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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0360
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Münster im Münstertal

1347 bestätigte Karl IV. der Stadt und dem Tal alle von Kaisern und Königen verliehenen Rechte und
Freiheiten und sicherte ihnen zu, sie niemals zu versetzen12. Am 10. Mai 1354 bestätigte er die Verfassung
und räumte Münster die gleichen Rechte ein wie den Reichsstädten Colmar und Türkheim (Turckheim).
Nachdem Münster bereits in den vierziger Jahren des 14. Jh. an einer Reihe von regionalen Bündnissen
beteiligt gewesen war, wurde es jetzt auch Mitglied der von Karl IV. initiierten Vereinigung der zehn
elsässischen Reichsstädte, die später die Bezeichnung „Dekapolis“ erhielt13.
Der seit dem 13. Jh. bestehende Magistrat setzte sich aus dem Vogt und insgesamt 16 Ratsherren
zusammen14. Von diesen 16 Ratsherren kamen sieben aus den Dörfern des Groß- und des Kleintals: Die
Dörfer Breitenbach, Mühlbach, Metzeral, Sondernach, Stossweiher und Sulzern besaßen dabei jeweils einen
eigenen Ratsherren, während die drei „kleinen Orte“ Eschbach, Hohrod und Luttenbach gemeinsam einen
Ratsherren stellten. Die sieben Ratsherren bekleideten gleichzeitig das Schultheißenamt in ihren Dörfern.
Aus der Stadt Münster selbst stammten sechs Ratsherren15. Daneben entsandte der Abt aus seinen Amts-
leuten drei Vertreter in den Rat. Deren Teilhabe an der städtischen Führung wurde in der Reformationszeit
mehr und mehr strittig: Zum einen konnte der Abt mangels geeigneter Kandidaten die drei ihm zustehen-
den Plätze nicht besetzen, zum anderen suchten die übrigen Ratsherren die Vertreter des Klosters von
gewissen Entscheidungen auszuschließen. Der Bürgermeister wurde aus dem Kreis der städtischen Rats-
herren gewählt. Daneben gab es noch den Stettmeister, der aus den drei Ratsherren der Abtei kam16. Der
sogenannte „Ratssatz“, die Erneuerung des Rates, fand jedes Jahr im Kloster durch den Abt, den Reichs-
vogt aus Kaysersberg und den Unterlandvogt aus Hagenau statt17. Lange Zeit tagte der Rat auch im
Kloster. Später war dann die Laube auf dem Münsterer Marktplatz Versammlungsort des Rates, bis dieser
1550 schließlich die Herrenstube im neuerbauten Rathaus bezog18.
Eine zentrale Rolle kam in Münster dem Stadtschreiber zu, der erstmals 1420 urkundlich erwähnt ist.
Er war zugleich Ratsschreiber, Gerichtsschreiber, Notar, Rechnungsprüfer (für Steuern, Zoll und Ungeld)
und Schulvisitator. Auch beim „Ratssatz“ war er maßgeblich beteiligt, wenn seine Mitwirkung auch ver-
schiedentlich vom Unterlandvogt blockiert wurde. Der im Statutenbuch von 1518 bis 1527 überlieferte Eid
verpflichtete den Stadtschreiber sowohl gegenüber dem Rat und der Gemeinde als auch gegenüber dem Abt
zum Gehorsam. In einer Supplik an den Kaiser baten Stadt und Tal 1544 um eine Loslösung vom Abt. In
den folgenden Jahren scheint sich der Stadtschreiber dann auch geweigert zu haben, für den Abt und das
Kloster tätig zu werden19.
Die Geschichte Münsters ist durch den Konflikt zwischen der Gemeinde und der Abtei geprägt. Wäh-
rend Stadt und Tal nach Unabhängigkeit von der Abtei strebten, waren Abt und Kloster stets bemüht, ihre
überlieferten Rechte zu bewahren. Die wichtigsten Etappen der Auseinandersetzung markieren eine Reihe
von Verträgen, in denen der Versuch unternommen wurde, die jeweiligen Rechte voneinander abzugren-
zen20. Der erste ist der „Marquardsche Vertrag“ von 1339, benannt nach dem Münsterer Abt Marquard. In
diesem ist festgehalten, daß die städtische Freiheit den Abt und das Kloster in ihren Rechten nicht schä-
digen darf. Danach verfügt der Abt über Zwing und Bann in Stadt und Tal. Er ist Eigentümer der All-
mende; als solcher muß er die Genehmigung zur Veräußerung von Gemeindegut geben. Ihm stehen die Jagd-

Société d’Histoire du Val et de la Ville de Munster 13
(1958), S. 37-40.
12 Abdruck der Urkunde in Wetzel / Matter, Das Jahr
1235, S. 22.
13 Zur Mitgliedschaft Münsters vgl. den entsprechenden
Beitrag von Gérard Leser in Vogler, Décapole,
S.303-329.
14 Erstmals erwähnt wird der Rat in der obengenannten
Urkunde von 1287: der rat und die gemeinde alle von dem
vorgenannten tal.

15 Im Unterschied zu anderen Städten gab es in Münster
keine Zünfte. Diese wurden erst in französischer Zeit ein-
geführt. Vgl. Wilsdorf, Ville de Munster, S. 11.
16 Vgl. Matter, Ratserneuerungen, S. 22f.
17 Ebd., S. 24.
18 Vgl. Robert Schmitt, La Laub dans l’histoire et la
légende, in: Annuaire de la Société d’Histoire du Val et
de la Ville de Munster 36 (1982), S. 56-59.
19 Vgl. Matter, Stadtschreiber, S. 38-50.
20 Als Überblick s. Wilsdorf, Ville de Munster, 11-13.

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