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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0130
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Herrschaft Rappoltstein

IIII.
Es werdent auch die laster nymer recht gebessert,
dan so man christenliche zucht | und erbarkeit pflan-
czet in der juget, wie der poet sagt: Das man zum
ersten in ein gescher schuttet, nach dem schmacket
es allwegen9. Lert man guts, so gat es nit on fruch-
ten ab. Leret man Christum in der jugent, so wirt
deß hercz, von Gott gezogen, auch Christum erken-
nen und bezeugen.
V.
Und so die oberkheit in ierem ampt treulichen und
nach allem vermögen ir ampt fleissig mit trewen
schulmeistern und rechten predigern ußrichtet, wirt
sie haben ein gnedigen Gott, Gottes segen in allem
zeittlichen, gluck und heil in ierem regiment, frid
und einigkeit, guts gewißne, auch bestendige fürder-
nuß und langwirigkeit10 ierer nachkomenden. Wa
nit, so khan Gott, wie die exempla der heiligen ge-
schriftt clarlich beweisen, solchs alles onversehen-
lich ußreuten11 und stürczen.
Befelch eins christenlichen schulmeisters, so zu
Rapoltswir mochte angnomen werden
Erstlichen soll ein schulmeister gutte zeugnuß ha-
ben und der waren christenlichen religion be-
richt12 und günstig sein.
Darnach solle er bericht und belesen sein gutten
kunsten und sprachen, so nottdurftig zu underwei-
sung der juget, und vor uß deß latins. |
Die weil aber alle studia entlichen sollen dahin
gericht sein, damit Gottes zucht und gottseligkeit
gepflanczet werde und man in kunfftigem möge

d Hs.: moge haben.
9 Vgl. Burkard Waldis, Esopus IV 84, 75-77: Wie der Poet
anzeyget das / Und sagt, wie das ein jeglichs Vaß / Den
erst angenomenen schmag / Behelt gemeynlich all sein
tag. Zitiert nach Burkard Waldis, Esopus. 400 Fabeln
und Erzählungen nach der Erstausgabe von 1548, hrsg.
von Ludger Lieb / Jan Mohr / Herfried Vö-
gel, Berlin / New York 2011, Teil 1: Text, S. 525.
10 Langes Bestehen, s. FWb 9, Sp. 273.

gotsförchtige leut in rethen, in gericht, in stattlicher
und burgerlicher policey habend, sol ein schulmei-
ster, so bald die juget khan lesen, inen ein christen-
lichen cathecismum [sic] fürhalten, vom glouben
und Gottes gebott, und sie deß selbigen christenlich
berichten und daß uff den Sampstag und Sonnentag.
Alle tag soll er vier lection halten: erstlich nach
den sechsen am morgen, dan nach den achten, dar-
nach zu zwelffen und trey uren.
Es sollent auch die knaben zum tag zweimal die
geschrifften zeigen, zu neunen und zu treyen, denen
der schulmeister alle Mitwuchen und Sampstag solle
fürschriben13 etc.
Am Möntag und Donderstag mag er nach den
zwelffen urlaub geben, auch, so sich andere ursach
geben, als zu herbst zeitten und in anderer arbeit.
Mit den fiertagen mag er sich halten nach be-
felch seines herren von Rapoltstein.
Am Sonnentag, so man das erst zeichen zu der
kilchen leutet, solle die juget pflichtig sein, in die
schul komen. Da solle er mit inen den christlichen
cathecismum exerciren, | christenliche psalmen und
lieder singen biß das pfaffen ampt14 inn der pfarr uß
ist.
So er nun gelerte knaben uberkhem und classes
anrichtet, solle er die lectiones zu jeden zeitten, so
nottwendig ist, mit wissen eines secretary, so gelert,
oder anderer verstendigs zur besserung enderen etc.
So aber der barmherczig Gott gnad gibt, das in
der pfar das h. Gottes wort gepredigt und zugelas-
sen wurde15, solle er die juget die musicam berichten
und allda die Psalmen vor und nach der predig an-
fahen und mit der juget und gmein singen.
Es solle auch ein schulmeister gwalt haben, die
kinder mit der ruten vetterlichen zu züchtigen umm
unfleiß und unzucht. Und wer solchs nit leiden wölte,

11 Auslöschen, vernichten, s. FWb 2, Sp. 1240f.
12 Unterrichtet, s. FWb 3, Sp. 1491-1493.
13 Der Lehrer schrieb den Schülern einen Text vor, den die-
se dann nachzuschreiben hatten.
14 Die (katholische) Messe.
15 In der Pfarrkirche in Rappoltsweiler wurde noch die
Messe gefeiert. Zur begrenzten Zahl von Orten in der
Herrschaft Rappoltstein, an denen evangelischer Gottes-
dienst gehalten werden konnte, vgl. die Einleitung
S. 95f.

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