42l. Ordnung der Lateinschulen 1559
cis | cxxxib | Aesopi69, ex Isocrate ad Demoni-
cum70 oder Paedia Xenophontis71 nach gelegenheit
der Auditorum gelesen und repetiert werden, Und
hierinn der Praeceptor auff das fleissigest die The-
mata den Knaben anzeigen und sie selbs formieren
lassen, auch sie darzu halten, das sie es fleissig col-
ligiern und auffschreibenx.
Exercitium Styli:
Es sollen auch in diser Classe die teutsche Argumen-
ta lenger unnd schörpffer gestelt werden, doch das
sie in Periodos eingeschlossen seien, damit die Jun-
gen der Composition gewonen. Und dieweil man in
Sexta Classis
Die erst Stund vor Mittag: Nachdem die Knaben der
fünff ersten Classium in der Grammatic wol unterricht
und geübt, sollen sie in diser Sexta Classe auch in der
Dialectica und Rhetorica angefürt werden. Derwegen
inen etliche Quaestiones Dialecticae nach dem frü Ge-
bett proponiert und expliciert, selbige folgenden tags die
Discipuli zum vordersten außwendig recitiern unnd da-
rauff inen andere nachgehende Quaestiones fürgeben
unnd expliciert, auch die sachen dahin gericht werden,
damit die Dialectica alle Jar einmal absolviert und gar
außgelesen. Allein am Freytag soll allweg in acht tagen
einmal auff dise stund Materia exercendi styli, auff maß,
hernach volgt, proponiert werden.
Die ander Stund vor Mittag: Zu diser Stund sollen die
Quaestiones Rhetoricae expliciert werden mit diser Ord-
nung, daß allwegen erstlich die Lection des vorgehenden
tags repetirt und die uberige zeit diser Stund widerumb
in explicatione gemelter Quaestionum fürgeschritten
werde. Da dann noch etwas an der zeit uberig, soll ein
stuck Etymologiae biß ad horae finem von der Knaben
einem recitirt werden. Wann dann ein Caput Quaestio-
num Rhetoricae absolvirt ist, soll der Praeceptor ettliche
auß den Knaben (doch nicht der ordnung nach wie sie
sitzen) das gantz Caput memoriter recitiren lassen.
Doch daß er nit eben ein Knaben allein alle Quaestiones
frage, sondern mit den Quaestionibus und den Knaben
umbwechsle, damit sie sich alle darauff gefaßt machen
müssen. Und soll der Praeceptor in allweg die sach dahin
richten, damit in einem Jar die gantze Rhetorica zu end
gebracht werde. Am Freitag würdt dise stund Sommers
zeit geprediget, Im Winter aber soll Catechismus Maior
Brentii expliciert werden. Auff den Sambstag aber ex
quarta parte Grammaticae die Prosodia dociert werden.
Die dritt Stund vor Mittag: Zu diser stund soll der Prae-
ceptor Orationes Ciceronis [Cicero, Orationes] lesen und
diser Classe principia Dialecticae und Rhetori-
cae72 liset, sollen die Argumenta nit alle auff ein
weiß gericht, sonder etwann ein Epistola, zun zeiten
ein exordium, narratio, locus communis, confirma-
tio, peroratio, descriptio alicuius rei, tractatio fa-
bulae oder dergleichen progymnasmata fürgegeben
und die Adolescentes also abgericht werden, das ih-
nen nachmals gantze Declamationes zu schreiben
minder schwär sey. Day muß man nit sehen wie
lang, sonder wie gut die scripta seien und das siez
auff die phrases unnd imitationem Ciceronis gerich-
tet werden, sonst coacerviern die Knaben allein vil
Sententias auß andern Scriptoribus one allen ver-
repetiren der gestalt, daß er darinnen die Praecepta
Grammaticae und das artificium Dialecticae und Rhe-
toricae den Knaben anzeige und übe. Am Freitag würdt
Winters zeit dise Stund gepredigt, Im Sommer aber soll
Catechismus Brentii Maior tractirt werden [Johannes
Brenz, Catechismus pia et utili explicatione illustratus,
1551, vgl. Weismann, Katechismen, S. 447; ders.,
Brenz und seine Katechismen, S. 131f.].
