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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0204
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Mülhausen

Das Formular für die Heimsuchung der krancken beginnt mit einer langen Ansprache des Pfarrers, in
welcher der Kranke zur Annahme seiner Krankheit und zur Geduld in ihr aufgefordert wird. Die Ansprache
schließt mit der Frage, ob der Kranke etwas besonderes auf dem Herzen habe. Es folgen der Bußpsalm 130
und dann die Litanei. Das Confiteor soll der Kranke mit dem Mund oder dem Herzen beten; in der
Absolution wird er von allen Sünden losgesprochen. Als Lesung dient eine der Erzählungen von der Kreu-
zigung Jesu. Das Beten des Glaubensbekenntnisses mündet in die Frage, ob der Kranke in diesem Glauben
verharren wolle. Dann erfolgt die Überleitung zum Abendmahl. An dieser Stelle findet sich eine der wenigen
Regieanweisungen der Agende: Darin werden Pfarrer und Diakone ermahnt, niemandem das Sakrament
abzuschlagen, auch wenn er längere Zeit nicht am Abendmahl teilgenommen hat.
23. Katechismus, 1580 (Text, S. 284)
Wenn man der 1552 vom Pfarrer Otto Vinerius Binder beim Rat eingereichten „Supplication unnd peinli-
che[n] ermanung ann ein lieb kirch Mülhusen“ Glauben schenkt, scheint der vorgesehene kirchliche Unter-
richt, mit jeweils vier Terminen für die Jungen und für die Mädchen, von den Pfarrern eher nachlässig
abgehalten worden zu sein205. Aber auch die Eltern mußte der Rat in seinem Sonntagsmandat vom 30. April
1561 ermahnen, die Kinder zum „Kinderbericht“ zu schicken, so offt der [...] im jar gehalten wird (Nr. 21).
Ähnliche, an die Eltern gerichtete Ermahnungen finden sich noch aus den Jahren 1620 und 1623206. Eine
Konfirmation scheint in Mülhausen erst im Laufe des 18. Jh. eingeführt worden zu sein. Vorher wurde von
den Jugendlichen, die am Abendmahl teilnehmen wollten, nur der Besuch des kirchlichen Unterrichts gefor-
dert207.
In der Mülhauser Kirche dürfte zunächst der Basler „Kinderbericht“ als Katechismus benutzt worden
sein. Dieser ist auch als Anhang zu der 1564 in Mülhausen erschienenen Basler Agende (Nr. 22) abgedruckt
worden (ab Bl. C 5v)208. Der „Kinderbericht“ umfaßt zum einen die ,,Christliche[n] Fragstuck, nit allein für
die junge Kinder, sonder ouch für Alte und ungeleerte Lüt vast nützlich unnd notwendig“ (der „größere
Katechismus“ von Myconius) und zum anderen die „Frag und antwort in verhörung der kinder der kilchen
zu Basel“ (der „kleinere Katechismus“ von Oekolampad)209. An die beiden Texte schließt sich noch eine
Sammlung mit Gebeten an.
1579 erteilte der Mülhauser Rat der Synode den Auftrag, den Basler Katechismus für einen Neudruck
zu überarbeiten. Diese Aufgabe hatten die Geistlichen im September 1579 erledigt. Im folgenden Jahr
erschien dann der revidierte Katechismus unter dem Titel „Catechismus oder kinderbericht für die kirchen
und gmein Gottes in der statt Mülhausen“. Da Mülhausen nach dem Ende der Schmidtschen Offizin keine
eigene Druckerei mehr besaß210, mußte der Auftrag nach auswärts vergeben werden. Auffällig ist dabei, daß
Christoph Froschauer der Jüngere in Zürich den Auftrag erhielt und nicht eine der Druckereien im benach-
barten Basel.
Der Druck umfaßt insgesamt 32 Blätter; 23 davon gehören zum Katechismus; die restlichen Blätter
enthalten das dem Katechismus angefügte Bekenntnis aus dem Jahr 1537 (s. oben Nr. 14). Der Mülhauser
Katechismus übernahm nur die ,,Christliche[n] Fragstuck“ und die Gebete aus dem Basler „Kinder-

205 AM Mulhouse Nr. 4502. In der Basler Reformationsord-
nung von 1529 (s. oben unter Nr. 10) war festgelegt wor-
den, das die leutpriester die jungen kind, so von syben jaren
bitz in dz vierzehendist jare ungeverlich alt sind, alle jar
viermal für sich und ire diacon in die kilchen offentlich
beruffen (Dürr / Roth, Aktensammlung 3, Nr. 473,
S. 389).
206 Vgl. Ernst / Adam, Katechetische Geschichte, S. 221.
207 Ebd., S. 221f.

208 Tournier, Reformation, S. 26 äußert die Annahme,
daß der Heidelberger Katechismus 1564 in Mülhausen
eingeführt worden sei.
209 Zum Verhältnis der beiden Teile zueinander s. die Erläu-
terungen unter Nr. 23, Anm. 5.
210 Nach Reske, Buchdrucker, S. 622 gab es erst in der
zweiten Hälfte des 17. Jh. mit der Offizin von Johann
Heinrich Meyer wieder eine Druckerei in Mülhausen.

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