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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0093
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6. Kirchenordnung 1573

Wo aber keine Schulen sein, sol dennoch der Pfar- vermanung thun und darnach mit dem Gebet und
herr mit der Leich gehen und auff oberzelte weiß ein Segen beschliessen.

X. Von der Visitation.
Welcher gestalt die Visitation der Kirchen, Item die Synodi
mit den Pfarherrn gehalten werden sollen

Das die Visitation der Kirchen ein Gottselig, nütz-
lich und notwendig werck sey, ist niemand verbor-
gen. Derhalben solche Visitation alle jar im Früling
zwischen Ostern und Pfingsten gehalten und darzu
ehrliche |61| Personen, Geistlich und Weltlich, von
der Oberkeit, auch in einem jeden Ampt der Ampt-
man, fürnemste Pfarherr und Kirchenschaffner, ge-
zogen sollen werden.
Die form aber der Visitation sol folgender gestalt
gehalten werden:
In einer jeden Pfarr sollen die Visitatores einen
gantzen tag verharren. Erstlich sol vor Mittag der
Pfarherr der Stadt, Flecken oder Dorffs in der Kir-
chen sein Ceremonien, Geseng und Predigen halten,
allermassen wie er sonst am Sontag pfleget. Nach
der Predig und Gesang sollen die geistlichen Visita-
tores den Catechismum fragen und sehen, ob die
Leut, besonders die Jugent, beten könne, sie auch
vermanen, daß sie gern beten, das Nachtmal des
Herren offt und mit einem verstand brauchen, son-
derlich aber fleiß ankeren, damit die Kinder und
jung Volck fein züchtig und verstendig, nicht le-
cherlich215, zu behend216 oder dergleichen beten ler-
nen.
So der Catechismus gehört ist, sol der weltlich Vi-
sitator das gantz Volck anreden, ohngeferlich mit
disen oder dergleichen worten:
Lieben freundt und Christen, Der Wolgeboren,
unser Gnediger Herr, Herr Philips, Graff zu Hanaw
und Herr zu Liechtenberg, hat auß schüldiger
pflicht und Amptserforderung euch, seinen lieben
Unterthanen, das Evangelium nun etlich Jar durch
trewe, gottselige Prediger lassen fürtragen und |62|

verkündigen, angesehen, das21, ire Gnaden nit we-
niger der Unterthanen Seelen seligkeit alß leiblichen
schutz und schirm zubedencken schuldig. Damit
aber ire Gnaden möchten sehen, wie solche I[hrer]
G[naden] gehabte mühe und sorg angelegt, haben
dieselbige itziger zeit und auff den heutigen tag
I[hrer] G[naden] Amptman, Räth und Diener,
Geistlich und Weltlich, hieher verordnet, dasselbig
zuerforschen.
So haben wir demnach itzunder ewres herrn Pfar-
herrs Predig und Ceremonien, Item den Catechis-
mum und wie ewer jugent in Gottes Wort unter-
wisen, angehört, an dem wir ein zimlich wolgefallen
tragen, wöllen auch solches unserm G[nedigen] H[er-
ren], wie billich, anzeigen, der tröstlichen zuver-
sicht, I[hro] G[naden] werden auch sehr wol zufriden
sein. Darneben aber sollen ihr Eltern, Vater und
Mutter, Meister und Frawen mit fleiß anhalten, das
ewer Kind und Gesind in der lernung des Catechis-
mi fortfaren und das jenig, so ihnen daran noch
manglet, gentzlich außlernen. Demnach218 auch
noch etlich sachen der Kirchen zu gut sollen gehan-
delt werden, so ist im namen unsers G[nedigen]
H[erren] unser ernstlich befehl, das die Gerichts Per-
sonen, Kirchenschöffen und Censores nach dem
morgenmal sich finden lassen. Die andern, Man und
Weiber, mögen heimzihen und irer arbeit war-
ten219, doch dergestalt, da jemands auffs Feld ginge,
daß er daheimen bescheid |63| lasse, wa er, do man
seiner bedürfftig und in beschicken220 müste, zufin-
den were. Letzlich, das alle Bürger und einwohner
auff den Abend, umb vier oder fünff Uhren ongefer-
lich, so ir die Glocken hören, wider unter die Laube
oder Stuben zusammen. Solches alles versehen wir

215 Unverständlich, s. FWb 9, Sp. 19. 218 Weil, s. FWb 5, Sp. 416f.
216 Zu schnell, s. FWb 3, Sp. 790. 219 Ihrer Arbeit nachgehen.
217In Anbetracht der Tatsache, daß, s. FWb 1, Sp. 1161f. 220 Holen, rufen lassen, s. FWb 3, Sp. 1675f.

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