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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0094
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Grafschaft Hanau-Lichtenberg

uns, ir alß die gehorsame unsers G[nedigen] H[erren]
unterthanen ohn beschwerd thun werden.
So aber etwas strefflichs, sonderlich im Catechismo,
befunden, so wirdt dasselbig auch angezeigt und die
besserung befohlen, ongefehrlich auff dise weiß:
Wir haben die Predig und Catechismum
gehöret, befinden aber grossen mangel an den Jun-
gen und Alten, nemlich, daß sie nit beten können,
welches einem Christen menschen sehr ubel ansteht,
und darab unser G[nediger] H[err] ein ungnedigs
und groß mißfallens wird haben. Derhalben wir
euch ernstlich vermanen, hinfurt euch zu bessern
und den Catechismum fleißiger besuchen und ler-
nen, welches wir zu euch uns gentzlich versehen.
Nach gethaner diser red beschleust der Pfarherr ge-
melts Orts die gantz handlung mit der Collecten
und Segen.
Nach dem morgen essen werden alß bald der Pfar-
herr, Schulthes, Heimburger221, Gerichtsschöffen
und Censores erfordert und vom geistlichen Visita-
tor auff folgende weiß ongefehrlich angeredt:
Lieben freundt, Ihr habt heut morgen in der
Kirchen von N., unsers G[nedigen] H[erren] Rath,
gehört, welcher |64| gestalt und von wes wegen wir
von unserm G[nedigen] H[erren] alher abgefertiget
sein, nemlich, das wir die Kirchen besehen222 und, da
etwas were zuverbessern, das gut zu fürdern, das
böß abzustellen, daß wir allen möglichen fleiß für-
wenden sollen, Welchem befehl wir auch nachzuset-
zen gedencken. Derhalben wir euch hieher erfordert,
begerend, das ir uns auff die Artickel, so wir euch
vorhalten werden, warhafftigen bericht, niemand zu
lieb oder zu leid, geben wöllen.
221 Hier wohl: Mitglieder des Gemeindevorstands, s.
FWb 7, Sp. 1520 und DRW 5, Sp. 592 (in beiden Arti-
keln wird auf die sehr unterschiedliche Ausgestaltung
des Amtes hingewiesen).
222 Prüfen, s. FWb 3, Sp. 1806f.
223 Beschimpfen.
224 Sich raufen, balgen, s. Grimm, DWb 14, Sp. 1531.
225 Verständig, gelehrig, s. FWb 6, Sp. 745.
226 Für gut.

So nun der Pfarherr sampt den andern solchs zu
thun versprechen, werden sie alle abzutreten gewi-
sen und darnach der Pfarherr allein gefordert und
von disen Artickeln befraget:
1. Ob die Pfarkinder fleißig zur Kirchen gehen, in
der Predig bleiben, das Sacrament gern und offt ge-
brauchen, Ine, den Pfarherr, der gebür nach lieben
und ehren, Oder ob sie die Kirch, Gottes Wort und
Sacramenten verachten, ihne oder andere Kirchen-
diener schmehen oder schenden223.
2. Ob auch unter den Pfarkindern irrthumb sey
im Glauben, alß Papistisch, Zwinglisch, Widerteuf-
fer und dergleichen.
3. Ob die Pfarkinder sich nach empfangnem
Nachtmal volsauffen, spielen, zancken, hadern,
ropffen224, schlagen, tantzen, fluchen oder ander
leichtfertigkeit treiben. |65|
4. Ob Zauberey Segen mit krancken Kindern,
Viehe oder sonst getriben werde.
5. Ob etlich nöch Walfarten gehn.
6. Ob fluchen, schweren, Gottslestern getriben
werde.
7. Ob die Eltern ire Kinder daheimen zum beten
zihen abends, morgens und zum Tisch, Item zur
Predig, sonderlich zum Catechismo, und nicht viel
mehr zum müßiggang und leichtfertigkeit.
8. Ob die Kinder züchtig, gelernig225 und der El-
tern Christliche, auch notwendige, nützliche ver-
manung vergut226 nemen und folgen.
9. Ob Eheleut uneins, zweytrechtig sein oder
sonst ubel leben, Item Ehebruch, Hurerey, verlauf-
fen227, schampare wort228 getriben und verdechtige
Kunckelstuben229, Geselschafft, nacht Dentze und
dergleichen gehalten werden.
10. Ob auch wucher, fürkauff und steige-
rung230 getriben werde.
227 Untreu werden (weglaufen), s. Grimm, DWb 25,
Sp. 740f.
228 Unzüchtige Reden, s. Grimm, DWb 14, Sp. 2120 (s.v.
schamper).
229 Spinnstuben, s. Grimm, DWb 11, Sp. 263. Zur Bedeu-
tung und zum oft zweifelhaften Ruf der Spinnstuben vgl.
HWDA 7, Sp. 754-761 (s.v. Rockenstube).
230 Erhöhung des Preises, s. Grimm, DWb 18, Sp. 1941
und 1943f., aber auch Versteigerung, s. Wb. d. elsäss.
Mundarten 2, Sp. 579.

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