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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0229
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9. Gutachten zur Gestaltung der Gottesdienste [1528]

psalmen9. | Welcher aber nach dem allem mer und
für sich selber inn der kirchen will betten oder Gott
dancksagen, der mag eß woll thon, wirt auch dar-
umb nitt gescholten, sunder gelobt. Aber hergegen
widerumb, welcher doheime und inn seinem hauß
will meer betten und Gott dancksagen, hatt auch
nitt unrecht thonn. Daß miessen wir sagen umm der
gerechten menschen willene, die do kein mittel wel-
len treffen10 auff beyden seytten: Dise ferchtenf iren
sünden drumm11, so sie in einem tempel betteten, do
die getzen sind, so do sunst die gantz welt vol getzen
ist, und ettwan ir hertz dortzu. Jhene meinen, eß sey
nierdten12 gutt betten dann inn der kirchen. Welche
bede geschlecht13 der menschen sind wider Sanct
Pau[li] ler, der do lert, an allen orten seini hend auff-
zuheben etc. und am aller ersten zu betten,
1. Thimo. 2 [8].
Darnach die Nonen und die Vesper, so man phlegt
zu singen von der feria, auch daß Salve, so eß deut-
tet auff Christum, auch die psalmen und le-
czeng14 auß dem heligen Job, die man singet inn der
vigilien15, on denn anderen ungegründten zusatz,
mag man nitt verbietten, inn der kilchen auff latei-
nisch zu brauchenh, aber doch mitt dem geding16,
daß manß nitt thue wie bißher, on allen glouben,
verstand und andacht und mitt unseglichem eylenn
und blapern, sunder mitt gloubeni, verstand und an-
dacht, on die begird der presentz17, aber mitt der
begird zu Gott, und langsam, underschidlich18 und

e Erg. über der Zeile.
f Gestr.: inn.
g Korr. aus: lectio.
h Gestr.: sonder mann soll eß vilmere heyssen und bestet-
ten.
i Gestr.: und.

9 Gemeint ist hier, wie oben im ersten Abschnitt: deutsche
Psalmen. Vermutlich wurden die Psalmen aber nicht nur
wie in Mk 14,26par. aus den Psalmen des Großen Lob-
gesangs (Ps. 113-118) genommen, sondern aus dem ge-
samten Psalmenbuch.
10 Die unentschieden sind, s. Grimm, DWb 12, Sp. 2392.
11 Nämlich (nachgestelltes drùm).
12 Nirgendwo, s. Lexer 2, Sp. 77 (s.v. niergen).
13 Gruppen, Arten, s. FWb 6, Sp. 1309f.

ordenlich. So ist es wol gethon. Aber doch, daß ir
gsang inn der kirchen mag recht sein, so miessend
sie vor allen dingen einen under in verordnen, der
vorab am Sontag (so daß volck auch gegenwertig
ist), daß sie inn latinischer sprach hand gsungen,
dem volck sollichß alleß auff teutsch lese oder auß-
lege, damitt daß ir gemiett der furcht nitt mangle
und daß volck ein besserung nem ab irem singen in
frembder zungen. Wo sie aber keinen tolmescher
hand, so sollen sie schweygen, so daß volck ver-
samblet ist. Aber wo daß volck nitt do ist, alß inn
der wochen, so wend19 wir ir andacht nitt hinderen,
wend auch nitt von inen begeren einen tolmeschen
oder außleger. Deren ding hatt man einen guten be-
richt in der ersten epistel Pau[li] zu den Corinthern,
am XIIII [27-28]20.|
Weytter, zu der frümeßzeit (die man vil baß nennet:
daß morgen bett) ist recht und wol thonn, daß ein
jeglicher auß den caplenen, den die woche
trifft21, ein buch auß der Biblien für sich nem und
doruß alle tag inn gutter ordnung biß anß end der
gemein vorleß ein lection oder auch dieselbige auß-
lege, alß vil alß ein jeglicher begnadet22 ist. Daß ist
daß erst.
Daß ander: Alß daß geschehen ist, so wirt auch
wol sten und gottlich gehandelt sein, wo sich daß
volck vor Gott wirt demietigen mitt einer gemeinen
offentlichen beicht der sünden und darauff heren ein
absolution.

14 Lektionen, s. FWb 9, Sp. 566.
15 Zum Aufbau der Vigilien vgl. Eisenhofer, Grundriß
der katholischen Liturgik, S. 242-244.
16 Bedingung, Vorbehalt s. FWb 6, Sp. 374f.
17 Für die Teilnahme an den verschiedenen kanonischen
Stunden erhielten Kanoniker und Kapläne Präsenzgel-
der.
18 Die Unterschiede wahrnehmbar machend, s. Grimm,
DWb 24, Sp. 1749.
19 Wollen, vgl. Stucki, Schweizerdeutsch, S. 136.
20 In 1. Kor 14 geht es um die Zungenrede, die ausgelegt
werden soll, damit sie die Gemeinde versteht.
21 Zu den sogenannten „Wochenherren“ s. die Erläuterun-
gen unter Nr. 5, Anm. 5.
22 Begabt, s. FWb 3, Sp. 631f.

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