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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0194
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Mülhausen

einer lateinischen und einer deutschen Fassung überliefert und enthält drei Teile: zum Abendmahl, zur
Taufe und zur Absolution. Entscheidende Bedeutung kam dabei vor allem der Einigung in der Abendmahls-
frage zu144.
Bereits im Vorfeld der Verhandlungen in Wittenberg hatten sich Bucer und sein Straßburger Kollege
Capito um eine Einbeziehung der Schweizer Theologen in den Einigungsprozeß bemüht. Dabei spielte auch
das Bestreben eine wichtige Rolle, die evangelischen Orte der Eidgenossenschaft für einen Beitritt zum
Schmalkaldischen Bund zu gewinnen. Auf der vom 30. Januar bis 4. Februar 1536 in Basel stattfindenden
Versammlung der evangelischen Orte warben die beiden Straßburger Theologen um die Teilnahme der
Schweizer. Auf ihr Drängen hin wurde sogar das zu Anfang der Tagung durch Heinrich Bullinger, Oswald
Myconius und Simon Grynäus entworfene Bekenntnis, die Confessio Helvetica prior, noch einmal überar-
beitet. Änderungen erfuhren dabei vor allem die Abschnitte über die Sakramente, um eine Einigung mit
Luther nicht von vornherein scheitern zu lassen. Eine Annäherung gelang jedoch nur teilweise: Zwar faßt
die Confessio Helvetica prior die Sakramente nicht als bloße Zeichen auf; die substantielle Verbindung von
Irdischem und Göttlichen, wie sie dann in Bucers Formel cum pane et vino zum Ausdruck kommt, ist jedoch
bewußt vermieden145.
Die Delegationen der einzelnen Orte, darunter die Mülhausens mit Augustin Geschmus und Achatius
Gilgauer146, erhielten eine Abschrift des Bekenntnisses, um sie den Magistraten zur Genehmigung vor-
legen zu können. Dabei wurde festgelegt, daß Änderungen nur mit der Zustimmung aller Beteiligten
vorgenommen werden sollten. Ein Druck des Bekenntnisses war nicht vorgesehen147. Die Entscheidung
über eine Teilnahme an den Verhandlungen mit Wittenberg wurde in Basel verschoben. Auf einer Ver-
sammlung in Aarau am 1. Mai 1536 fiel dann die Entscheidung gegen die Teilnahme. In einem Schreiben
an den Straßburger Rat baten die Delegierten, daß die Theologen der Reichsstadt Luther die Confessio
Helvetica prior überreichen sollten148. Die beiden Mülhauser Gesandten, Geschmus und der Ratsherr
Heinrich Wagner, hatten in Aarau anscheinend vorgeschlagen, eine Übernahme der Confessio Tetrapoli-
tana in Erwägung zu ziehen, weil dieses Bekenntnis im Unterschied zur Confessio Helvetica prior
gedruckt vorlag. Auf den folgenden Tagsatzungen mußte sich Mülhausen deshalb den Vorwurf gefallen
lassen, als Anhängerin des Straßburger Bekenntnisses eine Trennung von den anderen eidgenössischen
Orten anzustreben149.
Die in Wittenberg ohne die Schweizer getroffene Vereinbarung wurde in den folgenden Monaten in den
meisten oberdeutschen Städten durch die Unterschrift der Geistlichen und den Beschluß der Magistrate
bestätigt. Bucer und Capito bemühten sich, die Schweizer nachträglich noch zu einer Zustimmung zu
bewegen. Wichtig war dabei die Haltung Basels als Vermittlerin. Am 1. Juli 1536 unterrichteten Bucer und
Capito deshalb den Basler Bürgermeister Jakob Meyer und den Rat über die Verhandlungen in Wittenberg.
Dem Schreiben beigefügt war eine ausführliche Erklärung der Artikel der Konkordie („Declaratio articu-
lorum germanica“). In dieser behaupteten die Straßburger Theologen, daß die Vereinbarung mit den Schrif-
ten Zwinglis und Oekolampads, mit der Confessio Tetrapolitana und auch mit der Confessio Helvetica prior
in Einklang zu bringen sei150. Auf Drängen Bucers entsandte der Basler Rat am 17. Juli Simon Grynäus und

144 Zur Wittenberger Konkordie vgl. TRE 36, S. 243-251
sowie die Einleitung zu den Editionen der Konkordie in
Bucer, Deutsche Schriften 6,1, S. 17-43 und RBS 1,2,
S. 69-85.
145 Vgl. die Darstellung von Ernst Saxer in RBS 1,2,
S. 34-36.
146 Zur Teilnahme Mülhausens in Basel s. Mieg, Réforme,
S. 135.
147 Am 27. März wurde der deutsche Text des Bekenntnis-
ses, den Leo Jud aus der lateinischen Vorlage übersetzt

hatte, von den Delegierten auf einem neuen Treffen
angenommen.
148 Vgl. Köhler, Zwingli und Luther, S. 439f. Am letzten
Tag der Verhandlungen in Wittenberg übergab Bucer ein
Exemplar der Confessio Helvetica prior an Luther.
149 Vgl. Mieg, Réforme, S. 136f. sowie Mossmann, Car-
tulaire 5, Nr. 2297.
150 Die „Declaratio articulorum germanica“ ist abgedruckt
in Bucer, Deutsche Schriften 6,1, S. 209-216, s. vor
allem S. 210: Dise Confession zu Witenberg gestellet hat nit

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