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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0188
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Mülhausen

nach dem Amtsantritt von Geschmus kam auf die Empfehlung des Straßburger Reformators Wolfgang
Capito hin Otto (Vinerius) Binder als Prädikant nach Mülhausen. Am 19. Dezember 1527 teilte Capito dem
Mülhauser Rat brieflich mit, die Ankunft Binders werde sich noch einige Zeit verzögern, da er durch das
Straßburger Domkapitel auf seiner alten Stelle in Boersch festgehalten werde. Anfang des Jahres 1528
dürfte Binder dann aber seine Arbeit in Mülhausen aufgenommen haben103. Ebenfalls auf eine Empfehlung,
die von Johannes Oekolampad, ging die Berufung des ehemaligen Augustinermönchs Jakob Augsburger
zum Prädikanten zurück104.
Geschmus und Augsburger nahmen als Vertreter Mülhausens an der Berner Disputation teil, von der ein
entscheidender Impuls für die Entwicklung der Reformation in Mülhausen und der übrigen Eidgenossen-
schaft ausging. Grundlage der Disputation, die am 6. Januar begann und am 26. Januar endete, bildeten
zehn von Berchtold Haller und Franz Kolb entworfene „Schlußreden“. Diese wurden von den Mülhauser
Pfarrern angenommen, mit Ausnahme der vierten zum Abendmahl, in welcher es heißt: Das der lyb und das
blut Christi wäsentlich und liblich in dem brot der Dancksagung empfangen werde, mag mit Biblischer geschrifft
nit bybracht werden105.
Direkt im Anschluß an die Disputation, am 27. Januar 1528, beschloß der Berner Rat die Abschaffung
der Messe; zwei Wochen später erschien dann das Große Berner Reformationsmandat106. Aus Bern zurück-
gekehrt, wandte sich Augustin Geschmus wegen der Gestaltung der Gottesdienste in der Karwoche an den
Mülhauser Rat. Aufgrund der zahlreichen mit den Gottesdiensten dieser Woche verbundenen Bräuche, für
die es keine Belege in der Hl. Schrift gab, erschien Geschmus die Beibehaltung der alten Formen proble-
matisch. Die Ratsherren beauftragten ihn daraufhin, zusammen mit den beiden Prädikanten Augsburger
und Binder ein Gutachten zu erarbeiten107. In ihrem „Ratschlag“ plädierten die drei Geistlichen für die
Abschaffung einer Vielzahl von Gewohnheiten wie etwa dem Segnen der Palmzweige und dem Palm-
schießen am Palmsonntag, der Grablegung Christi am Karfreitag oder der Feuerweihe in der Osternacht. In
den Mittelpunkt der Gottesdienste sollte nach ihrer Vorstellung die Predigt rücken. Außerdem sollten die
Lesungen und Gebete in deutscher Sprache gehalten werden.
In Basel drängten inzwischen die von der Berner Disputation zurückgekehrten Delegierten auf ein Ende
der abwartenden Politik des Rates und einen grundlegenden kirchlichen Wandel; dabei fanden sie vor allem
in den Zünften Unterstützung. Am Karfreitag wurden aus der Kirche St. Martin gewaltsam Altäre und
Bilder entfernt, am Ostermontag dann auch aus der Augustinerkirche. Als einige Bilderstürmer festgenom-
men wurden, versammelte sich eine erregte Menge vor dem Rathaus. Auf deren Druck hin kam eine Ver-
einbarung zustande, wonach neben diesen beiden Gotteshäusern auch die Franziskaner- und die Spital-
kirche sowie St. Leonhard ausgeräumt und den evangelischen Prädikanten für ihre Gottesdienste zur
Verfügung gestellt werden sollten108. Die Nachricht von den Basler Ereignissen verbreitete sich rasch nach
Mülhausen. Nach dem Bericht des Malachias Tschamser kam es am 17. April auch in Mülhausen zum
Bildersturm109. Dabei wurden anscheinend auch die wertvollen Fenster im Chor der Pfarrkirche beschä-
digt110. Um die Situation zu beruhigen, berief der Mülhauser Rat eine Bürgerversammlung ein111.
In der Folge scheint der Rat Augustin Geschmus um Vorschläge für eine Neugestaltung der Gottesdien-
ste gebeten zu haben. Von den Empfehlungen des Leutpriesters selbst ist leider nur ein kurzes Fragment im

103 Millet, Correspondance, Nr. 345, S. 111. Laut Capito
sollte Binder die gleiche Bezahlung wie Pruckner erhal-
ten.
104 Vgl. das Schreiben Oekolampads vom 18. August 1526 in
Staehelin, Briefe und Akten 1, Nr. 422, S. 574f.
105 Die zehn Schlußreden sind ediert in RBS 1, S. 203f.
(deutsch) und 204f. (lateinisch).
106 Abgedruckt in Steck / Tobler, Aktensammlung,
Nr. 1513, S. 629-634.

107 Vgl. Mieg, Réforme, S. 80.
108 Vgl. Roth, Reformation 1, S. 46-48.
109 Tschamser, Annales oder Jahres-Geschichten 2, S. 50.
110 Vgl. Fürstenberger, Mülhauser Geschichten, S. 152.
111 Vgl. die Zusammenfassung der Ereignisse in Mieg,
Réforme, S. 81. Gegenüber den eidgenössischen Boten
hatte der Mülhauser Rat am 1. Juli 1527 noch ausdrück-
lich betont, daß bei den Bildern keine Änderungen vor-
genommen worden seien (vgl. S. 205).

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