3a. Schreiben der Prädikanten an den Rat, eine Kirchenordnung zu erlassen 1538
3a. Schreiben der Prädikanten an den Rat, eine Kirchenordnung zu erlassena
4. Januar 1538
Cunrad Knecht1, Mathias Erb2, Lucius Kiber3, der
kirchen zu Gengenpach diener im wort gottes, wun-
schen dem christlichen Rhatt daselbs gnad unnd
gottes erkantnuß, alles guts mit erbietung pfflichti-
ger ghorsame.
Edeln unnd vesten, fursichtigen unnd gunstigen,
lieben Herrn. Wir dancken gott, dem herren, nit al-
lain umb sein hayligs wort, das euch, unnsern gun-
stigen herrn, unnd ganzem wesen4 Gengempach
mittgetaylt, sonnder das auch ewere hertzen so vil
erwaycht, das ir euch den willen unnd befelch des
Herren gefallen lassen unnd mit grossem eyffer und
ernst, ewer furnemen zu bessern, nachjagend. Da-
rumb auch ewere augen unnd ohren, dieweyl sy se-
hen unnd horen die gehaymnuß des reychs gottes
(vor andern und solchen gunst des Herren abge-
schlagen), selig zu achten sind. Nit weniger werden
wir arme ewere diener von dem herrlichen auffgang
des Evangeliums unnd eeren gottes erfrewt, der
hoffnung, gott, der Herr, werd unnser pflantzung
nit umb sonst lassen sein, aber5 wachsen machen
unnd das gedeyen darzu geben, Amen6.
Uffs erst, lieben hern, protestieren unnd bezeu-
gen wir uns vor dem richter der lebendigen unnd
todten, Jhesu Christo, und vor euch, unnsern gotts-
forchtigen herren, unnd ganzer welt, das, wie wir
bißher (unsers wissens) nichts fur ewere ohren ge-
tragen, des wir nit von gott ernstlichen befelch ha-
a Textvorlage (Handschrift): UBibl Basel, Frey-Gryn. I,
1, fol. 13r-14v. Abdruck: Kohls, Bewegung, S. 44-46.
1 Konrad Knecht (Servitoris), aus Hagenweiler im Elsaß,
wurde 1525 als erster evangelischer Pfarrer in Gengen-
bach angestellt. Er blieb dort bis zu seinem Tod vor
1540, vgl. Kohls, Bewegung, S. 18; Bender, Refor-
mation, S. 20; Hitzfeld, Abtei, S. 75.
2 Matthias Erb, 1494 in Ettlingen geboren, wurde 1536
von Kaspar Hedio im Zusammenhang mit der Gründung
der Gengenbacher Schule in die Reichsstadt geholt, wo
er bis 1538 als Schulmeister blieb, vgl. Kohls, Ka-
techismus, S. 108f. mit weiterführender Literatur.
ben, nemlich haben wir euch gelert auß gottes wort
den glauben uff gott unnd lieb gegen dem nech-
sten7, welche zway stuck der inhalt der gantzen
schryfft des gesatz und propheten ist unnd der ainig
unnd recht weg zum ewigen leben, daran gewißlich
aller selen genesen unnd verderben stätt, über solche
leer wissend wir nit, das wir etwas diser heylsamen
leer Jhesu Christi zugegen gelert haben. |13v |
Also auch furhin wellen wir mit hilff des all-
mechtigen nichts news noch annders, dann wie fro-
men, trewen dienern woll anstätt, leeren, allain das
wort gottes unnserer gaben nach handeln unnd der
leer (auß wölher die war gottselligkait fleußt) euch
nit vervortaylen8.
Zum andern sagen wir bey unsern gewissen, das
wir nichts weytters zur seligkayt nottwendig, dann
wie es euch nun vil Jar unnd tag furgetragen ist, zu
eroffnen haben. Gott well geben, das wir dem gele-
ben unnd nachfolgen, auff das wir nit nur unnutze
zuhören, sonder krefftige thetter erfunden wer-
den9.
Zum drytten, auff das niemand kain schu-
chens10 oder ains auffsatz11 argkwon an unnserm
furtrag nemen kund, so mogen wir leyden, ja ernst-
lich bitten, e[uer] w[eisheit] well solch unnser ansu-
chen bey den gleubigen gottes gelertten unnd ver-
stendigen probieren, ob es dem wort gottes unnd sei-
ner ordnung zuwider sey. Solchem urteyl wellen wir
3 Lucius Kyber, einer der drei evangelischen Pfarrer in
Gengenbach, war seit 1525 hier tätig, ging nach dem In-
terim nach Straßburg und starb dort 1554, vgl. Kohls,
Bewegung, S. 18f.; Bender, Reformation, S. 20.
4 Gemeinwesen, Gemeinde.
5 Sondern.
6 Vgl. 1Kor 3,6-7.
7 Vgl. Mk 12,29-31.
8 Vorenthalten, den Vorteil nehmen, vgl. Grimm, DWb
26, Sp. 1733.
