Herrschaft Rappoltstein
Vermutlich nicht lange Zeit nach diesem Schreiben der französischen Bewohner kam Arnaud Banc als
neuer Prediger in das Lebertal. Banc war nach 1548 einige Jahre Helfer von Pierre Viret in Lausanne
gewesen. Calvin selbst hatte ihn für das Predigtamt der reformierten Gemeinde im Lebertal vorgeschla-
gen73. Nach der Ankunft von Banc scheinen die Spannungen zwischen der deutschen und der französischen
Gemeinde deutlich zugenommen zu haben. Egenolph ordnete deshalb eine Versammlung von Vertretern der
beiden Gemeinden im Gerichtshaus von Markirch an. Diese fand am 28. Mai 1561 statt. An ihr nahmen auf
seiten der deutschen Gemeinde der Landrichter, der Pfarrer Peter Hoger und einige Bergwerkseigentümer
teil, auf seiten der französischen Gemeinde Arnaud Banc und vier Älteste. Bei dieser Zusammenkunft galt
es zu klären, ob eine Einigung zwischen den beiden Gemeinden in Fragen des Bekenntnisses und der Zere-
monien möglich sei74. Auf solch eine Einigung hatte Matthias Erb den Herrn von Rappoltstein in einem
Brief aus Reichenweier vom 26. Januar 1561 gedrängt. Dabei spielte nicht zuletzt auch die Sorge vor einem
Eingreifen der österreichischen Regierung in Ensisheim eine Rolle, die das Existenzrecht der französischen
Gemeinde nicht anerkannte75.
Bei der Zusammenkunft im Gerichtshaus von Markirch trug Banc zunächst seine Bedenken gegen die
Verpflichtung seiner Gemeinde auf die Confessio Augustana vor; dabei argumentierte er ähnlich wie 1553
und 1554 Jean Garnier in Straßburg76 mit der Kürze und der fehlenden Erklärung einzelner Artikel der
Confessio Augustana. Den zwischen Lutheranern und Reformierten umstrittenen Art. 10 vom Abendmahl
wollte Banc vom Art. 13 her gedeutet wissen, weil dort die Sakramente als Zeichen und Zeugnisse verstan-
den werden und den Glauben voraussetzen (vgl. dazu auch Nr. 6, S. 128), den Art. 11, in welchem an der
Privatbeichte festgehalten wird, vom Art. 25 mit seiner Forderung nach Beseitigung der Mißstände der
bisherigen Beichtpraxis (wie z.B. der Aufzählung der einzelnen Sünden). Banc selbst versteht Beichte und
Absolution als Bekenntnis des Glaubens und als Erforschung der Lehre und des Lebens vor dem Gang zum
Abendmahl. Nach der von ihm gegebenen Darstellung der bisherigen Praxis in der französischen Gemeinde
wurde jedes Gemeindeglied zwei Wochen vor dem Termin des Abendmahls von den Ältesten auf seine
Würdigkeit hin überprüft. Die erstmals am Abendmahl teilnehmen wollten, mußten sich der Gemeinde
anzeigen und vor dieser öffentlich ihren Glauben bekennen. Bei den Zeremonien sprach sich Banc mit
Berufung auf die Art. 7 und 25 der Confessio Augustana für Freiheit bei deren Gestaltung aus.
Die deutsche Gemeinde forderte bei der Versammlung in Markirch von der französischen Kirche hin-
gegen die vorbehaltlose Unterschrift unter die Confessio Augustana, die Übernahme der bei ihr gebräuch-
lichen Zeremonien, die Anerkennung ihres Vorrangs und entsprechend ihre Zustimmung bei der Einführung
von Neuerungen.
Einen Tag nach der Versammlung im Gerichtshaus in Markirch reichte die Bergwerksgesellschaft eine
Beschwerdeschrift bei Egenolph IV. ein wegen des massiven Zustroms Fremder in das Tal. Darin klagte sie,
daß sich unter den Zugewanderten eine große Anzahl von Sektierern befänden, die eine Gefahr für den Ruf
der ordentlichen Bürger und Einwohner des Tales darstellten. Von Egenolph forderte sie die Ausweisung all
derjenigen Personen aus dem Lebertal, welche die Augsburger Konfession nicht anerkennen wollten77.
Bei einer Gemeindeversammlung am 1. Juni erklärte sich die französische Kirche zur Annahme der
Confessio Augustana bereit, wenn die Art. 10 und 11 gottseliglich unnd, recht ausgelegt würden. Bei den
Zeremonien beharrte sie auf ihrer Freiheit. Die Forderung nach einer Unterordnung unter die lutherische
Gemeinde wies sie zurück.
das von König Ludwig XIV. durchgesetzte Simulta-
neum wurde in der Kirche auch wieder die Messe gefei-
ert.
73 Vgl. Muhlenbeck, Histoire, S. 7.
74 Zu dieser Zusammenkunft im Gerichtshaus in Markirch
und der folgenden Versammlung der französischen
Gemeinde in Eckerich vgl. die Darstellungen in Muh-
lenbeck, Histoire, S. 126-132, Adam, Kirchenge-
schichte Elsaß, S. 359 sowie Denis, Églises, S. 284f.
75 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 359.
76 Vgl. Denis, Églises, S. 545.
77 AD Haut-Rhin E 2076, ediert in Muhlenbeck,
Histoire, S. 402-406.
