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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0018
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Vorwort des Bearbeiters

stadt (Selestat) und Oberehnheim (Obernai) wurde der Aufbau einer evangelischen Pfarrei unterdrückt,
und aus Rosheim wurden die wenigen evangelischen Familien vertrieben. Nicht berücksichtigt werden
konnten im Rahmen dieser Ausgabe die ca. 90 Reichsritterschaften im Unterelsaß, von denen etwa die
Hälfte evangelisch wurde.
Altgläubig blieben die Gebiete des Straßburger Bischofs und des Domkapitels sowie die Besitzungen
verschiedener Abteien (Andlau, Biblisheim, Maursmünster, Walburg). Auch in den Reichsdörfern der
Landvogtei Hagenau konnte sich der evangelische Glaube nicht durchsetzen.
Nachteilig für die Ausbreitung der Reformation war der Bauernkrieg, der im Elsaß besonders heftig tobte:
Die evangelische Bewegung in Weißenburg wurde durch den Bauernkrieg für ein Jahrzehnt zurückgewor-
fen; in Schlettstadt, wo sich ihr der Pfarrer Paul Phrygio angeschlossen hatte, wurde sie in der Folge ganz
unterdrückt. Eine Reihe von Territorialherren, die der Reformation ursprünglich freundlich gegenüber-
stand, verzichtete auf ihre Einführung und wandte sich wieder dem alten Glauben zu (so Philipp III. von
Hanau-Lichtenberg). Ein Hindernis für die Ausbreitung des Protestantismus bildete die starke Stellung
Habsburgs: Die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim übte in konfessionellen Angelegenheiten
Druck auf die umliegenden Herren und Magistrate aus. Dieser Druck machte sich etwa bei der Entwick-
lung der Reformation in der Herrschaft Rappoltstein bemerkbar. Darüber hinaus setzten die Habsburger
die seit 1558 wieder in ihrem Besitz befindliche Reichslandvogtei im Elsaß (ursprünglich gedacht als Insti-
tution zur Verwaltung der Königsgüter, zur Erhebung von Steuern und zur Entgegennahme des Treueids
der Reichsstädte) gezielt als Instrument zur Unterdrückung der Reformation in den Städten der Dekapolis
ein. Mit dem Hinweis auf die Zugehörigkeit der Städte zur Reichslandvogtei wurde ihre Reichsunmittel-
barkeit in Frage gestellt; ihnen wurde damit auch das Recht abgesprochen, die Reformation auf der Grund-
lage des Augsburger Religionsfriedens einzuführen. Die Einführung der Reformation in Hagenau und in
Colmar entwickelte sich deshalb zu einem erbitterten juristischen Streit. In Colmar steht an ihrem Beginn
ein Gutachten des Straßburger Syndikus Johannes Nervius, in welchem das Recht der Stadt zur Einfüh-
rung der Reformation geklärt wird. Dieses Gutachten ist im Band abgedruckt worden, auch wenn es
eigentlich nicht zu den Kirchenordnungen im engeren Sinne gehört. Der rechtliche Aspekt tritt auch sehr
stark bei den Verträgen hervor, die zwischen den Städten und den ehemaligen Stadtherren geschlossen
wurden: so im Vertrag zwischen dem Stift und der Stadt Weißenburg von 1560 oder in dem zwischen dem
Abt und der Stadt Münster vermittelten Kientzheimer Vertrag von 1575. Diese Verträge bildeten die
Grundlage für die Entwicklung der evangelischen Gemeinde in beiden Orten.
Eine besondere Wirkung auf die Reformation im Elsaß ging von den Städten Straßburg und Basel sowie
vom Herzogtum Württemberg aus. Von Straßburg entsandte Geistliche nahmen führende Stellen beim
Aufbau der Kirche in der Grafschaft Hanau-Lichtenberg ein. Die geistliche Grundlage der hanau-lichten-
bergischen Kirche bildete mehr als ein Vierteljahrhundert lang Martin Bucers „Einfaltigs Bedencken, wor-
auf eine christliche, im Wort Gottes gegründete Reformation [....] anzurichten sei“, das der Straßburger
Reformator ursprünglich für den Kölner Erzbischof Hermann von Wied entworfen hatte. Erst 1573 trat an
die Stelle der sogenannten „Kölnischen Reformation“ eine eigene Kirchenordnung, die sich aber wiederum
stark an der württembergischen Kirchenordnung von 1553 orientierte. Stadt und Tal Münster beriefen ihre
Geistlichen mit Vorliebe aus Straßburg. Auch die Stadtschreiber, die überall großen Einfluß auf die Ein-
führung und Durchsetzung der Reformation ausübten, kamen hier aus Straßburg. Für die evangelischen
Orte im Elsaß bildeten die Syndici der Stadt Straßburg die bevorzugten Ansprechpartner in allen mit der
Reformation verbundenen juristischen Fragen.
In Mülhausen, das aus der Dekapolis ausgetreten war und sich 1515 der Eidgenossenschaft angeschlos-
sen hatte, ist die Reformation hingegen sehr stark durch das benachbarte Basel geprägt. So orientierte man

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