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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0178
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Mülhausen

Kötzingen, Reinach) an. Das älteste der Mendikantenklöster war das der Franziskaner von 1260, das zur
Kustodie Basel gehörte. Im 13. und 14. Jh. erfuhr es die besondere Unterstützung durch die adeligen
Familien der Stadt und des Umlandes. Auch zahlreiche Konventualen kamen aus diesem Kreis. Im 15. Jh.
machte sich aber bei den Franziskanern wie auch bei den Augustinern ein spürbarer Niedergang bemerkbar.
Das einzige Frauenkloster in Mülhausen, das der Klarissen, entstand wohl im Jahr 1283. Es gehörte nicht
zum strengen Zweig des Ordens, sondern zu den gemäßigten „Urbanistinnen“, die Besitz zuließen34.

II. Die Reformation in Mülhausen
A. Die Einführung der Reformation
Neben Straßburg gehört Mülhausen zu den Städten des Elsaß, in denen die Reformation sehr früh zum
Durchbruch kam35. Sie ist vor allem mit den Namen von drei Männern verbunden: mit dem des Priors der
Augustinereremiten Nikolaus Pruckner, dem des Kaplans an St. Stephan Augustin Geschmus (Krämer)
und dem des Stadtschreibers Johannes Oswald Gamsharst. Pruckner war erst 1519 in die Stadt gekommen
und hatte ein Jahr später das Priorat der Augustinereremiten übernommen36. Geschmus stammte hingegen
aus Mülhausen, wo er um 1490 als Sohn eines Krämers geboren worden war. Er studierte in Basel und
erhielt dann eine Pfründe an der Pfarrkirche seiner Heimatstadt37. Von den beiden Geistlichen war
Geschmus der konziliantere. Für den Rat stellte er daher einen wichtigen Ansprechpartner dar (s. Nr. 4 und
5). Gamsharst war zwar 1480 in Kenzingen i. Br. geboren worden, war aber in Mülhausen aufgewachsen,
wo sein Vater Johannes das Stadtschreiberamt innehatte. 1504 trat er, der wie Geschmus in Basel studiert
hatte, die Nachfolge seines Vaters an. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang prägte er die Politik Mülhau-
sens an entscheidender Stelle mit38.
Innerhalb der Bürgerschaft schloß sich eine Mehrheit rasch der neuen Bewegung an. Zu den treibenden
Kräften scheinen dabei die Zünfte gezählt zu haben. Auch im Rat fand die Reformation Unterstüt-
zung39. Im Juli 1523, also ein halbes Jahr früher als in Straßburg, erließ der Rat ein Mandat zur Predigt des
Evangeliums (Nr. 1). Dieses wurde noch im Dezember desselben Jahres durch eine erste Zuchtordnung
ergänzt, mit der eine Reform der Sitten eingeleitet werden sollte (Nr. 2). Nach dem Vorbild Zürichs ordnete
der Rat am 7. August 1524 eine Disputation an. Für sie entwarf Pruckner 20 Thesen, die Balthasar Hub-
maier noch im gleichen Jahr zusammen mit 18 eigenen Thesen veröffentlichte. Über den Ablauf der Dis-
putation selbst gibt es aber keine Zeugnisse40.
Auf besonderen Widerstand in der Stadt scheint die
Untersuchungen von Marcel Moeder stand die Mehrheit

34 Vgl. dazu ausführlich Moeder, Église, S. 36-51 und
S.87-103.
35 Zur Einführung der Reformation in Straßburg vgl. die
Einleitung zu Sehling, EKO XX,1, S. 29-45 und die
dort genannte Literatur. Zwischen den Mülhauser und
den Straßburger Theologen bestanden zwar enge Verbin-
dungen, die reformatorische Bewegung in Mülhausen ist
aber weniger von Straßburg als vielmehr von der
Schweiz, vor allem von Basel, her geprägt worden (s.
unter II).
36 Ein Biogramm zu Nikolaus Pruckner findet sich in
Nr. 3b, Anm. 4.

Reformation nicht gestoßen zu sein. Nach den
der Kapläne an der Pfarrkirche St. Stephan der

Zu Augustin Geschmus (Gschmus, Gemusaeus) vgl. die
Artikel von Lutz, Reformateurs, in BMHM 21 (1897),
34-52 und 23 (1899), S. 5-32 sowie Meininger,
Pasteurs, S. 69, Bopp, Geistliche, Nr. 1853 und Mieg,
Réforme, passim.
Zu den beiden Gamsharst vgl. die im Literaturverzeich-
nis aufgeführte Beitragsreihe von Philippe Mieg im
BMHM, zu Johannes Oswald Gamsharst s. vor allem
BMHM,71 (1963), S. 5-105. Zum Amt des Stadtschrei-
bers s. Moeder, Institutions, S. 118-121.
Vgl. Mieg, Réforme, S. 38.
Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 556.

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