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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0150
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Herrschaft Rappoltstein

welchem nich[t]s dan gerechtigkeytt, unschuld und rei-
nigkeytt gar angenem ist, die dan bey dem gantz ver-
derbten menschen, der für und für zu sündt geneigt, nit
zufinden sein.
Darumb nim ich für das erst das gesatz under die handt,
daraus die gerechtigkeytt Gottes und hergegen die ver-
khertte artt des menschen klärlich erkant würdt, durch
welches gesatz wür von sünden zur verdamniß überwun-
den worden, angesehen, das keiner kein gutes thutt, ja
nitt einer. Also bereitte ich den weg zur buspredig, auff
das, wan sich der selbs misfelte, zu Gott bekhere, der |
allein gerecht ist und den besen [Bösen] aus lauter güette
durch die erlösung seins sohns Jesu Christi gerecht
macht.
[2.] Demnach lege ich das ander stückh für, das ich mir
vorgenomen hab, nämlich die verzeihung der sünden,
darmit der mensch lerne verstehn, was gnad, rechtferti-
gung und, lestlich, was glaub seye, welches meiner lehr
nach der einig pfad der gerechtigkeytt Gottes ist, durch
zeügnus des gesatzes und der propheten geoffenbaret,
durch den glauben in Jhesum Christum allen und über
alle, die da glauben.
[3.] In disem erkläre ich weüttleüffig, wer der Jhesus
Christus seye, was sein thun von anbegin gewesen und
noch, von seinen zweien underschidlichen naturen, näm-
lich göttlich und menschlich, in einigkeytt der person,
tractier vollkomenlich von seinem ampt und wie er uns
von Gott, dem vatter, zur weisheitt, gerechtigkeytt, hei-
ligung und erlösung geschenckht sey, hab uns von sun-
den ewiglichen gereiniget durch das einig opffer seines
leibs in dem todt.
Darnach, damit Jesus Christus desto scheinbarlicher er-
kandt wer, so underscheid ich die gottheytt. Und wiewoll
sie eins ist, so erkler | ich doch, in deren drey underschid-
lichen personen zu gleich ewig in einem Gott vatter, sohn
und h. geyst gleich und einiges wesen sein.
Eben den Gott haltt ich für ein schöpffer, erhaltter unnd
regierer der weltt, allso, das on sein will und wissen in
diser weltt nichs geschicht noch geschehen kan, ja, und
das noch mehr ist, alle ding sein ime gwiß und vorwis-
sendt von ewigkeytt, und das alles durch sein unbegreiff-
liche weisheytt dispensiert werde. Darumb aber will ich
Gott für kein ursacher des übels haltten, dan es ist of-
fenbar, das durch einen man (nämlich Adam) die sündt
iren eingang in dise weltt genomen, welche bis uff diser
stundt auff allen menschen behartt, von welcher alles
übell herkompt und nitt von Gott, der inmittelst [in-
zwischen], des ohnangesehen, durch sein gütte das bös zu
guttem gebraucht. Diser gestalt tractier ich von der ewi-
gen weisheytt Gottes.
[4.] Wan auch die materi erfordert, so rege ich sein ewige
fürsehung an, welche erkandtnus uns woll wissendt von
wegen des streits, so unsere widersacher mit uns diser
sach halben gehabt, also, das uns nitt frembd ist zuhö-
ren, das Gott von ewigkeytt her begnadige die, so er will,
und hergegen verstockhe, welche er wöll, auff das er
durch solch mittel sein barmhertzigkeytt und gericht of-
fenbare, und das über die verstockhte sein gestreng ge-
richt [Korr. aus: urteill] ergang und über die erwöltte die

grose seiner barmhertzigkeytt, das do herlicher leüchte.
Dan einmahl, so ist die erwölung die recht brunnenquel, |
davon man die erkandtnus der barmhertzigkeytt Gottes
schöpffen muß, davon der glaub herfleüst und von dan-
nen auch letstlich die gutte werckh entspringen. Also ist
auch hergegen die verstockhung ein anzeigen des zorns
und gerichts Gottes, ein offenbarung der verdamnus
[Korr. aus: ein zeichen der verderbnus], ein zeichen der
verwerffung und letstlich ein vorbereitung der ewigen
trübsall.
Von disen dingen rede ich sovill, als ich erkenne, das es
zur forcht Gottes und zur heyligung des lebens durch das
wortt Gottes nutzen möge, in welchem nichs begriffen,
das uns zuwissen nitt gebüre, ohnangesehen, das ett-
lichen mit entohnehrung des h. geysts meinen, das die
erkantnus diser ding unnütz und unvonnötten, ja schäd-
lich seyen, da doch dem zu entgegen offenbar, das in dem
gleübigen die unwissenhaitt diser dingen der fahl alles
ellendts ist, dan daher entspringt undanckhbarkeytt,
misvertrauwen und unsicherheytt und, das das laster al-
ler gottseligkeytt ist, das man nit warnimpt der regie-
rung Gottes über die ding, so er selbs geschaffen.
Letstlich, damit nichts zweivelhafftig in der lehr sey, be-
schleus ich, das der glaub und unglaub die erwölte unnd
verstossene underscheide und under den werckhen der
[Lücke im Text] und der andern dergestallt, das eim je-
den dis zeichen der erwölung gnug sein soll: Der an den
sohn Gottes glaubt, hatt das ewige leben, und der durch
solhe erwölung dem sohn Gottes eingepflanzt ist, der in
mit warem glauben empfahet, sein | stim höret und ime
folgt, ist gnugsam probiert und (wie Christus selbs be-
zeügt) wurdt nit mehr verderben.
[5.] Weütters, so zeüge ich die eigenschafft und krafft des
glaubens an, von welchen ich die gutte werckh fordere
als von der frucht diser wurtzel, und kein andere, dan die
ime Gott vorbereittet hatt, darmit wür in dem selbigen
wandlen, in welchem glauben wür auch durch die gnad
Jhesu Christi im h. geyst widergeborn sein. Jedoch kön-
nen wür uns nitt rüemen, das gutte werckh ein mittel
unser seligkeytt seien, angesehen, das sie Gott zu solhem
endt von uns nitt fordert, sondern zur glori und ehr sei-
ner gnaden, welche er auch von den gleübigen als gehor-
samen empfahet.
Sig allein sein gutte [werckh] eines christenmenschen, die
den glauben bezeügen, ja heüffig vom glauben fliesen,
dan der glaub kan nitt miessig sein. Hergegen, was nitt
vom glauben ist, wie schönen glantz es immer habe, so
vergewis ich mitt S. Paulo, das es sünd sey, und mit S.
Augustino, das unser religion die gerechte von den unge-
rechten nitt durch die werckh, sonder durch den glauben
underscheide, ohn welchen die werckh, ob sie schon gutt
scheinen, sich in sündt verkehren. Darumb haltt ich
mich vor allem an die lehr des glaubens, dan es ist nitt
miglich, das die wirckhung desselben | on frucht abgan-
gen, so wenig als miglich ist, ein feür ohn schein anzu-
zinden. Dan der sagt, er kenne Gott, und seine gebott
nitt haltt, ist ein lügener..
[6.] Nachvolgendts weyße ich den rechten gottesdienst,
die anrüeffung Gottes in Jhesu Christo, und reitz jeder-

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