Die erste Stund nach Mittag: Nach verrichtem Exercitio
Musicae soll der Salustius [Sallust, Historiae] expliciert,
Doch allweg zuvor die vorgehend Lection von etlichen
Knaben exigirt und darauff ein andere proponirt werden.
Die ander Stund nach Mittag: Von ein Uhr biß zwey soll
erstlich ein stuck ex Latina Syntaxi repetiert werden.
Gleich darauff sollen die Libri Aeneidos Virgilii [Vergil,
Aeneis] also expliciert werden, daß zumal die Elegantia
latinae Linguae unnd das Artificium Poeticum den Kna-
ben gezeigt werde. Am Freitag soll allwegen zu diser
stund Materia scribendi proponiert und volgenden Mon-
tags emendiert werden. Am Sonn- und Feierabend aber
sollen die Knaben das gewonlich Evangelium Graecum
et Latinum exponirn.
Die dritte Stund nach Mittag: Dise Stund soll Cyri Pae-
dia Xenophontis [Xenophon, Kyrupädie] expliciert und
darneben Graeca Grammatica fleissig repetirt und die
sachen also angestelt werden, damit (ausserhalb des
Donnerstags und Sambstags) in explicatione Xenophon-
tis fürgeschritten und allweg die vorgehende Lection re-
petiert werde.
y Separatdruck 1559, KO Württemberg 1582: Doch.
z KO Württemberg 1582: sie principaliter.
69 Aesop, Fabeln, vgl. oben, S. 537 Anm. 39.
70 Isokrates (436-338 v. Chr.), Oratio ad demonicum.
71 Xenophon, Kyrupädie.
72 Vielleicht Augustinus, Principia dialecticae, PL 32,
S. 1409-1418; Principia rhetorices, PL 32, S. 1439-1448.
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cis | cxxxib | Aesopi69, ex Isocrate ad Demoni-
cum70 oder Paedia Xenophontis71 nach gelegenheit
der Auditorum gelesen und repetiert werden, Und
hierinn der Praeceptor auff das fleissigest die The-
mata den Knaben anzeigen und sie selbs formieren
lassen, auch sie darzu halten, das sie es fleissig col-
ligiern und auffschreibenx.
Exercitium Styli:
Es sollen auch in diser Classe die teutsche Argumen-
ta lenger unnd schörpffer gestelt werden, doch das
sie in Periodos eingeschlossen seien, damit die Jun-
gen der Composition gewonen. Und dieweil man in
Sexta Classis
Die erst Stund vor Mittag: Nachdem die Knaben der
fünff ersten Classium in der Grammatic wol unterricht
und geübt, sollen sie in diser Sexta Classe auch in der
Dialectica und Rhetorica angefürt werden. Derwegen
inen etliche Quaestiones Dialecticae nach dem frü Ge-
bett proponiert und expliciert, selbige folgenden tags die
Discipuli zum vordersten außwendig recitiern unnd da-
rauff inen andere nachgehende Quaestiones fürgeben
unnd expliciert, auch die sachen dahin gericht werden,
damit die Dialectica alle Jar einmal absolviert und gar
außgelesen. Allein am Freytag soll allweg in acht tagen
einmal auff dise stund Materia exercendi styli, auff maß,
hernach volgt, proponiert werden.
Die ander Stund vor Mittag: Zu diser Stund sollen die
Quaestiones Rhetoricae expliciert werden mit diser Ord-
nung, daß allwegen erstlich die Lection des vorgehenden
tags repetirt und die uberige zeit diser Stund widerumb
in explicatione gemelter Quaestionum fürgeschritten
werde. Da dann noch etwas an der zeit uberig, soll ein
stuck Etymologiae biß ad horae finem von der Knaben
einem recitirt werden. Wann dann ein Caput Quaestio-
num Rhetoricae absolvirt ist, soll der Praeceptor ettliche
auß den Knaben (doch nicht der ordnung nach wie sie
sitzen) das gantz Caput memoriter recitiren lassen.
