Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0341
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2. Zuchtordnung 1613

be Gott und dem Nächsten zu erzeigen, die Ehr
Gottes und der Seelen Heyl zu bedenken, Vor allen
Dingen sein Göttlichs Wort (darauß wir dann allein
einige Gnad, Trost und ewigen Segen gewißlich er-
langen) zu besuchen, fleißig anhören, umb wahren
Glauben und verzeihung zu bitten und unser zeitlich
Leben darnach zu richten, Und wol zu wünschen
were, daß nach solchem mit mehrerm ernst, alß biß-
hero beschehen, nachgesetzt werdeb, So erholen9 wir
zwar die hiebevor Publicirte Ordnung, Setzen, Ord-
nen und wöllen demnach, daß alle die jenigen, so es
Leibs oder anderer Ehafften10 verhinderlichen ur-
sachen haben vermögen, die Predigten Göttlichs
Worts, bevorab11 an Son-, Feyer-, und Bethtagen,
mit ernst besuchen sollen. Welcher oder welche aber
dasselbig Leibs oder ander Ehafften verhinderung
halben nicht thun können, der oder dieselbigen sol-
len under den Predigten in ihren Häusern bleiben
unnd nicht auff dem Marckt, an den Pforten oder
an andern orten stehn, viel weniger auff den Ringk-
mauern, bey oder vor den Thoren spatzieren gehn,
damit niemandts durch sie geärgert oder ursach ge-
geben werde, gleichfalls auch auß der Kirchen zu
bleiben.
Wo aber dem zuwider jemandts also under den Pre-
digten an Son- und Feyertagen auff den Marckten,
Plätzen, Gassen oder Pforten ohne redliche und er-
hebliche ursachen, zu schwetzen oder andern unnüt-
ze Ding zu treiben, befunden würde, Wie dann ein
sondere Hut12 darauff geordnet, der oder dieselben
sollen also bald ohne Gnad oder Nachlassung jedes-
mahl einen Batzen zu Straff verfallen und ohne wei-
gerung zu bezahlen schuldig und solch rug13 den
Stattknechten sampt und sonders befohlen sein.

b Abdruck: nachsetzte.

9 Wiederholen, erneuern, s. Grimm, DWb 3, Sp. 853.
10 Rechtmäßigen, s. Grimm, DWb 3, Sp. 43.
11 Insbesondere, s. FWb 3, Sp. 2206.
12 Aufsicht, s. Grimm, DWb 10, Sp. 1983.
13 Anzeige des Vergehens, s. Grimm, DWb 14, Sp. 1410
und DRW 11, Sp. 1294f.
14 Handelsware, s. FWb 6, Sp. 1849f.

Nachdem auch ein schädlicher mißbrauch bey vielen
bißhero eingerissen, daß viel Geschäfft, die sonst
durch die Wochen wohl ausgericht werden können
und sollen, biß auff die Son- und Feyertag verscho-
ben und verrichtet werden, dadurch nicht allein sol-
che Tag (die doch obgehörter massen zu besuchung
und anhörung Göttlichs Worts und seines heyligen
Evangely fürnemlich auffgesetzt) entheiliget, sonder
auch viel frembde und heimische geärgert werden,
So soll auch hiemit heimischen und frembden ernst-
lich verbotten sein, an obgemelten Son- und Feyer-
tagen under den beiden gewönlichen Predigten we-
der Obs noch ander Gewahr14, wie die Namen haben
mögen, an keinem orth dieser Statt feyl zu haben
noch zu verkauffen, Sonder, welcher oder welche
hierüber also (bevorab von frembden, die sich daß
erstemahl der Unwissenheit entschuldigen möchten)
mehr dann einmal bedretten15 und ergriffen würden,
der oder dieselben sollen das Obs oder Gewahr ver-
loren Und, wo die Gewahr anderst dann Obs und
also bessern werts were, zu lösung derselben jedes-
mahl ein Orts gulden16 zur straff verbrochen17 haben.
Da aber es sich begeben und zutragen würde, daß
frembde Fuhrleut alher kommen, die wegfertig we-
ren, also das es die notturfft erfordern würde, sie zu
befürdern, So ist denselben hiemit zugelassen, an
den Sontagen nach vollendter Mittag Predig und
sonst an gemeinen Feyertagen nach der Morgen Pre-
dig ihre Vaß zu Eichen und zubereiten, Jedoch daß
under solchem auch kein Gefahr18, noch anderer Vor-
theil mit nichten gebraucht werde, und solches dem
Eicher, Kieffern unnd Weinstichern19, achtung dar-
auf zu geben, befohlen sein solle.
Es sollen auch die Sachen und Handlungen, alß da
seind diejenigen, so auff dem Rathhauß zu verrich-
ten, die Gebott20 auff den Zunfftstuben und Beloh-

15 Auf frischer Tat ertappt, s. FWb 3, Sp. 2108f.
16 Münze im Wert des vierten Teils eines Gulden, s. DRW
10, Sp. 417f.
17 Verschuldet haben. Vgl. dazu Grimm, DWb 25, Sp. 160.
18 Missbrauch, Betrug, s. FWb 6, Sp. 425f.
19 Weinmakler, Weinkoster, s. Wb. d. elsäss. Mundarten 2,
S. 573.
20 Versammlungen von Handwerkern, s. FWb 6, Sp. 282.

321
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften