Einleitung
Bestand AM Mulhouse Nr. 3830 erhalten112. Darin geht es um eine würdige Feier des Abendmahls. Nach
Geschmus’ Auffassung war das Abendmahl bislang ohne das rechte Verständnis empfangen worden. Er
regte daher u.a. eine Anmeldung der Gläubigen zum Abendmahl an. Einer Aufzeichnung des Stadtschrei-
bers Gamsharst lassen sich einige weitere Vorschläge des Leutpriesters entnehmen: So sollte nach
Geschmus’ Vorstellung das Abendmahl so oft gefeiert werden, wie dies die Gläubigen wünschten. Für die
Austeilung von Brot und Wein sah Geschmus zwei Geistliche der Pfarrkirche vor. Anstelle der Frühmesse
sollte ein von den Kaplänen gehaltenes Frühgebet treten, bei dem ein Kapitel aus dem Neuen Testament
ausgelegt wurde. Das Salve und die Nonen sollten erhalten bleiben113.
9. Im Auftrag des Rates erstelltes Gutachten des Leutpriesters und der drei Prädikanten zur Gestaltung der
Gottesdienste [vor 24. Dezember 1528] (Text S. 208)
Auf eine neuerliche Anfrage des Rates geht auch das Gutachten zurück, das die drei Prädikanten - neben
Augsburger und Binder war im Laufe des Jahres 1528 noch Bernhard Ronner nach Mülhausen berufen
worden - zusammen mit dem Leutpriester Augustin Geschmus verfaßten und das die Grundlage für die
Neugestaltung der Gottesdienste an Weihnachten 1528 bildete. Als grundlegende Bestandteile des Sonn-
tagsgottesdienstes erscheinen darin der Psalmen- und Lobgesang am Beginn und am Ende des Gottesdien-
stes, die Predigt, das Gebet für alle Stände der Christenheit und das Abendmahl. Die gleichen Elemente
finden sich auch bei den Gottesdiensten in der Woche (die jeweils um 8.00 Uhr beginnen). Dagegen
beschränkt sich das Morgengebet auf die fortlaufende Auslegung eines biblischen Buches, auf die Beichte
und Absolution sowie das Gebet für die Stände der Christenheit. An den Nonen und Vespern halten die
Gutachter weiterhin fest, wobei sie jedoch auf einen geordneten Ablauf der Feier sowie auf die Verwendung
der deutschen Sprache bei der Anwesenheit von Gemeindegliedern dringen. Sowohl bei der Einsegnung der
Ehe als auch bei der Taufe wird der Zeugnischarakter der Handlung betont und auf die Gegenwart der
Gemeinde gedrungen. Besonderen Nachdruck legen die Gutachter aber darauf, daß der wahre Gottesdienst
nicht in äußerlichen Zeremonien bestehe, sondern im Vertrauen auf Gott.
B. Die Neuordnung der reformatorischen Kirche nach 1529
Die mit der Aufhebung der Messe im Februar 1529 einsetzende Neuordnung der Mülhauser Kirche richtete
sich in starkem Maße am Vorbild der Stadt Basel aus. Dies begann mit der Übernahme der Basler Refor-
mationsordnung vom April 1529 (s. Nr. 10 und 11). Das Basler Bekenntnis von 1534 diente dem Mülhauser
Bekenntnis (Nr. 14) als Vorlage wie später dann der Basler „Kinderbericht“ dem Mülhauser Katechismus
(Nr. 23). Mülhausen führte auch die Basler Synodalordnung ein (Nr. 15) und gestaltete die Gottesdienste
nach den Agenden der Nachbarstadt (Nr. 22). In den fünfziger Jahren des 16. Jh. scheint die Orientierung
an der Basler Kirche zumindest von Teilen der Mülhauser Geistlichkeit in Frage gestellt worden zu sein; zu
einer vollständigen Abkehr von Basel führte dies jedoch nicht.
Im Februar 1529 trat Mülhausen dem „Christlichen Burgrecht“ von Bern und Zürich bei und beteiligte
sich im Januar 1530 auch an deren Bündnis mit Straßburg und Basel. Mit eigenen Mannschaften kämpfte
es auf seiten der evangelischen Orte im Ersten und Zweiten Kappelerkrieg114. Der sogenannte „Fininger-
handel“, eine Revolte von Familien innerhalb der Stadt, die von den altgläubigen Orten unterstützt, von
112 Vgl. Post / Benner, Verzeichnis, S. 230.
113 AM Mulhouse Nr. 3762 / 1. Aus einer weiteren Notiz
von Gamsharst (Nr. 3762 / 2), die sich hauptsächlich mit
den beiden Prädikanten Augsburger und Binder beschäf-
tigt, läßt sich entnehmen, daß das Abendmahl wohl
jeden Sonntag gefeiert wurde. Der Inhalt der beiden
Aufzeichnungen von Gamsharst wird referiert in Mieg,
Réforme, S. 83.
