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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0115
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Einleitung

der Herrschaft an Egenolph bemühten sich Erb und König, ihn zur Einführung der Reformation zu bewe-
gen. Erb wandte sich im März 1554 wegen eines Predigers für Rappoltsweiler sogar an Bullinger. Im März
1555 äußerte er in einem Schreiben an diesen aber seine Enttäuschung über die unschliissige Haltung
Egenolphs20. Da er nachteilige Folgen für die Herrschaft fürchtete, zögerte Egenolph zunächst noch mit der
Einführung der Reformation. Erst der im September 1555 auf dem Augsburger Reichstag geschlossene
Religionsfriede schien ihm eine ausreichende rechtliche Basis zu bieten. Egenolph ließ die Rechtslage durch
seine Räte prüfen und wandte sich in diesem Zusammenhang auch an die Regierung in Mömpelgard21.
Während diese ein Reformationsrecht Egenolphs bejahte, vertrat die österreichische Regierung den Stand-
punkt, die Rappoltsteiner seien keine Landesherren, weil der Großteil ihres Territoriums aus Lehen bestehe.
Damit finde auch der entsprechende Artikel des Religionsfriedens auf sie keine Anwendung22.
Auf dem Schloß in Rappoltsweiler fand seit 1555 evangelischer Gottesdienst durch einen Basler Prediger
statt, zunächst nur für die Herrscherfamilie und das Gesinde, später dann auch bei offenen Türen für die
Bevölkerung. Nach der Übersiedlung Matthias Erbs 1561 hielt dieser die Hofgottesdienste. Erb wurde
darüber hinaus zum wichtigsten theologischen Berater des Herren von Rappoltstein, bis er 1571 auf dem
Schloß starb. Egenolph stand aber wie seine Mutter Anna Alexandrina auch in brieflichem Kontakt zu
Heinrich Bullinger. 1562 entsandte er zwei Theologiestudenten zu Bullinger nach Zürich23. Auf Erbs Drän-
gen hin berief Egenolph 1563 den aus Staufen i. Br. stammenden Georg Federlin (Pennarius) zum Hof-
prediger. Am 18. April 1563 hielt Federlin seinen ersten Gottesdienst in der Schloßkirche24.
Neben Rappoltsweiler gab es auch an anderen Orten der Herrschaft Rappoltstein das Bestreben nach
evangelischem Gottesdienst, das die österreichische Regierung in Ensisheim aber im Keime zu ersticken
suchte. Wie eng der Handlungsspielraum war, zeigte sich bei dem Versuch Egenolphs IV., die Reformation
in dem Dorf Heiteren einzuführen. Das südlich vom heutigen Neu-Breisach (Neuf-Brisach) gelegene Amt
Heiteren war vom übrigen rappoltsteinischen Gebiet getrennt und bestand zum überwiegenden Teil aus
Lehen der Abtei Murbach und des Hauses Österreich. Auf die Weisung Egenolphs hin hielt der Heiterner
Pfarrer Jakob Spaler ab November 1555 evangelischen Gottesdienst. Darüber hinaus verheiratete er sich.
Die Regierung in Ensisheim forderte daraufhin die umgehende Abberufung Spalers. Als Egenolph der
Forderung nicht nachkam, setzten österreichische Reiter am 29. Februar 1556 Spaler und seine Frau gefan-
gen. Die Pfarrei Heiteren wurde mit einem katholischen Priester besetzt. Spaler aber kam erst auf die
ausdrückliche Fürsprache Egenolphs hin wieder frei. In einem Schreiben vom 2. März 1556 beschuldigte die
österreichische Regierung Egenolph der Unterstützung der Häresie gegen die kaiserlichen Anordnun-
gen25.
Vielfach wichen die Bewohner der Herrschaft Rappoltstein in benachbarte Orte aus. So besuchten die
Bewohner von Zellenberg, nachdem ihnen die Teilnahme an den Gottesdiensten, die die Herrscherfamilie
und der Hof in der zum Schloß Zellenberg gehörenden Michaelskapelle feierten, auf mehrfachen Protest des
Straßburger Bischofs hin untersagt werden mußte, die Gottesdienste in Hunaweier, das zum württember-
gischen Reichenweier zählte. Die Bewohner der Dörfer Günsbach (Gunsbach) und Griesbach (Griesbach-

(1861), S. 36-51, dazu die Ergänzungen und Verbesse-
rungen in Lina Baillet, Le catalogue de la biblio-
thèque des Ribeaupierre selon Charles Bartholdi, in:
Bulletin de la Société d’Histoire et d’Archéologie de
Ribeauvillé 20 (1959/60), S. 9-14.
20 Vgl. die bei Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 352
angeführten Briefe aus dem Thesaurus Baumianus XXI.
21 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 352f.
22 Vgl. dazu die in Süss, Geschichte, S. 13, Anm. 1 zitierte
Stelle aus einem Brief Ferdinands I. vom 5. Mai 1562:
„Du hast dich [...] auf den Religionsfrieden des Reichs

und der Landfürsten berufen, welcher dich doch nichts
angeht, denn du kein Landesfürst, sondern Unserer Lan-
desfürstlichen Obrigkeit Hintersaß bist.“
23 Vgl. Süss, Geschichte, S. 15-17; Adam, Kirchenge-
schichte Elsaß, S. 353f.
24 Vgl. Süss, Geschichte, S. 17f.; Adam, Kirchengeschichte
Elsaß, S. 354.
20 Die Episode ist anhand verschiedener Schreiben Mat-
thias Erbs an Bullinger ausführlich bei Süss,
Geschichte, S.13-15 geschildert.

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