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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0285
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21. Sonntagsmandat 1561

den gassenwürten13, brantenweyn- oder würdtsheü-
sern sitzen verbleibend, das nun alles ergerlichen
und Christen leuten gar nit gezimmet, Deßhalben,
so gebieten wir auff das aller ernstlichest und wel-
lend, das sich menigklich, er sey Edel, unedel, weib
oder man, kinder und gesindt, wie die in gemelter
unserer Statt und Oberkeit gesessen sind, niemands
harinnen ußgesündert, welcher nit durch kranckheit
oder andere redliche, eehafte14 ursachen, daran wir
vernuegig15, sich endtschuldigen mag, befleissen,
zum wenigsten alle Sonntag bey guter zeyt16 zur
Kirchen und zu der predig zugan, Also das ein ye-
der, wann man zusammen geleütet hatt, gehorsam-
lichen aldo erscheinen und sich niemands mit eini-
cherley geferden auszuzichen oder zu underhalten
understande17.
Wir wellend auch nit, das yemands, jung oder
alt, under der kirchthüren, in dem glocken hauß
stan, noch vor oder under der predigt auff den
Zunfftstuben, an oder vor den thoren, zylstätten,
hinder dem brantenweyn bey den gassenwürten
oder in würdtsheüseren noch in anderen winckeln
(wie dann etlicher losen kunden18 brauch ist) sitzen
bleibe, Sonder yederman hinein in die kirchen gan-
ge, das Göttliche wort mit allem ernst, wie frommen
Christen gebüret, fleißigklich höre und biß zu endt
bleibe, sich auch des orts niemands absünderen,
noch on eehaffte, dapfere ursachen (wie obstadt),
vor und ob19 die predig vollendet und aller dingen in
der Kirchen auß ist, mit geferden ausdretten noch
abschweiffig machen20, Dessen auch ein yeder, ob
der rechtmeßige, erhebliche ursachen habe oder nit,
uns, der oberkeit, oder denen, so wir darzu ordnen
werden, allezeit willigklichen rechenschafft und be-
scheid zugeben schuldig seyn solle.

13 Wirte, die Wein und Bier nur über die Gasse verkaufen,
s. Grimm, DWb 4, Sp. 1453; DRW 3, Sp. 1187.
14 Begründete.
15 Zufrieden.
16 Rechtzeitig, s. Grimm, DWb 31, Sp. 525.
17 Und niemand sich durch irgendeine Täuschung [der
Pflicht] zu entziehen oder Kurzweil zu treiben unterste-
he, s. FWb 2, Sp. 1562 (s.v. ausziehen) und FWb 6,
Sp. 430-432 (s.v. gefärde) sowie Pfälz. Wb. 6, Sp. 940
(s.v. unterhalten).

Dann welicher sich also gefahrlicher weise21 wi-
der diß gebott setzen und am Sonntag under der
predig auff der gassen, vor und an den thoren, in
Zünfften-, weyn- oder würtsheüßern ald22 andern
enden ergriffen oder auff das land, einiche schulden
ynzuzichen oder handtieren, welcherley gstalten das
sein kan, gesehen, gefunden oder erfaren wurde, der
soll zur straff in der armenleüt stock oder kasten
fünff schilling stebler23 on gnad zuerlegen angehal-
ten werden oder dieselbige buß in gefencknus mit
wasser unnd brott zwen tage wettmachen.
Und dieweil der Kinderbericht ein sehr notwendigs
und fürderlichs werck, damit die jugendt in Gottes-
forcht und Christenlicher zucht aufferzogen, sollend
die elteren, so offt der Kinderbericht im jar gehal-
ten24, ire Kinder, sy gangend in die schul oder nit,
ernstlichen anhalten, auch sich selbs, als zu einer
nützlichen predig, Deßgleychen auff die Sonntag, so
man prediget, in die Kirchen befürdern und keins
wegs gestatten, die selbige zeit auff der gassen oder
im feld umzelauffen, fischen, voglen25, spylen oder
andere handtierung zu treiben, dardurch dan inen
zu allem muttwillen und üppigkeit ursach gegeben
wirt.
Wo aber in disen und andern fälen bey den el-
teren etwas farlessigkeit gespürt, sollend die, wel-
cher kinder on erhebliche ursachen den Kinderbe-
richt oder die predig versaumen und sy dieselbigen
der gebür nach nit selbs darumm straffen wurden,
irer versaumnuß halber, namlichen von yedem kind,
das der zeit auff der gassen ergriffen, ein schilling,
und die auff dem feld erfunden, zwen schilling, in
der armen kasten zu straff geben. Und wo die elte-
ren ire kinder eigenwilliger und verachtlicher wyse

18 Durchtriebener Gäste, s. Grimm, DWb 11, Sp. 2621f.
19 Ehe.
20 Sich davon machen, s. FWb 1, Sp. 365.
21 In betrügerischer, arglistiger Weise, s. FWb 6, Sp. 436f.
sowie oben Anm. 17.
22 Oder.
23 Zu dieser geringhaltigen Pfennigmünze (kleiner pfen-
ning) vgl. den Artikel im Idiotikon 10, Sp. 1060-1065.
24 Zum Kinderbericht vgl. auch die Einleitung zu Nr. 23.
25 Vögel fangen, s. Grimm, DWb 26, Sp. 432.

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