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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 1. Teilband = Baden-Württemberg, 3): Schwäbisch Hall, Heilbronn, Konstanz, Isny und Gengenbach — Tübingen: Mohr Siebeck, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.30656#0364
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Konstanz

Nachbarn an die Türen klopften, Reimsprüche aufsagten und Gaben heischten.132 Auch das Neujahrs-
ansingen, das der Rat bereits vor Jahren verboten hatte und das wieder in Übung gekommen war, suchte
der Magistrat 1544 erneut nachdrücklich abzuschaffen (Nr. 11). Bei diesem Brauch gingen die Sänger von
Haus zu Haus, um ihre guten Wünsche für das neue Jahr zu überbringen und Gaben zu erbitten. Der Rat
ging deshalb dagegen vor, da man glaubte, dass mit dem Ausbringen von Wünschen ein Glückszauber
verbunden sei.133Ein größeres Problem scheint in Konstanz die Störung der Gottesdienste durch Hunde
dargestellt zu haben, die in den Kirchen herumstreunten und die Gemeinde an der aufmerksamen Verfol-
gung der Predigt hinderten. Nachdem man 1537 zunächst verfügt hatte, dass die Hunde nicht mitgebracht
werden sollten (Nr. 12), griff man 1543 stärker durch, verhängte genau bezeichnete Geldbußen für die
Besitzer und beauftragte die Kirchenpfleger, die Tiere mit Igelkolben aus der Kirche zu treiben oder sie
einzufangen (Nr. 13).

14. Ordnung der Eheaufgebote und Eheeinsegnungen 4. Juni 1537/10. Januar 1543/4. Juni 1548
(Text S. 415)
Bereits die „Costentzische Ordnung“ von 1527 enthielt eine Ordnung zur Eheeinsegnung (Nr. 2c). Während
diese die Trauagende darstellte, wurden 1537 die rechtlichen Bedingungen für Eheschließungen fixiert. Die
Eheleute mussten dem Kirchendiener bekannt sein und vor ihrer Einsegnung öffentlich ausgerufen werden.
Zudem sollte der Trauakt nicht im Morgengrauen, sondern bei Tag stattfinden, um die Zeugenschaft der
vollzählig anwesenden Gemeinde sicherzustellen. Zwei spätere Ergänzungen dieser Ordnung von 1543 und
1548 bekräftigten die Pflicht des Aufgebots und verboten jegliche weiteren Festivitäten am Tage nach der
Hochzeit.

15. Ordnung der Kirchenpflege 17. März [1538] (Text S. 416)
Der Konstanzer Rat hatte bereits vor der Reformation die Vermögensverwaltung der meisten Kirchen und
Klöster durch seine Pfleger beaufsichtigt.134 Nachdem Bischof, Domkapitel und die altgläubige Geistlich-
keit 1527 aus der Stadt ausgezogen waren, dehnte er seinen Einfluss auf deren verlassene Liegenschaften aus
und nahm sie in seine Verwaltung.135 Die Kirchenschätze verwendete der Rat für Rüstungs- und Bündnis-
aufgaben, für Reichsanschläge und Maßnahmen zur Förderung des Leinwandhandels. Seit 1528 wurden die
Kirchengeräte eingeschmolzen und zu Münzen geprägt.1361527 erließ der Rat mehrere Mandate zur Siche-
rung des Kirchengutes137 und setzte Konrad Zwick und Thomas Hütlin als Oberpfleger der bischöflichen
Kathedralkirche ein,138 denen damit die Vermögensverwaltung des Münsters oblag.139

132 HWDA 4, Sp. 1542-1546; Grimm, DWb 11, Sp. 1231;
Meyer, Volksleben, S. 196.
133 HWDA 6, Sp. 1037-1039.
134 Ruppert, Raite, S. 68; Beyerle, St. Johann, S. 251;
vgl. Heuschen, Reformation, S. 68-69.
135 Dobras, Konstanz, S. 89; Buck/Fabian, Reformati-
onsgeschichte, S. 169-177; Heuschen, Reformation,
S.55-67.
136 Damit erlebte die Konstanzer Münze noch einmal Kon-
junktur, vgl. Dobras, Konstanz, S. 90.
137 Angeführt bei Vögeli Schriften II/II, S. 1228 Anm.
859; vgl. Buck/Fabian, Reformationsgeschichte,
S.177-183.
138 StadtA Konstanz, Ratsbuch 1527/28, Bl. 191b vom
27. August 1527: Cunrat Zwick und zunfftmaister Hütli

sind zue obern pfleger im Munster verordnet, die sollen
denen pfaffen, die hie sind, bevelhen, das sy all ire rent und
gult und guter, die sy habint, uffzeichnent und inen uber-
gebint. Item sy söllend zwen pfleger nemmen, ainen der
presentz und ainen der pruderschafft, die sollend inziehen,
was sy mögent, damit dann hie ir gepurende anzal darvon
werde. Item sy sollend besechen und anschlahen, wie sy das
hailtumb versehint, damit nit so vil cost uffgang und [es]
dannocht versehen syg, zitiert nach Vögeli, Schrif-
ten II/II, S. 1228 Anm. 859; siehe auch Vögelis Bericht
in seiner Reformationschronik, ebd., S. 389. Vgl. Heu-
schen, Reformation, S. 67-70, 72f.; Ruppert, Mün-
sterschatz, S. 227-244.
139 Heuschen, Reformation, S. 70; Issel, Reformation,
S. 70.

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