Doch daß er nit eben ein Knaben allein alle Quaestiones
frage, sondern mit den Quaestionibus und den Knaben
umbwechsle, damit sie sich alle darauff gefaßt machen
müssen. Und soll der Praeceptor in allweg die sach dahin
richten, damit in einem Jar die gantze Rhetorica zu end
gebracht werde. Am Freitag würdt dise stund Sommers
zeit geprediget, Im Winter aber soll Catechismus Maior
Brentii expliciert werden. Auff den Sambstag aber ex
quarta parte Grammaticae die Prosodia dociert werden.
Die dritt Stund vor Mittag: Zu diser stund soll der Prae-
ceptor Orationes Ciceronis [Cicero, Orationes] lesen und
diser Classe principia Dialecticae und Rhetori-
cae72 liset, sollen die Argumenta nit alle auff ein
weiß gericht, sonder etwann ein Epistola, zun zeiten
ein exordium, narratio, locus communis, confirma-
tio, peroratio, descriptio alicuius rei, tractatio fa-
bulae oder dergleichen progymnasmata fürgegeben
und die Adolescentes also abgericht werden, das ih-
nen nachmals gantze Declamationes zu schreiben
minder schwär sey. Day muß man nit sehen wie
lang, sonder wie gut die scripta seien und das siez
auff die phrases unnd imitationem Ciceronis gerich-
tet werden, sonst coacerviern die Knaben allein vil
Sententias auß andern Scriptoribus one allen ver-
repetiren der gestalt, daß er darinnen die Praecepta
Grammaticae und das artificium Dialecticae und Rhe-
toricae den Knaben anzeige und übe. Am Freitag würdt
Winters zeit dise Stund gepredigt, Im Sommer aber soll
Catechismus Brentii Maior tractirt werden [Johannes
Brenz, Catechismus pia et utili explicatione illustratus,
1551, vgl. Weismann, Katechismen, S. 447; ders.,
Brenz und seine Katechismen, S. 131f.].
Die erste Stund nach Mittag: Nach verrichtem Exercitio
Musicae soll der Salustius [Sallust, Historiae] expliciert,
Doch allweg zuvor die vorgehend Lection von etlichen
Knaben exigirt und darauff ein andere proponirt werden.
Die ander Stund nach Mittag: Von ein Uhr biß zwey soll
erstlich ein stuck ex Latina Syntaxi repetiert werden.
Gleich darauff sollen die Libri Aeneidos Virgilii [Vergil,
Aeneis] also expliciert werden, daß zumal die Elegantia
latinae Linguae unnd das Artificium Poeticum den Kna-
ben gezeigt werde. Am Freitag soll allwegen zu diser
stund Materia scribendi proponiert und volgenden Mon-
tags emendiert werden. Am Sonn- und Feierabend aber
sollen die Knaben das gewonlich Evangelium Graecum
et Latinum exponirn.
Die dritte Stund nach Mittag: Dise Stund soll Cyri Pae-
dia Xenophontis [Xenophon, Kyrupädie] expliciert und
darneben Graeca Grammatica fleissig repetirt und die
sachen also angestelt werden, damit (ausserhalb des
Donnerstags und Sambstags) in explicatione Xenophon-
tis fürgeschritten und allweg die vorgehende Lection re-
petiert werde.
y Separatdruck 1559, KO Württemberg 1582: Doch.
z KO Württemberg 1582: sie principaliter.
69 Aesop, Fabeln, vgl. oben, S. 537 Anm. 39.
70 Isokrates (436-338 v. Chr.), Oratio ad demonicum.
71 Xenophon, Kyrupädie.
72 Vielleicht Augustinus, Principia dialecticae, PL 32,
S. 1409-1418; Principia rhetorices, PL 32, S. 1439-1448.
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