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Vermutlich nicht lange Zeit nach diesem Schreiben der französischen Bewohner kam Arnaud Banc als
neuer Prediger in das Lebertal. Banc war nach 1548 einige Jahre Helfer von Pierre Viret in Lausanne
gewesen. Calvin selbst hatte ihn für das Predigtamt der reformierten Gemeinde im Lebertal vorgeschla-
gen73. Nach der Ankunft von Banc scheinen die Spannungen zwischen der deutschen und der französischen
Gemeinde deutlich zugenommen zu haben. Egenolph ordnete deshalb eine Versammlung von Vertretern der
beiden Gemeinden im Gerichtshaus von Markirch an. Diese fand am 28. Mai 1561 statt. An ihr nahmen auf
seiten der deutschen Gemeinde der Landrichter, der Pfarrer Peter Hoger und einige Bergwerkseigentümer
teil, auf seiten der französischen Gemeinde Arnaud Banc und vier Älteste. Bei dieser Zusammenkunft galt
es zu klären, ob eine Einigung zwischen den beiden Gemeinden in Fragen des Bekenntnisses und der Zere-
monien möglich sei74. Auf solch eine Einigung hatte Matthias Erb den Herrn von Rappoltstein in einem
Brief aus Reichenweier vom 26. Januar 1561 gedrängt. Dabei spielte nicht zuletzt auch die Sorge vor einem
Eingreifen der österreichischen Regierung in Ensisheim eine Rolle, die das Existenzrecht der französischen
Gemeinde nicht anerkannte75.
Bei der Zusammenkunft im Gerichtshaus von Markirch trug Banc zunächst seine Bedenken gegen die
Verpflichtung seiner Gemeinde auf die Confessio Augustana vor; dabei argumentierte er ähnlich wie 1553
und 1554 Jean Garnier in Straßburg76 mit der Kürze und der fehlenden Erklärung einzelner Artikel der
Confessio Augustana. Den zwischen Lutheranern und Reformierten umstrittenen Art. 10 vom Abendmahl
wollte Banc vom Art. 13 her gedeutet wissen, weil dort die Sakramente als Zeichen und Zeugnisse verstan-
den werden und den Glauben voraussetzen (vgl. dazu auch Nr. 6, S. 128), den Art. 11, in welchem an der
Privatbeichte festgehalten wird, vom Art. 25 mit seiner Forderung nach Beseitigung der Mißstände der
bisherigen Beichtpraxis (wie z.B. der Aufzählung der einzelnen Sünden). Banc selbst versteht Beichte und
Absolution als Bekenntnis des Glaubens und als Erforschung der Lehre und des Lebens vor dem Gang zum
Abendmahl. Nach der von ihm gegebenen Darstellung der bisherigen Praxis in der französischen Gemeinde
wurde jedes Gemeindeglied zwei Wochen vor dem Termin des Abendmahls von den Ältesten auf seine
Würdigkeit hin überprüft. Die erstmals am Abendmahl teilnehmen wollten, mußten sich der Gemeinde
anzeigen und vor dieser öffentlich ihren Glauben bekennen. Bei den Zeremonien sprach sich Banc mit
Berufung auf die Art. 7 und 25 der Confessio Augustana für Freiheit bei deren Gestaltung aus.
Die deutsche Gemeinde forderte bei der Versammlung in Markirch von der französischen Kirche hin-
gegen die vorbehaltlose Unterschrift unter die Confessio Augustana, die Übernahme der bei ihr gebräuch-
lichen Zeremonien, die Anerkennung ihres Vorrangs und entsprechend ihre Zustimmung bei der Einführung
von Neuerungen.
Einen Tag nach der Versammlung im Gerichtshaus in Markirch reichte die Bergwerksgesellschaft eine
Beschwerdeschrift bei Egenolph IV. ein wegen des massiven Zustroms Fremder in das Tal. Darin klagte sie,
daß sich unter den Zugewanderten eine große Anzahl von Sektierern befänden, die eine Gefahr für den Ruf
der ordentlichen Bürger und Einwohner des Tales darstellten. Von Egenolph forderte sie die Ausweisung all
derjenigen Personen aus dem Lebertal, welche die Augsburger Konfession nicht anerkennen wollten77.
Bei einer Gemeindeversammlung am 1. Juni erklärte sich die französische Kirche zur Annahme der
Confessio Augustana bereit, wenn die Art. 10 und 11 gottseliglich unnd, recht ausgelegt würden. Bei den
Zeremonien beharrte sie auf ihrer Freiheit. Die Forderung nach einer Unterordnung unter die lutherische
Gemeinde wies sie zurück.
das von König Ludwig XIV. durchgesetzte Simulta-
neum wurde in der Kirche auch wieder die Messe gefei-
ert.
73 Vgl. Muhlenbeck, Histoire, S. 7.
74 Zu dieser Zusammenkunft im Gerichtshaus in Markirch
und der folgenden Versammlung der französischen
Gemeinde in Eckerich vgl. die Darstellungen in Muh-
lenbeck, Histoire, S. 126-132, Adam, Kirchenge-
schichte Elsaß, S. 359 sowie Denis, Églises, S. 284f.
75 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 359.
76 Vgl. Denis, Églises, S. 545.
77 AD Haut-Rhin E 2076, ediert in Muhlenbeck,
Histoire, S. 402-406.
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