9 Jak 1,22.
10 Scheuens, Scheu, Ablehnung.
11 Aufsässigen, vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 719.
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3a. Schreiben der Prädikanten an den Rat, eine Kirchenordnung zu erlassena
4. Januar 1538
Cunrad Knecht1, Mathias Erb2, Lucius Kiber3, der
kirchen zu Gengenpach diener im wort gottes, wun-
schen dem christlichen Rhatt daselbs gnad unnd
gottes erkantnuß, alles guts mit erbietung pfflichti-
ger ghorsame.
Edeln unnd vesten, fursichtigen unnd gunstigen,
lieben Herrn. Wir dancken gott, dem herren, nit al-
lain umb sein hayligs wort, das euch, unnsern gun-
stigen herrn, unnd ganzem wesen4 Gengempach
mittgetaylt, sonnder das auch ewere hertzen so vil
erwaycht, das ir euch den willen unnd befelch des
Herren gefallen lassen unnd mit grossem eyffer und
ernst, ewer furnemen zu bessern, nachjagend. Da-
rumb auch ewere augen unnd ohren, dieweyl sy se-
hen unnd horen die gehaymnuß des reychs gottes
(vor andern und solchen gunst des Herren abge-
schlagen), selig zu achten sind. Nit weniger werden
wir arme ewere diener von dem herrlichen auffgang
des Evangeliums unnd eeren gottes erfrewt, der
hoffnung, gott, der Herr, werd unnser pflantzung
nit umb sonst lassen sein, aber5 wachsen machen
unnd das gedeyen darzu geben, Amen6.
Uffs erst, lieben hern, protestieren unnd bezeu-
gen wir uns vor dem richter der lebendigen unnd
todten, Jhesu Christo, und vor euch, unnsern gotts-
forchtigen herren, unnd ganzer welt, das, wie wir
bißher (unsers wissens) nichts fur ewere ohren ge-
tragen, des wir nit von gott ernstlichen befelch ha-
a Textvorlage (Handschrift): UBibl Basel, Frey-Gryn. I,
1, fol. 13r-14v. Abdruck: Kohls, Bewegung, S. 44-46.
1 Konrad Knecht (Servitoris), aus Hagenweiler im Elsaß,
wurde 1525 als erster evangelischer Pfarrer in Gengen-
bach angestellt. Er blieb dort bis zu seinem Tod vor
1540, vgl. Kohls, Bewegung, S. 18; Bender, Refor-
mation, S. 20; Hitzfeld, Abtei, S. 75.
2 Matthias Erb, 1494 in Ettlingen geboren, wurde 1536
von Kaspar Hedio im Zusammenhang mit der Gründung
der Gengenbacher Schule in die Reichsstadt geholt, wo
er bis 1538 als Schulmeister blieb, vgl. Kohls, Ka-
techismus, S. 108f. mit weiterführender Literatur.
ben, nemlich haben wir euch gelert auß gottes wort
den glauben uff gott unnd lieb gegen dem nech-
sten7, welche zway stuck der inhalt der gantzen
schryfft des gesatz und propheten ist unnd der ainig
unnd recht weg zum ewigen leben, daran gewißlich
aller selen genesen unnd verderben stätt, über solche
leer wissend wir nit, das wir etwas diser heylsamen
leer Jhesu Christi zugegen gelert haben. |13v |
Also auch furhin wellen wir mit hilff des all-
mechtigen nichts news noch annders, dann wie fro-
men, trewen dienern woll anstätt, leeren, allain das
wort gottes unnserer gaben nach handeln unnd der
leer (auß wölher die war gottselligkait fleußt) euch
nit vervortaylen8.
Zum andern sagen wir bey unsern gewissen, das
wir nichts weytters zur seligkayt nottwendig, dann
wie es euch nun vil Jar unnd tag furgetragen ist, zu
eroffnen haben. Gott well geben, das wir dem gele-
ben unnd nachfolgen, auff das wir nit nur unnutze
zuhören, sonder krefftige thetter erfunden wer-
den9.
Zum drytten, auff das niemand kain schu-
chens10 oder ains auffsatz11 argkwon an unnserm
furtrag nemen kund, so mogen wir leyden, ja ernst-
lich bitten, e[uer] w[eisheit] well solch unnser ansu-
chen bey den gleubigen gottes gelertten unnd ver-
stendigen probieren, ob es dem wort gottes unnd sei-
ner ordnung zuwider sey. Solchem urteyl wellen wir
3 Lucius Kyber, einer der drei evangelischen Pfarrer in
Gengenbach, war seit 1525 hier tätig, ging nach dem In-
terim nach Straßburg und starb dort 1554, vgl. Kohls,
Bewegung, S. 18f.; Bender, Reformation, S. 20.
4 Gemeinwesen, Gemeinde.
5 Sondern.
6 Vgl. 1Kor 3,6-7.
7 Vgl. Mk 12,29-31.
8 Vorenthalten, den Vorteil nehmen, vgl. Grimm, DWb
26, Sp. 1733.
9 Jak 1,22.
10 Scheuens, Scheu, Ablehnung.
11 Aufsässigen, vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 719.
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