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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0235

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41. Kirchen-agenda für die prediger der grafschaft Mansfeld. 1580.

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geburt gestorben, oder tod von inen kommen ist,
solche müttere, weil es ir schuld nicht ist, noch
durch ire verseumnis oder lessigkeit die frucht
verwarloset ist, sol man nicht schrecken noch be-
trüben mit unbescheidenen worten, und hie ein
unterscheid machen, zwischen den frauen oder
weibesbilden, so die frucht ungerne tragen, mut-
willens verwarlosen, oder zu letzt auch böslich
erwürgen, und umbbringen, sondern also und der-
massen mit inen reden.
Erstlich, wiewol man nicht wissen sol noch
kan gottes heimlich gericht in solchem fall, war-
umb er solche kindlein, darbei aller müglicher
vleis geschehen ist, nicht hat lassen lebendig ge-
born und getauft werden, so sollen sich die müttere
des zu frieden geben und gleuben, das gottes
wille allzeit besser sei, weder unser wille, obs uns
nach fleischlichem dünkel vil anders ansihet, und
zu förderst daran nicht zweifeln, das gott darumb
weder uber die mutter, noch andere, so darzu
gethan, erzörnet sei, sondern sei eine versuchung
zur gedult, so wissen wir auch das solcher fall
von anfang nicht seltzam gewest, also das auch die
schrift solchs zum exempel braucht, als psal. 53
und S. Paulus sich selbs einen abortiuum, eine
missgeburt, oder unzeitige geburt nennet, 1. Cor. 15.
Zum andern, so ists auch zu hoffen, weil die
mutter eine christin und gleubig ist, das ir herz-
lich seufzen und gründlich sehnen, das kind zur
taufe zu bringen, für ein recht gebete für gott
angenomen sei. Denn wie wol es war ist, das
ein christ in seiner hohen not, die hülfe nicht
nennen, noch wündschen, noch hoffen tharf, wie
in dünket, die er doch so herzlich gern und mit
eigenem leben mit höchster begir keufete, wo es
müglich, und im da ein trost gegeben würde, so
sol hie der spruch gelten Pom. 8: Der geist hilft
unser schwacheit auf, denn wir wissen nicht, was
wir beten sollen (das ist, wie droben gesagt, wir
dürfen es nicht wündschen) wie sichs gebürt,
sondern der geist selbs vertrit uns mechtiglich
mit unaussprechlichem seufzen. Der aber die
herzen forschet, der weiss was des geists sinn sei,
denn er vertrit die heiligen, nach dem, das gott
gefellet, oder wil etc. Item Ephe. 3. Der uber-
schwenglich thut uber alles, das wir bitten oder
verstehen.
Ach man sol die christen menschen nicht so
gering achten, wie einen türken, heiden, oder gott-
losen menschen, er ist theuer für gott geacht und
sein gebet ein allmechtig gross ding. Denn er ist
mit Christus blut geheiliget, und mit dem geist
gottes gesalbet; was er ernstlich bittet, sonderlich
mit dem unaussprechlichen seufzen seines herzens,
das ist ein gros unleidlich geschrei für gottes ohren,
er mus es hören, wie er zu Mose spricht Exod. 14:
Was schreiestu zu mir? So doch Mose für sorgen

und zittern nicht wol konte zischen, denn er in
der höhesten not war. Solch sein seufzen und
seines herzens gründlich schreien zureis auch das
rote meer, und machts trocken, füret die kinder
Israel hindurch, und erseufet Pharao mit aller
| seiner macht. Das und noch mehr kan thun und
thut ein recht geistlich seufzen, denn Mose wuste
auch nicht, was und wie er bitten solt, denn er
| wuste nicht, wie die erlösung solt zugehen, und
I schrei doch von herzen.
Also thet Jesaia wider den könig Sanherib,
und andere viel könige und propheten, die durch
ir ernst gebet unbegreifliche unmügliche ding aus-
gericht haben, des sie sich hernach verwundert,
aber zuvor nicht hetten gott anmuten oder wünd-
schen dürfen. Das heist höher und mehr erlangen,
weder wir beten, oder verstehen, wie S. Paulus
sagt Epli. 3 etc. Also schreibt S. Augustinus von
seiner mutter, das sie für in betet, seufzet, und
weinet, doch nicht weiter begeret, denn das er
möcht vom irthumb der Manicheer bekeret und
ein christen werden. Da gab ir gott nicht allein,
das sie begeret, sondern wie es S. Augustinus
nennet, cardinem desiderii eius, das ist, was sie
mit unaussprechlichem seufzen begeret, nemlich
das Augustinus nicht allein ein christen, sondern
ein lerer uber alle lerer der ganzen christenheit
ward, also, das die christenheit nehest den aposteln
keinen seines gleichen hat.
Und wer wil zweifeln, das die kinder Israel,
so vor dem achten tage unbeschnitten gestorben,
durch irer eltern gebet, auf die verheissung, das
er ir gott hat sein wollen, selig worden sind.
Auch spricht man, gott hat sich an seine sacra-
ment nicht also verbunden (aber durch sein wort
hat er sich mit uns verbunden) das er on dieselben
auch auf ein ander weise, uns unbekand, die un-
getauften kindlein nicht könne selig machen, wie
er denn unter Mose gesetz viel (auch könige) on
gesetze hat selig gemacht, als Hiob, Naeman, den
könig zu Ninive, Babylon, Egypten etc. Gleich-
wol hat er darumb das gesetz offentlich unveracht
wollen haben, ja gehalten haben, mit drauung der
strafe ewiges fluches.
Also halte und hoffe ich, das der gütige barm-
herzige gott etwas gutes denke auch uber diese
kindlein, so on ire schuld und one verachtung
seines offentlichen befehls die taufe nicht erlangen,
doch das er umb der welt bosheit willen nicht
wil noch hat gewolt, das solchs offentlich hat solt
geprediget oder gegleubt werden, auf das nicht
alles, so er ordenet und gebeut, von ir veracht
würde. Denn wir sehen, das er viel gebeut umb
der welt bosheit willen, dazu er die gottseligen
nicht verbindet. Summa der geist wirket alles in
denen, so gott fürchten, zum besten, bei den ver-
kereten aber ist er verkeret.
 
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