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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0367
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Einleitung

Patenamt ausgeschlossen werden alle die Personen, die sich nicht zur Confessio Augustana bekennen, die
über keine oder nur mangelhafte Kenntnisse des Katechismus verfügen oder die durch einen zweifelhaften
Lebenswandel auffallen71. Die Ausführungen zum Abendmahl beschränken sich auf die Wiederholung des
Verbots, die Kirche vor der Austeilung von Brot und Wein zu verlassen. Sehr breiten Raum nehmen hin-
gegen die Bestimmungen zur Eheschließung und Hochzeit ein: Eine ohne die Zustimmung der Eltern oder
deren Vertretern geschlossene Ehe wird für ungültig erklärt. Die Brautleute müssen zunächst beim Rat um
die Zulassung der Ehe und um deren Abkündigung nachsuchen; erst nach der Genehmigung des Rates darf
der Pfarrer tätig werden. Ausdrücklich verboten wird die Eheschließung mit Welschen72. Die weiteren Kapi-
tel III-VIII über das Lästern, Spielen und Tanzen basieren auf früheren Sittenmandaten aus den Jahren
1555, 1570 und 1575.
Die Kirchenordnung wurde jedes Jahr nach der Erneuerung des Rates in den beiden Pfarrkirchen in
Münster und Mühlbach den Gläubigen von der Kanzel vorgelesen. Auffällig ist bei ihr das Fehlen jeglicher
Anweisungen zur Gestaltung der Gottesdienste am Sonntag und in der Woche. Möglicherweise griff man
hierfür auf eine der vorhandenen Straßburger Agenden zurück73.
3. Ordnung für das Ehegericht, 1577 (Text S. 383)
Wie die Magistrate in anderen evangelischen Reichsstädten entschied sich auch der Münsterer Rat für die
Schaffung eines Ehegerichts74. Zur Begründung seines Schritts berief er sich in der Vorrede zur Ehegerichts-
ordnung auf die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens, wonach die geistliche Gerichtsbarkeit für
die Angehörigen der Confessio Augustana keine Gültigkeit mehr besitzen sollte. Bereits vor der Schaffung
des neuen Gerichts hatte der Rat die Ehegerichtsbarkeit aber an sich gezogen und etwaige Fälle in seinen
wöchentlichen Zusammenkünften behandelt. Wie das Stadtgericht setzt sich auch das Ehegericht nach
einem festen Schlüssel aus Räten der Gemeinden des Tals und Räten der Stadt zusammen. Zur Teilnahme
an den Prozessen berechtigt ist auch der Untervogt. Vom Gericht ausgeschlossen sind hingegen die drei vom
Abt des Klosters benannten Räte75. Auch die beiden Pfarrer gehören dem Ehegericht nicht an. Bei kom-
plizierteren Fällen können sie jedoch als Gutachter hinzugezogen werden76. Auch eine mögliche Konsulta-
tion von Juristen sieht die Ehegerichtsordnung vor.
Grundlage für die Eherichter bilden neben der Hl. Schrift und den Bestimmungen des kaiserlichen
Rechts die in der Kirchenordnung gesammelten Mandate zu Hurerei, Kuppelei und heimlichen Verlöbnis-
sen. Zulässig ist ausschließlich die mündliche Prozeßführung. Im Unterschied zu anderen Städten scheint
das Ehegericht in Münster über kein eigenes Personal verfügt zu haben. In der Ehegerichtsordnung sind
jedenfalls weder eigene Boten noch Schreiber erwähnt77 Die Protokollführung während der Sitzungen und
die Ausfertigung der Urteile übernahm der Stadtschreiber78.

71 Um ungeeignete Personen von vornherein auszuschlie-
ßen, müssen die Namen der Paten dem Pfarrer vor der
Taufe mitgeteilt werden.
72 Ob das Verbot konfessionell bedingt war, ist aus dem
Zusammenhang nicht zu klären. In den Kirchenbüchern
lassen sich jedenfalls Ehen zwischen Personen aus dem
Münstertal und aus dem im Westen angrenzenden
(katholischen) Herzogtum Lothringen nachweisen.
73 Zu den Straßburger Agenden und ihrer Entwicklung s.
die Einleitung zu Sehling, EKO XX,1.
74 Zum Aufbau der Ehegerichte in den anderen Städten

Oberdeutschlands vgl. Köhler, Ehegericht 2 sowie
Sehling, EKO XVII,1, S. 439-454, XVII,2, S. 255-268
und XX,1, S. 531-534. Die Münsterer Ehegerichtsord-
nung findet bei Köhler keine Erwähnung.
75 Für die Zusammensetzung des Rates vgl. die Einleitung
S. 340.
76 Zur Beteiligung der Pfarrer vgl. Köhler, Ehegericht 1,
S. 35 und 2, S. 655f.
77 Vgl. etwa die Straßburger Ehegrichtsordnung von 1589
in Sehling, EKO XX,1, S. 533.
78 Zur Tätigkeit des Stadtschreibers s. oben S. 340.

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