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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0145
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6. Bericht des Predigers Pierre Marboeuf über die Lehre der französischen Gemeinde [1560]

6. Bericht des Predigers Pierre Marboeuf über die Lehre der französischen Gemeindea

[1560]
Kurtze und einfaltige erklärung der lehr christlichen glaubens,
so zu Markirch vonn Pettro Marbeuf1, prediger des wortt
Gottes daselbst, verkündiget und bestettiget2 wurdt

Sintenmall3 das fürnembste hauptstuck der waren
christlichen religion ist, das wir zu Christo, unnserm
heillandt, komen sollen, damitt wir, so vonn natur
verloren seind, durch ihn unser heill wider möchten
erlangen, ist mir nichts angenemers dann ein reine
unnd einfaltige lhere vonn Christo, welche da ver-
kündiget die buß unnd verzihung der sünden deren-
halben. Damitt mein lere nicht als ein ungewiß oder
unordenlich verargwohnt4 werde, hab ich mir lautt
seines gebotts diese zwey stück fürgestellet.
[1.] Unnd auff das ich solchs möge desto besser zu
verstehn gebenn, sag unnd bestettig ich offendtlich,
das die menschliche natur gantz und gar verstöret
seye, jedoch also, das solchs mitt nichten dem
schöpffer, sonder der verargtenn5 nattur seye zuzu-
eignen, sintemall es auß Gottes zeügnuß selbst of-
fenbar ist, das unser erster vatter Adam sampt Eva
zum ebenbild Gottes6, das ist theilhafftig seiner
güetter unnd inn allenn dingen volkommen, | seye
erschaffenn wordenn, vonn welcher erschaffung
aber, als er freywillig abgevallen, ist er in sünde ge-
rathen, welche sich nachmals uber alle menschen er-
strecket zur verdamnuß dermassenn, das alle die
jhenigen, so vonn disem herkomen seind, vonn na-
tur kinder des zorns7 unnd mitt sünden beflecket

geboren werden, umb welche sie auch billich von
Gott verworffenn unnd verdampt werden, als dem
nichts dan gerechtigkeitt, unschuld unnd heilligkeitt
angenem ist, welche nirgendt inn so verkherttem
unnd zu sünden geneigtem menschen mag erfunden
werdenn8.
Zum andern underweise ich auß dem gesatz Gottes,
welchs Gottes gerechtigkeitt, güettigkeitt und der
menschen boßheitt gnugsam anzaigett unnd uns alle
der sünden beschuldiget, dieweill niemandt ist, der
guotts thue, ja, auch nicht einer9. Auff solche weiß
nun bereitte ich mir den weg zu bußpredigt, auff das
der mensch ware reu empfinde unnd sich zu Gott
bekere, welcher allein gerecht ist unnd den gottlosen
gnedigklich gerecht macht durch die erlösung in
Jhesu Christo.

[2.] Demnach zihe ich das ander stuckh an von der
verzihung der sünden, damitt ein yeder lerne unnd
verstehe, was vonn der gnad, was auch vonn der
gerechtmachung und was endtlich vonn dem glau-
ben zuhaltenn, vonn welchem ich sage, das er die
einig weg seye zur gerechtigkeit und seligkeit, | die-

a Textvorlage (Handschrift): AD Haut-Rhin 1 E 83 / 157
(ohne Blattzählung). Abdruck: Muhlenbeck,
Histoire, S. 465-470.

1 Pierre Marboeuf (Marbeuf) soll nach dem Bericht von
Rouget aus Frankreich nach England geflohen sein.
Möglicherweise kam er 1554 in die Grafschaft Mömpel-
gard. 1556 hielt er sich in der Nähe von Altweier (Au-
bure) auf. Er wurde der Nachfolger von François de
Morel. Auf ihn geht die Organisation der französischen
Kirche im Lebertal zurück. Mit Calvin stand er in brief-

licher Verbindung. † 1560. Vgl. Bopp, Geistliche,
Nr. 3354; Denis, Églises, S. 277-281 sowie die Einlei-
tung, S. 101.
2 Für gültig erklärt, anerkannt, s. FWb 3, Sp. 1982f.
3 Weil, s. Grimm, DWb 16, Sp. 1211.
4 Verdächtigt, s. Grimm, DWb 25, Sp. 85.
5 Verderbten, s. Wb. d. elsäss. Mundarten 1, S. 66.
6 Vgl. 1Mos 1,27.
7 Vgl. Eph 2,3.
8 Vgl. Nr. 4, Art. 3 und 4.
9 Ps 14,3 und 53,4 sowie Röm 3,12.

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