114 Vgl. Mieg, Réforme, S. 99-114.
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Bestand AM Mulhouse Nr. 3830 erhalten112. Darin geht es um eine würdige Feier des Abendmahls. Nach
Geschmus’ Auffassung war das Abendmahl bislang ohne das rechte Verständnis empfangen worden. Er
regte daher u.a. eine Anmeldung der Gläubigen zum Abendmahl an. Einer Aufzeichnung des Stadtschrei-
bers Gamsharst lassen sich einige weitere Vorschläge des Leutpriesters entnehmen: So sollte nach
Geschmus’ Vorstellung das Abendmahl so oft gefeiert werden, wie dies die Gläubigen wünschten. Für die
Austeilung von Brot und Wein sah Geschmus zwei Geistliche der Pfarrkirche vor. Anstelle der Frühmesse
sollte ein von den Kaplänen gehaltenes Frühgebet treten, bei dem ein Kapitel aus dem Neuen Testament
ausgelegt wurde. Das Salve und die Nonen sollten erhalten bleiben113.
9. Im Auftrag des Rates erstelltes Gutachten des Leutpriesters und der drei Prädikanten zur Gestaltung der
Gottesdienste [vor 24. Dezember 1528] (Text S. 208)
Auf eine neuerliche Anfrage des Rates geht auch das Gutachten zurück, das die drei Prädikanten - neben
Augsburger und Binder war im Laufe des Jahres 1528 noch Bernhard Ronner nach Mülhausen berufen
worden - zusammen mit dem Leutpriester Augustin Geschmus verfaßten und das die Grundlage für die
Neugestaltung der Gottesdienste an Weihnachten 1528 bildete. Als grundlegende Bestandteile des Sonn-
tagsgottesdienstes erscheinen darin der Psalmen- und Lobgesang am Beginn und am Ende des Gottesdien-
stes, die Predigt, das Gebet für alle Stände der Christenheit und das Abendmahl. Die gleichen Elemente
finden sich auch bei den Gottesdiensten in der Woche (die jeweils um 8.00 Uhr beginnen). Dagegen
beschränkt sich das Morgengebet auf die fortlaufende Auslegung eines biblischen Buches, auf die Beichte
und Absolution sowie das Gebet für die Stände der Christenheit. An den Nonen und Vespern halten die
Gutachter weiterhin fest, wobei sie jedoch auf einen geordneten Ablauf der Feier sowie auf die Verwendung
der deutschen Sprache bei der Anwesenheit von Gemeindegliedern dringen. Sowohl bei der Einsegnung der
Ehe als auch bei der Taufe wird der Zeugnischarakter der Handlung betont und auf die Gegenwart der
Gemeinde gedrungen. Besonderen Nachdruck legen die Gutachter aber darauf, daß der wahre Gottesdienst
nicht in äußerlichen Zeremonien bestehe, sondern im Vertrauen auf Gott.
B. Die Neuordnung der reformatorischen Kirche nach 1529
Die mit der Aufhebung der Messe im Februar 1529 einsetzende Neuordnung der Mülhauser Kirche richtete
sich in starkem Maße am Vorbild der Stadt Basel aus. Dies begann mit der Übernahme der Basler Refor-
mationsordnung vom April 1529 (s. Nr. 10 und 11). Das Basler Bekenntnis von 1534 diente dem Mülhauser
Bekenntnis (Nr. 14) als Vorlage wie später dann der Basler „Kinderbericht“ dem Mülhauser Katechismus
(Nr. 23). Mülhausen führte auch die Basler Synodalordnung ein (Nr. 15) und gestaltete die Gottesdienste
nach den Agenden der Nachbarstadt (Nr. 22). In den fünfziger Jahren des 16. Jh. scheint die Orientierung
an der Basler Kirche zumindest von Teilen der Mülhauser Geistlichkeit in Frage gestellt worden zu sein; zu
einer vollständigen Abkehr von Basel führte dies jedoch nicht.
Im Februar 1529 trat Mülhausen dem „Christlichen Burgrecht“ von Bern und Zürich bei und beteiligte
sich im Januar 1530 auch an deren Bündnis mit Straßburg und Basel. Mit eigenen Mannschaften kämpfte
es auf seiten der evangelischen Orte im Ersten und Zweiten Kappelerkrieg114. Der sogenannte „Fininger-
handel“, eine Revolte von Familien innerhalb der Stadt, die von den altgläubigen Orten unterstützt, von
112 Vgl. Post / Benner, Verzeichnis, S. 230.
113 AM Mulhouse Nr. 3762 / 1. Aus einer weiteren Notiz
von Gamsharst (Nr. 3762 / 2), die sich hauptsächlich mit
den beiden Prädikanten Augsburger und Binder beschäf-
tigt, läßt sich entnehmen, daß das Abendmahl wohl
jeden Sonntag gefeiert wurde. Der Inhalt der beiden
Aufzeichnungen von Gamsharst wird referiert in Mieg,
Réforme, S. 83.
114 Vgl. Mieg, Réforme, S. 99-114.
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