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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0429
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13. Kirchenordnung 1590

Menschlichem Gütdüncken auffkommen, sondern
ist von den heyligen Patriarchen, Propheten und
Aposteln auß Bewegung deß heyligen Geistes, für-
nemlichen in grossem Anligen und Gefärligkeit als
ein Mittel Göttliche Hülf zuerlangen, gebraucht
worden. Zu dem hat es auch einen offentlichen
Apostolischen Befelch: Ich ermahne, sagt S. Paulus,
daß man für allen Dingen zu erst thue Bitte, Ge-
bett, Fürbitt und Dancksagung für alle Menschen,
für die Könige und alle Obrigkeit,112 und daß am
ernstlichsten zubedencken ist, so hat unser Herr Je-
sus Christus selbst dem Ge-1103| meinen Gebett ein
stattliche Zusag gethan und gesagt, Matth. 18: Wo
zween unter euch eins werden auff Erden, warumb
es ist, das sie bitten wöllen, das soll ihnen widerfah-
ren von meinem Vatter im Himmel.113
Darumb, nach dem der Kirchen allerley Noth und
Gefahr zu jederzeit begegnet, soll das gemeine Ge-
bett in der Kirchen mit grossem Ernst geubet und
nicht unterlassen werden.
Es sollen aber die Kirchendiener das Volck mit
allem Fleiß unterrichten, daß das gemein Gebett
nicht fruchtbar sey noch Gottes Hülff erlange, es
geschehe dann von den Bußfertigen, die auß Er-
kändtniß der schwere ihrer Sünde von denselbigen
abstehn, ihr Leben bessern und ruffen Gottes Na-
men an auß rechtem Vertrauwen von wegen und im
Namen unsers lieben Herrn Jesu Christi, damit wir
nicht hören müssen, wie der Herr bey dem Prophe-
ten Esa. 1. Cap. predigt: Wann ihr schon euwer
Hände außbreitet, verbirge ich doch meine Augen
für euch und ob ir schon viel bettet, höre ich euch
doch nicht, dann euwere Hände seind voll
Bluts.114
Darumb sollen die Kirchendiener das gemein Ge-
bett also uben und treiben, daß sie dabey das |104|
Volck zur Buße vermahnen und ihnen wol einbilden,
das keiner könne kein rechter Anruffer seyn, er sey
f Von Fußnote e S. 408 bis hierher aus KO Pfalz-Zwei-
brücken 1557, Sehling, EKO XVIII, S. 192f.
g-g Aus KO Pfalz-Zweibrücken 1557, Sehling, EKO
XVIII, S. 195f.

dann zuvor ein Christlicher Büsser. Wiewol nun das
Gebett, so uns unser Herr Jesus Christus gelehrt
hat, das Vatter unser genannt, an ihm selbst ein ge-
mein Gebett ist, soll auch, als ein kurtzer Begrieff
und Summa aller anderen Christlichen Gebett, in
alle weg den Vorzug haben. Jedoch, nach dem die
andern Gebett, so in heyliger Schrifft und sonderlich
in Psalmen begrieffen oder auß Sprüchen der heyli-
gen Schrifft auff ein gegenwertige Noth gezogen,
eine Erklärung und Außlegung deß Vatters unsers
seyn, so sollen sie nicht verworffen, sondern neben
und mit dem Vatter unser zu seiner Zeit geubet und
gebrauchet werden.
Die Vorrede deß Gemeinen Gebets.
Nach dem wir beyeinander in Gottes Namen ver-
samlet seyn und uns befohlen, das wir Gott in aller
unserer Noht sollen anruffen, auch vor menniglich
unser Vorbitt thun, zu welchem wir die Zusag unsers
Herrn Jesu Christi haben: Wo zween unter euch eins
werden auff Erden, warumb es ist, das sie bitten
wollen, das soll ihnen von |105| meinem Vatter im
Himmel widerfahren.115 Und: Bittet, so wirdt euch
gegeben, suchet, so werdet ir finden, klopffet an, so
wirdt euch auffgethan.116f
gSo bettet also:
Allmächtiger, Barmhertziger Gott, ewiger Vat-
ter unsers Herren und Heylandts Jesu Christi, Er-
schaffer sampt deinem Sohn unnd heyligen Geist,
wir bitten hertzlich, du wollest deine heylige Kirch
mit iren Dienern durch deinen heyligen Geist regie-
ren, auff daß sie bey der rechtschaffenen Weyde dei-
nes Allmächtigen unnd ewigen Worts erhalten wer-
den, dardurch der Glaub gegen dir gesterckt und die
Lieb in allen Menschen gegen uns erwachse und zu-
nehme.
Wollest auch unsere Obrigkeit, Insonderheit un-
sern gnädigen Graffen und Herrn, deroselbigen Ge-

112 1Tim 2,1f.
113 Mt 18,19.
114 Jes 1,15.
115 Mt 18,19.
116 Mt 7,7.

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