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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0096
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Grafschaft Hanau-Lichtenberg

Unter diser handlung sol die Glock geleutet und die
Gemein zusammen beruffen werden. So dieselbig
nun vorhanden, sol der geistlich Visitator in beisein
der andern das Volck anreden und die mengel nach-
einander erzelen und, warumb ein jeglichs unrecht
oder unleidlich, erkleren, mit ernstlicher verma-
nung, davon abzustehn und sich besserlich zu hal-
ten. Wo nicht, so sol der Pfarherr beneben239 dem
Schulthessen und Censoribus das Jar uber etlich
mal, so offt die notturfft erfordert, zusammen kom-

men und die Personen, so lasterhafftig befunden,
Erstlich mit worten zur besserung vermanen und, so
solchs nichts außrichtet, nachmals umb ein 1 ß d.
oder nach gelegenheit der sachen straffen, welches
gelt den armen außgeteilt sol werden, Und da einer
oder mehr so verrucht und gottloß erfunden, das er
auch durch dise straff nit abzustehn begert, den Vi-
sitatorn angezeigt, damit gegen solchem grösserer
ernst fürgewendet werde. Und also letzlich in Gottes
Namen hinzihen lassen. |69|

XI. Von den Synoden oder Capiteln der Pfarherrn

Da unser lieber Herr und Heyland Jhesus Christus
an seinem letzten end im Garten seine Jünger ver-
manet, sie sollen wachen und beten, daß sie nicht in
versuchung fallen240, hat er an seinen schlaffenden
Jüngern wol gesehen, wie es mit der zeit umb die
liebe Kirch stehen und wie dieselbig durch den Teuf-
fel, die Welt, allermeist aber durch hinleßigkeit241
der Prediger, jemerlich und elendiglich verderbet
würde werden, Wie dann, die warheit zusagen, alles
jamer und ubel in der Kirchen anfenglich und ur-
springlich von der Kirchen dienern herkommen,
Derhalben die lieben Apostel und alten Väter Visi-
tationes und Concilien, entweder dem künfftigem
ubei zu wehren oder daß böse, so gegenwertig, ab-
zustellen, wie wir Acto. 6 [1-3], 15 [6-29] und an
mehr orten sehen, verordnet und gehalten, Welchem
exempel wir auch billich nach sollen folgen.
Derwegen für gut, nützlich und notwendig angese-
hen, alle Jar in dem September zween unter- |70|
schiedliche Synodos in der Herrschafft Liechten-
berg, uns, Philipsen dem Eltern, Graffen zu Hanaw
und Herrn zu Liechtenberg, zustendig, zuhalten, ei-
nen zu Wilstet, an welches ort die Pfarherr gemelts
Ampts und die im Ampt Lichtenaw, auff einen ge-
wissen tag zukommen, bescheiden242, Den andern

239 Hier: zusammen mit.
240 Mk 14,38par.
241 Fahrlässigkeit, Nachlässigkeit, s. DRW 5, Sp. 1018;
Gleichgültigkeit, s. Wb. d. elsäss. Mundarten 1, S. 612.
242 Die beiden Ämter Willstätt und Lichtenau lagen auf der
rechten Rheinseite.

aber in der wochen darnach zu Buchßweiler, dahin
desselben, Item Balborner und Hattgawer Ampts
Pfarherrn erfordert sollen werden.
So dieselbigen auff bestimpten tag verhanden, sol
zuvor ein Predig, so zur sachen dienstlich, in der
Kirchen geschehen. Nach beschener Predig sollen
die Pfarherr allean das orth, da sie hin bescheiden,
sich verfügen und ein jeglicher nach der ordnung des
Fleckens, darin er Pfarherr ist, gesetzt werden. Alß
dann sol die weltlich Person, unsers G[nedigen]
H[errn] Rath, so darzu geordnet sein wird, anzeigen,
auß was ursach sie die Pfarherr beschriben243 und
wie man fürhabe, mit inen ein freundtlichs, gottse-
ligs, nicht zenckisch oder Captioß244 gesprech zuhal-
ten, derhalben sie willig und gern bey solchem ge-
genwertig sein und Christliche antwort geben sollen.
Nachmals sol die verordnet geistlich Person die sa-
chen mit einem Lateinischen Gebet zu Gott |71| an-
fahen und, so dasselbige volendet, ein stück Christ-
licher Lehr für sich nemen und damit ordentlich
procediren, alle spitzfindige, listige und seltzame
fragen vermeiden, allein, was Gottselig, Christlich
und ad aedificationem dienstlich, auffs freundt-
lichst, ohn alle bitterkeit, rachgirigkeit, suchung eig-

243 Eingeladen, zum Kommen aufgefordert, s. FWb 3,
Sp. 1747f.
244 Von lat. captiosus - verfänglich, arglistig.

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