, S. 66.
159 Vgl. Bossert, Hasenrat, S. 202.
160 Vgl. HDRG 2 (1978), Sp. 1507f.; HKKR (21999), § 44.
161 Maisch, Krise, S. 88; Brecht/Ehmer, Reformations-
geschichte, S. 157, 392f.
162 Gmelin, Reformations-Jahrhundert, S. 56 Anm. 44
referiert ausführlich den Inhalt. Vgl. Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 157.

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